„Machtkampf“ im Opel-Werk - 75 betriebsbedingte Änderungskündigungen - Betriebsrat widerspricht und wirft Chefetage Vertragsbruch vor

Foto: Molatta

„Wir wollen mit möglichst vielen Menschen gute Autos bauen“, erklärt Opel-Betriebsratsvorsitzender Rainer Einenkel am Ende einer sehr emotionalen Betriebsversammlung im RuhrCongress. „Die nach den Betriebsferien ausgesprochenen 75 betriebsbedingten Kündigungen sind aus unserer Sicht juristisch nicht haltbar, da gegen alle Regeln der Sozialauswahl verstoßen worden ist.“

In den vergangenen sieben Monaten haben 1.400 Opelaner das Werk Bochum verlassen. „Das reicht der Geschäftsführung nicht“, so Rainer Einenkel. „Direkt nach den Betriebsferien wurden 75 Mitarbeiter vor die Wahl gestellt, nach Rüsselsheim zu wechseln oder die endgültige Kündigung zu akzeptieren. Doch die 75 Mitarbeiter können hier nicht so einfach ihre Zelte abbrechen.“
Es sind oftmals ältere Arbeitnehmer, die schon 15 bis 30 Jahre bei Opel arbeiten. „Es sind 75 Einzelschicksale“, so der Betriebsratsvorsitzende. „Da soll ein Mitarbeiter nach Rüsselsheim wechseln, dessen Frau und Mutter an Krebs erkrankt sind. Ein anderer Opelaner kümmert sich um seine pflegebedürftige Angehörige und ein Dritter ist in fachärztlicher Behandlung. Die Frau eines Mitarbeiters ist nach einer Fehlgeburt in psychiatrischer Behandlung. Ihm hat man sogar gesagt, dass er von Rüsselsheim aus per Telefon seiner Frau beistehen könne.“
Der Betriebsrat hat den Änderungskündigungen widersprochen, da die gesetzlich vorgeschrieben Sozialauswahl nicht beachtet worden sei. 60 der Betroffenen haben schon beim Bochumer Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage erhoben. Nur einer hat völlig entnervt die Kündigung akzeptiert.

2.000 kamen in den
RuhrCongress

Rund 2.000 Opelaner kamen zur Betriebsversammlung im RuhrCongress zusammen, bei der die jetzt ausgesprochenen betriebsbedingten Änderungskündigungen eine große Rolle spielten. „Niemand von der anwesenden Geschäftsführung konnte der Belegschaft erklären, warum gerade diesen 75 Mitarbeitern eine Änderungskündigung ins Haus flatterte. Diese 75 müssten halt ein Opfer bringen, damit das Werk Bochum eine Chance habe, so die lapidare Erklärung“, schildert Rainer Einenkel.
Für den Betriebsrat ist die Sozialauswahl der Geschäftsführung „willkürlich, ungesetzlich und unsozial. Da niemand von den anwesenden Managern widersprochen hat, stimmen sie wohl der Wertung zu“, vermutet der Betriebsratschef und stellt fest: „Der jetzt angestrebte Personalabbau ist ein Bruch der Verträge, in denen auch festgeschrieben ist, dass zur Vermeidung von betriebsbedingten Kündigungen erst Verhandlungen mit dem Ziel geführt werden müssen, diese zu vermeiden. Uns hat man nun am Ende der Betriebsferien einfach vor vollendete Tatsachen gestellt“, so Rainer Einenkel.
Und der Betriebsratsvorsitzende wird noch deutlicher und fragt: „Wenn die Geschäftsführung hier in Bochum sich mit den 75 Kündigungen durchsetzten kann, was sind dann noch Verträge wert, die teilweise sogar europaweit Gültigkeit haben?“

Zur IAA nur negative
Schlagzeilen

Opel sei in einer schwierigen Situation. „Wie kann es sein, dass man auf der IAA neue Modelle präsentiert, aber durch die soziale Dramatik der geplanten Änderungskündigungen nur negativ in die Schlagzeilen gerät?“ fragt sich nicht nur der Betriebsrat. „Im nächsten Jahr besteht Opel 150 Jahre und das Werk in Bochum seit 50 Jahren. Unsere Belegschaft hat heute deutlich gemacht, dass sie das 50-jährige Jubiläum ohne betriebsbedingte Kündigungen feiern will, aber mit 50 neuen Auszubildenden und einem zweiten Modell neben dem Zafira, das von den Bändern in Bochum rollt. Wir brauchen dieses zweite Modell, sonst gehen 2016 oder 2017 hier in Bochum die Lichter endgültig aus“, redet Rainer Einenkel Klartext.
Man dürfe auch die Tatsache nicht aus den Augen verlieren, dass 2013 die Getriebefertigung in Bochum auslaufen werde. „Wenn die Geschäftsführung mit ihrem Vorgehen jetzt durchkommt, werden die dann betroffenen 300 Arbeitsplätze in dieser oder einer ähnlichen Art und Weise abgebaut“, ist sich Rainer Einenkel sicher.
„Wenn man das Werk Bochum mit seiner zu 85 Prozent in der IG Metall organisierten Belegschaft in die Knie zwingt, hat man an den anderen europäischen Standorten leichtes Spiel“, ist sich Einekel überzeugt und sieht das Bochumer Werk als das „Bollwerk gegen Sozialabbau“ bei Opel, nicht nur in Deutschland sondern europaweit.
Der Betriebsrat will alles tun, um die betriebsbedingten Änderungskündigungen zu vermeiden. Nach dem Widerspruch wird der erste Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Bochum am 23. September stattfinden. Falls es zu keiner Einigung kommt, findet der Kammertermin statt. Rund ein bis eineinhalb Jahre könnten sich die Verfahren hinziehen.eur

Autor:

Ernst-Ulrich Roth aus Bochum

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