Mehr Angst trotz mehr Sicherheit: Kriminologen befragten Bochumer Bürger seit 1975 zum vierten Mal
„Die Bürger haben mehr Angst, obwohl sie weniger Grund dazu haben“, sagt Professor Thomas Feltes, Inhaber des Lehrstuhls für Kriminologie. Dies ist eines der ersten Auswertungsergebnisse einer Umfrage zum Sicherheitsgefühl der Bochumer, die der Lehrstuhl in den vergangenen Wochen gemacht hat. Im Vergleich zur vorherigen Studie von 1998 gaben 25 Prozent weniger Bochumer an, Opfer eines Diebstahls geworden zu sein, und 65 Prozent weniger wurden Opfer einer Körperverletzung.
Zugleich ist die Angst der befragten Bochumer, Opfer einer Straftat zu werden, deutlich höher als 1998. „Die Bürger neigen dazu, das Ausmaß der Kriminalität größer einzuschätzen, als es ist“, erklärt Feltes. „So gaben 0,3 Prozent an, im vergangenen Jahr beraubt worden zu sein, aber 19 Prozent haben Angst davor. Damit ist die subjektive Angst 65 Mal so hoch wie die reale Gefahr.“
Auch bei der Furcht vor Diebstählen klaffen Wahrnehmung und Wirklichkeit auseinander. Während 12,3 Prozent der Bochumer laut eigenen Angaben bestohlen wurden, geht jeder Dritte davon aus, dass im kommenden Jahr bei ihm eingebrochen wird. Eine Ursache für dieses Verbrechensfurcht-Paradox sieht Feltes darin, dass zurzeit in Deutschland „eine relativ große allgemeine Verunsicherung“ herrsche. Hier nennt er die Globalisierung, die vor der Haustür angekommen sei, die Krise in Europa, aber auch soziale Ängste als Beispiele.
Online-Umfrage dr Universität
Die nun präsentierten Zahlen sind das vorläufige Ergebnis einer Online-Umfrage, die die Kriminologen der Ruhr-Universität Bochum vom 30. Mai bis zum 8. Juli durchführten. 3.500 zufällig ausgewählte Bochumer waren angeschrieben und aufgefordert worden, sich an der Studie zu beteiligen. 23 Prozent machten mit.
Viele Bochumer gaben an, dass sie der Meinung sind, dass die Straftaten in der eigenen Wohngegend zugenommen haben. Fast 70 Prozent glauben dies für Einbruch, 53 Prozent für Diebstahl, 34 Prozent für Raub und 29 Prozent für Körperverletzung. Tatsächlich sind 2015 in Bochum 15,2 Prozent weniger Raubüberfälle und 1,1 Prozent weniger Körperverletzungen von der Polizei registriert worden. Die Einbruchsdelikte haben dagegen um 23 Prozent zugenommen.
Anzeigen nehmen zu
Als positive Erkenntnis der Umfrage vermerkt Feltes die gestiegene Zahl der Anzeigen. Wurde 1998 ein einfacher Diebstahl angezeigt, während acht nicht der Polizei gemeldet wurden, liegt die sogenannte Dunkelzifferrelation bei der aktuellen Befragung bei 1:3,2. Beim schweren Diebstahl beträgt die Relation 1:2 (1998: 1:2) und bei der Körperverletzung 1:1,6 (1998: 1:3).
Als wichtiges Ergebnis der Untersuchung verweist Feltes außerdem darauf, dass die Mehrzahl der von den Bochumern angegebenen Straftaten Eigentumsdelikte seien. Gewaltbezogene Straftate wie Raub und Körperverletzung machen dagegen 0,3 Prozent beziehungsweise 1,6 Prozent der Verbrechen aus.
Auch die Zufriedenheit mit der Arbeit der Polizei wurde bei der Umfrage erfasst. Generell wird diese schlechter bewertet als 1998. So gehen zum Beispiel 27 Prozent der Bochumer, die eine Anzeige erstattet haben, davon aus, dass die Polizei wirklich versucht, die Tat aufzuklären. 1998 lag dieser Wert bei knapp 90 Prozent. „Wir klären knapp 50 Prozent auf“, erwidert Kerstin Wittmeier.
Die Polizeipräsidentin bestätigt aber, dass auch die Polizei es häufig erlebe, dass es einen großen Unterschied zwischen subjektivem Sicherheitsgefühl der Bürger und der objektiven Gefahrensituation gebe. „Dabei geschieht nur jede vierte bis fünfte Straftat im öffentlichen Raum“, so Wittmeier.
Eigene Wohnung nicht am sichersten
Damit bezieht sie sich auf eine weitere Fehleinschätzung der Bochumer, die durch die Umfrage zu Tage tritt. Viele fühlen sich nämlich in der eigenen Wohnung am sichersten, „obwohl sie dort am unsichersten sind“, sagt Feltes. Die Hauptgefahren seien häusliche Gewalt, sexueller Missbrauch und vor allem Unfälle. So seien 2014 mehr als 9.000 Deutsche bei Haushaltsunfällen getötet worden.
Mit der Dunkelfeldstudie der Ruhr-Universität, die nun seit 1975 zum vierten Mal durchgeführt wurde, ist Bochum die einzige Stadt, in der es solch einen Langzeitvergleich zum Thema Sicherheitsgefühl gibt. Mitte 2017 soll der Abschlussbericht vorliegen, der dann auch weitere Details wie eine Aufschlüsslung nach männlichen und weiblichen Befragten oder nach dem Stadtbezirk enthalten wird.
Autor:Vera Demuth aus Bochum |
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