Mein Hahn Hugo

Als ich Hugo kaufte war er erst 20 Wochen alt und ziemlich unerfahren. Morgens ließ er den acht Hühnern den Vortritt und abends war er als erster im Stall.

Schatten am Himmel hielt er für Flugzeuge und nicht für Hühnerhabichte. Ich denke auch, dass er Füchse eher als Spielkameraden angesehen hätte. Krähen“ war ihm unbekannt.

Mit den 2 Mutterschafen und den 3 Lämmern, sowie dem Kamerun-Schaf pflegte er durch den Maschendrahtzaun engste Kommunikation. Besonders das Kamerun-Schaf hatte es ihm angetan. Ich hatte schon überlegt den beiden ein Kartenspiel zu geben, damit sie „Mau.Mau“ spielen können.

Mit anderen Worten, er war der ideale Kandidat für mein neues Experiment. „Gender Mainstreaming“.

Hugo wusste natürlich nicht, dass Yaoundé, die Hauptstadt von Kamerun ca. 2900 km von Nairobi entfernt liegt. In Nairobi, der Hauptstadt von Kenia fand 1985 die 3. UN Weltfrauenkonferenz statt, bei der erstmals die „Gleichstellung der Geschlechter“ diskutiert wurde. 1995, bei der 4. Konferenz in Peking wurde diese Idee weiterentwickelt und schließlich wurde, durch die Amsterdamer Verträge 1997/99, „Gender Mainstreaming“ das erklärte Ziel der Europäische Union.

Ich begann sogleich die Männer- und Frauentoiletten im Stall abzubauen und durch eine Unisex-Toilette zu ersetzen. Ab sofort wurde „es“ von mir als Hähnin Huga angesprochen. Gefüttert wurde Huga als letzte. Sobald „es“ in den weiteren Wochen die Hühner sexuell belästigen wollte, wurde Huga scharf von mir zurückgewiesen, einmal sogar mit Dunkel- und Einzelhaft belegt.

Doch es half alles nichts. Wie durch ein Wunder wurde Huga wieder zu Hugo. Er begann zu krähen. Scheuchte die Hühner und wollte immer als erster an der Futterstelle sein. Er wuchs sehbar und legte sich wie von Zauberhand einen Patriarchen-Status zu. Und das komische, die Hühner hörten und folgten ihm, obwohl sie sich um die menschliche Gesellschaft wesentlich verdienter machten und Eier legten.

Ich hatte versagt und kapitulierte. Die Natur war stärker als ich.

Später las ich, dass das „Gender Mainstreaming“ zur Zeit nur für die menschliche Rasse, speziell der europäischen, gelten soll. Da hatte ich etwas missverstanden.

Politisch ist der europäische Mensch inzwischen wohl aus der Natur ausgeklammert. Ich denke, hier findet ein anderes Experiment statt.

Autor:

Ulrich Bormann aus Bochum

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