Protest zum Spatenstich des "Musikzentrums"

Die Bewohner des Antoniusstiftes übergaben eine Petition an die Oberbürgermeisterin, damit ihr Heim nicht zwangsgeräumt wird. Zu diesem Anlass ließen sie die Glocken läuten und dieses Plakat entrollen.
  • Die Bewohner des Antoniusstiftes übergaben eine Petition an die Oberbürgermeisterin, damit ihr Heim nicht zwangsgeräumt wird. Zu diesem Anlass ließen sie die Glocken läuten und dieses Plakat entrollen.
  • hochgeladen von Dr. Volker Steude

Sloane, Townsend, Schimmelpfennig und Freis hatten was zu feiern und haben das bei bestem Wetter auch ausgiebig getan. Mit 300 Spaten hat man schon jetzt den Spatenstich vollzogen, auch wenn noch gar nicht absehbar ist, ob und wann die Bagger überhaupt kommen für den Bau des neuen „Musikzentrums“.

Noch sind nicht mal die Bauunternehmen beauftragt, die das Gebäude bauen sollen. Das „Musikzentrum“ selbst befindet sich im permanenten Schrumpfungsprozess um den Kostenrahmen einzuhalten. Absehbar wird dieser Prozess solange andauern bis nur noch der Konzertsaal mit Kirche und Minifunktionsraum überbleibt. Die Bezeichnung des Konzerthauses der BoSy als „Musikzentrum“ entlarvt schon der jetzige Entwurf als Etikettenschwindel.

Zum Spatenstich war der Bauplatz gut gefüllt. Sämtliche Honoratioren, alle Freunde der Symphoniker wurden aufgeboten. Trotzdem blieb ein Großteil des Platzes leer. Der Auftritt der BoSy fand unspektakulär in einem Bierzelt statt. Wirklich mitreißen konnten die BoSy das Publikum nicht. Die „Baustellen-Musik“ war etwas jämmerlich. Andauernd wurde die Bedeutung des Spatenstichs herauf beschworen. Nach dem Spatenstich gäbe es kein zurück. So ganz sicher scheint man sich da aber wohl noch nicht zu sein. Die Beherrschung der Kosten ist ein Problem, die gerichtliche Entscheidung über das Bürgerbegehren im Hauptverfahren steht noch aus. Es könnte auch sein, dass der Spatenstich ins Leere ging.

Bei einem Projekt das großen Rückhalt in der Stadtbevölkerung hat, hätte man erwartet, dass sich Menschen auf dem ganzen Platz drängen und sogar die umlaufenden Straßen gesperrt werden müssen. Man stelle sich vor die Berliner oder Münchener Symphoniker würden in ihrer Stadt ein Open Air-Konzert geben. Die BoSy vermögen dagegen Massen in Bochum trotz tagelanger penetranter Werbung für den Spatenstich nicht zu begeistern.

Auch der Protest gegen das Projekt wurde beim Spatenstich deutlich sichtbar. Der AKU e.V., vertreten durch seinen Vorsitzenden, protestierte deutlich gegen die sinnlose Fällung der Platanen. Die Landtagsabgeordnete der Piraten, Simone Brand, versuchte der Oberbürgermeisterin angesichts des Millionengrabs „Musikzentrum“ ein Grabgesteck zu übergeben. Wurde aber von der Geschäftsführerin der Stiftung Bochumer Symphonie mit Gewalt gestoppt (Video). Dass die Initiatoren des Projektes "Musikzentrums" Probleme mit den Instrumenten demokratischer Willensbildung haben, hatte sich ja bereits bei dem heftigen Widerstand gegen einen Bürgerentscheid zu dem Vorhaben gezeigt.

Die Bewohner des Antoniusstiftes übergaben eine Petition an die Oberbürgermeisterin, damit ihr Heim nicht zwangsgeräumt wird. Zu diesem Anlass ließen sie die Glocken läuten und mit Unterstützung der BÄH-Initiative (Bochum ändern mit Herz) am Marienstift ein 4x5m großes Plakat entrollten „Erst entwurzelt ihr die alten Bäume. Jetzt uns?“.

Bezeichnend, in den Artikeln zum Spatenstich der Bochumer Printmedien* findet sich dazu (bisher) kein Wort. Auch werden aus mehreren hundert Besuchern mal schnell 5.000. Man zählt wohl einfach kurzer Hand die Besucher des Bermudadreiecks bei der parallelen Aktion „Stühle raus“ mit.

Steven Sloanes Aussage: „Wenn Brot und Butter für den Bauch sind, ist Kunst und Kultur für unsere Seele.“ wird am Bauplatz des „Musikzentrums“ durch die Absurdität der realen Bochumer Verhältnisse konterkarierte, während die Bürger gegen die Schließungen von Schulen kämpfen, für den Erhalt sozialer Einrichtungen und die Bewohner des Antoniusstiftes um ihre Wohnung, lassen es sich die Stadtoberen bei musikalischer Hochkultur gut gehen. Während die Pleitestadt ihren Bürgern bei Brot und Butter heftige Einschnitte zumutet, lässt sich die Politik gerne für ihr außerordentliches Engagement bei Kunst und Kultur feiern. Die Prioritäten der Stadtpolitik wurden auf den Kopf gestellt. Das Geld was an anderer Stelle durch heftige Einschränkungen bei Brot und Butter eingespart wurde, wird für den schönen Schein von Hochkultur verjubelt.

Sloanes Sinnspruch, fehlt die Kausalität. Er sollte lauten: „Wenn Brot und Butter für den Bauch ausreichend vorhanden sind, dann bedarf es Kunst und Kultur für unsere Seele“.

Auch hat die Stadt nur bestimmte Kultur im Blick. Für die Hochkultur musste das Street-Art Projekt Urbanatix die Marienkirche räumen. Um alternative Proberäume hatte sich die Kulturverwaltung zuvor jedoch nicht gekümmert. Auch das Versprechen die Urbanatix jedenfalls bis Ende März in neuen Räumen unterzubringen, wurde nicht erfüllt. Vermeintliche „Subkultur“ hat in Bochum auch keine Lobby.

Aber zuallererst muss sich die Politik endlich für den Erhalt der bestehenden sozialen Einrichtungen einsetzen, die Schulen in einen erstklassigen Zustand versetzen und entsprechend ausstatten, dafür sorgen, dass ältere Mitbewohnern nicht gegen ihren Willen aus ihrem Heim transportiert werden, die Verschuldung der Stadt auf Kosten unserer Kinder und Enkel stoppen. Und wenn das gelungen ist, erst dann ist die Stadt in der Lage auch ein Konzerthaus für die BoSy bauen.

Solange ist es den BoSy zuzumuten auch ohne ein eigenes Konzerthaus für die Seele der Bochumer Bürger sorgen.

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* WAZ vom 30.04.13 und RN vom 30.04.13
Update: Zumindest die WAZ hat jetzt einen Artikel nachgeschoben: WAZ vom 01.05.13, jetzt berichtet auch die RN zumindest teilweise: RN vom 01.05.13

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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