Leben in der Pleitestadt

Talkgast in der Pleitestadt | Foto: Pressefoto SPD, Daniel Biskup
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Der Publicity-Gau ist perfekt. Land auf Land ab ist nur noch von der Pleitestadt Bochum die Rede. Die TAZ titelt „Spitzenhonorar von der Pleitestadt“, der Spiegel berichtet von der Stadt, die ihre Schulden nicht im Griff hat, die heute show macht Bochum gleich zur Peter-Zwegat Stadt und der Tagesspiegel beleuchtet das Geflecht der roten Barone.

Ganz Deutschland macht sich lustig über unsere Stadt, die nicht wirtschaften kann, völlig Pleite ist und wo die Stadtwerke so naiv sind, dass sie Peer Steinbrück nicht nur den üblichen Satz zahlen, sondern noch mal freiwillig 10.000 Euro extra oben drauf legen. Aber natürlich nur als Spende. Blöd nur, das Peer Steinbrück jetzt behauptet, er hätte davon nix gewusst, und die Stadtwerke zugeben müssen, sie hätten da wohl auch nix schriftlich gemacht. Und wohin Steinbrück das Geld gespendet haben soll, ließ man sich leider auch nie belegen. Das ist unter Freunden beim örtlichen Filz nun mal so üblich. Bernd Wilmerts (SPD), Chef der Stadtwerke lässt Parteifreund Steinbrück (SPD) 25.000 zu kommen, die Aufsichtsratsvorsitzende und OBin Scholz (SPD) und H.-D.-Fleskes(SPD) weiß von nichts. Und Sascha Hellen, der Medienberater für alle SPD- und sonstigen Promi-Veranstaltungen in Bochum zieht im Hintergrund die Fäden. Stadtsprecher Thomas Sprenger, sagt laut Spiegel, er sehe "kein Problem" in dem Steinbrück-Honorar. Das hört sich nach dem alltäglichen Bochumer Geklüngel an.

Wenn man liest, worum es in dem 80-Minuten-Talk von Steinbrück mit Werner Hansch ging (insbesondere Vfl und BVB), fragt man sich wie die Stadtwerke überhaupt dazu kommen konnten ein Honorar zu zahlen, anstatt von Steinbrück Geld zu verlangen für die Bereitstellung des Stadtwerke-Atriums für dessen Promo-Auftritt in eigener Sache.

Die CDU in der Stadt schweigt, sieht sie sich selbst doch traditionell eher als Partner der SPD im Geflecht der roten Barone, denn als echte Alternative zu der roten Stadtregierung. Immerhin sieht Christian Haardt immensen Aufklärungsbedarf. Wolfgang Cordes von den Grünen kann auch einräumen, in Bochum seien die Parks ungepflegt, und im Ausländeramt hätten wegen Personalmangels „chaotische Zustände“ geherrscht. (TAZ). Als Kämpfer gegen Filz und Klüngel hingegen haben sich die Grünen noch nie hervor getan, als Erfüllungsgehilfe des roten Koalitionspartner dagegen immer wieder gerne.

Jetzt geht auch noch der Ruf der Stadt endgültig den Bach runter. Die Zustände bei der SPD sind chaotisch, CDU und Grüne heben nur hilflos die Schultern. Mal ein klares Wort spricht keiner. Traut man sich nicht, dass die SPD einen bei der nächsten Klüngelrunde nicht mehr mitmischen lässt?

Aber demnächst wird ja alles besser, denn da hat die Stadt ja das Musikzentrum. Damit, hoffen alle, wird sich der Ruf der Stadt sofort wandeln lassen von der Pleitestadt zur Stadt der Hochkultur. Und die SPD verkündet auf ihrer Seite bereits: „Bochum hat sich zu einem Diamanten entwickelt, dessen Wert aber noch gesteigert werden kann, wenn er poliert wird“. Die Politik in Bochum hat vollständig die Bodenhaftung verloren: Für Deutschland ist Bochum die Peter-Zwegat Stadt, für Fleskes, Scholz und Co. ist sie ein Diamant, der nur noch poliert werden muss.

Wenn Bochum attraktiver werden will, dann wird die Stadt als erstes ihr Image als Pleitestadt loswerden müssen. Dazu passt nicht, wenn die Stadtoberen die Stadt noch weiter in den Abgrund ziehen, indem sie die Schulden der Stadt durch neue Prestigeobjekte noch weiter in die Höhe treiben. Damit lässt sich nicht kaschieren, was man der Stadt längst überall ansieht, dass ihr das Geld an jeder Ecke für die Durchführung der notwendigsten Erhaltungsmaßnahmen bei städtischen Gebäuden und Infrastruktur fehlt.

Bochum ist nicht arm und sexy. So wie sich Filz und Klüngel bei der Stadtwerke-Affäre in der Öffentlichkeit darstellen, wird die Stadt als arm und doof wahrgenommen.

Und die Stadtwerke, deren eigentliche Beschäftigung ja die Daseinsvorsorge der Bürger mit Strom, Wasser, Gas und anderer Energie sein sollte, tummeln sich auf zahlreichen Nebenschauplätzen. So bauten sie eine Wasseraufbereitungsanlage in Algerien, die leider nicht bezahlt wurde oder einen Windpark in der weiten Nordsee bei Borkum, dem nun der Netzanschluss fehlt. Auf Geheiß der Politik wurden die Stadtwerke schließlich noch Miteigentümer beim Stromerzeuger STEAG, der wirtschaftlich schon wankt, aber bei dem alle hoffen, dass er sich in den nächsten Jahren doch noch wieder fängt. Und natürlich müssen die Stadtwerke noch als Geldesel der Stadt herhalten: 30 Mio. jedes Jahr müssen an die Stadtkasse abgeführt werden, dazu wurden sie von der Stadt noch als Hauptfinanzier des Vfl und natürlich als Spender beim „Musikzentrum“ verpflichtet wie bei fast allen sonstigen wichtigen Subventionsprojekten der Stadt sonst auch.

Und damit auch in Bochum mal etwas Großstadtflair herrscht, wird zweimal pro Jahr für ein überteuertes Salär ein Promi zum Talk eingeladen. Neben Peer Steinbrück, waren auch Joachim Gauck, Senta Berger, Peter Maffay und Uli Hoeneß schon da. Filz und Klüngel lassen sich halt gerne auch mal neben Bekannten und Berühmten ablichten. Warum die Stadtwerke einer Pleitestadt wie Bochum sonst eine derartige Veranstaltung ausrichten sollten, ist jedenfalls für diejenigen, die nicht zum Bochumer Filz und Klüngel gehören, gänzlich unverständlich.

Zumindest haben Filz und Klüngel in Bochum eine lange Tradition:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13491495.html
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13497296.html

… und keiner wundert sich, dass bei derartigen politischen Verhältnissen die Stadt längst pleite gegangen ist.

Volker Steude (ruhrblogxpublik)

Talkgast in der Pleitestadt | Foto: Pressefoto SPD, Daniel Biskup
Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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