Politische Diskussionen über Bochum und Wattenscheid auf Facebook verbieten?
Am 30. März war in der Türkei Kommunalwahl, jetzt am 25.05. findet sie bei uns in NRW statt. In der Türkei versuchte die regierende Partei AKP kurz vor der Wahl die Kritik an ihrem Regierungsstil zu unterdrücken, indem sie Twitter und Youtube abstellte.
Politische Meinungsäußerungen und Diskussionen zu verbieten, gerade in Zeiten des Wahlkampfes, sollte in einer Demokratie eigentlich undenkbar sein. Doch wenn die regierende Partei unter Kritik gerät, dann hat sie tatsächlich drei Möglichkeiten zu reagieren: sie versucht die Kritik in der Diskussion mit den Gegnern zu entkräften, sie ignoriert sie oder sie verbietet die Äußerung ganz.
Letzteres führte in der Türkei wie bei uns zu heftigen Protesten. Gerade die sozialen Medien sind für die Bürger und die Opposition wichtig, weil diese unabhängig von den lokalen Medien funktionieren, deren Möglichkeiten, die politischen Diskussionen im Rahmen des Wahlkampfes umfassend darzustellen, begrenzt sind.
Die Sperrung von Twitter und Youtube warf auch bei uns ein schlechtes Licht auf das Demokratieverständnis der in der Türkei regierenden AKP. Schließlich hoben Gerichte die Zensur jedoch wieder auf.
Die AKP reagierte, jetzt werden von der Partei 6.000 Social-Media-Aktivisten ausgebildet, die in den Sozialen Medien die Meinungsführerschaft der Partei zurück erobern sollen. Diese sollen nicht nur in den Diskussionen dagegen halten, sondern z.B. auch die Facebook-Gruppen übernehmen und als Administratoren sicherstellen, dass „zu AKP-kritische“ politische Meinungsäußerungen unterbunden bzw. gelöscht und politische kritische Nutzer aus den entsprechenden Gruppen verbannt werden.
Diese Art, die politische Meinungsäußerungen zu kontrollieren, macht weit weniger aufsehen. Treue Parteisoldaten handeln im vorauseilenden Gehorsam, ohne dass die Partei direkte Anweisungen erteilen muss.
Wer bei diesen Zeilen gedacht hat, das Demokratieverständnis ist bei der türkischen AKP wohl doch immer noch sehr rückständig, so etwas könnte es bei uns nicht geben, der liegt leider falsch.
Erst kürzlich hat der Administrator, der mit fast 3.800 Personen größten Wattenscheider Facebook-Gruppe, seines Zeichens Mitglied im Vorstand des SPD-Ortsvereins Höntrop, entgegen der Gruppenregeln allen Mitgliedern jegliche politische Meinungsäußerung bis zur Kommunalwahl verboten. Entsprechend wurde als erstes der WAZ-Beitrag zur NPD-Manipulation der Kandidatenlisten von ihm gelöscht und direkt danach der Beitrag des Bündnis Leithe, der auf Missstände in Leithe aufmerksam macht.
Begründung der Sperrung: Er als admin könne bei politischen Diskussionen nicht prüfen, ob die jeweils geäußerte Kritik objektiv richtig sei. Da sich Mitglieder der in Bochum regierenden Parteien nicht an den Diskussionen beteiligen würden, käme die Diskussion von Mitgliedern anderer Parteien und Wählergruppen zudem einer einseitigen Wahlwerbung gleich. Überdies würden sich Mitglieder der Gruppe von politischen Diskussionen genervt fühlen.
Letzteres gilt ganz sicher für die Gruppenmitglieder, die in einer Partei sind, deren Handeln oder Meinung kritisiert wird oder für solche, die sich für Politik nicht interessieren. Sollte deshalb aber jede politische Diskussion gleich verboten werden? Andere nerven Fußballposts, ständige „Guten Morgen“-Wünsche oder die Nachfragen, nach einem guten Arzt, Kfz-Mechatroniker oder Friseur. Diese Beiträge zu verbieten hat der Administrator gleichwohl noch nie in Erwägung gezogen. Warum ausgerechnet Posts, die nur 2% aller Beiträge ausmachen, die sich aber mit politischen Themen sachlich auseinandersetzen, verboten werden sollen, erschließt sich nicht, außer man hat das Ziel, damit Kritik und eine Diskussion über Maßnahmen der regierenden Parteien zu verhindern. Zu diesem Verhalten passt auch, dass der admin als er die bis dahin offene Gruppe übernommen hat, diese umgehend geschlossen hat, so dass nunmehr Nicht-Gruppenmitglieder, die Beiträge nicht mehr lesen können.
Offenbar war das Verbot jeder politischen Diskussion und damit auch der Kritik an der SPD Gesprächsthema in der SPD-Wattenscheid. So hatten bereits zuvor sporadisch schon mal SPD-Mitglieder in der Gruppe das Verbot politischer Beiträge gefordert. Als der admin schließlich das Verbot jeder politischen Diskussion verkündete, klickten vorhersehbar insbesondere einige SPD-Gruppenmitglieder „Gefällt mir“.
Diese SPD-Mitglieder haben offenbar ein fremdartiges Demokratieverständnis. Es ist Wahlkampf. Man sollte meinen, die Partei stellt allen Bürgern ihre politischen Meinungen und Ideen vor und rechtfertigt ihre bisherige Politik. Doch genau das geschieht nicht. Man beteiligt sich (bewusst?) nicht an politischen Diskussionen in den sozialen Medien, auch nicht im Wahlkampf, stattdessen versuchte man die Kritik zu ignorieren. Als man merkt, dass diese Strategie nicht aufgeht und den politischen Gegnern in die Hände spielt, beteiligen sich die SPD-Mitglieder nicht etwa endlich an den Diskussionen, sondern verbieten sie.
Nun ist eigentlich insbesondere der SPD-Ortsverband Höntrop am Zug. Zum einen sollte er sein Demokratieverständnis klar stellen und ein klares Bekenntnis zur freien politischen Meinungsäußerung und Diskussion in allen Medien und auf allen Foren abgeben. Zum anderen sollte er den admin zur Niederlegung seiner politischen Ämter auffordern, da dessen Demokratieverständnis offenbar nicht zu dem der Partei passt.
Die Angelegenheit weiter zu ignorieren, käme einer passiven Unterstützung des Verbots von politischen Diskussionen gleich.
Am besten wäre natürlich, die SPD würde sich zukünftig auch an den politischen Diskussionen in den sozialen Medien beteiligen, um dort ihre politischen Ideen vorstellen und ihre Positionen zu vertreten. Das würde dem Wahlkampf und der Demokratie in der Stadt in jedem Fall gut tun.
Volker Steude,
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos
Autor:Dr. Volker Steude aus Bochum |
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