Kosten außer Kontrolle bei 69 Kanalsanierungen

Kanalsanierung | Foto: LutzBruno

Die Abwasserkanäle in Bochum und Wattenscheid sind dringend sanierungsbedürftig. Über Jahre und Jahrzehnte wurde die Sanierung vernachlässigt. Zwischenzeitlich wurde das Abwassernetz mit einem Verlust von geschätzt 30 Mio. Euro gegen den Willen der Bürger an einen amerikanischen Investmentfond verleast. Nach dem Scheitern des Cross-Border-Leasing-Deals versucht die Stadt jetzt zumindest die allernotwendigsten Sanierungen zu schultern.

Leider mit mäßigem Erfolg. Ausweislich des Haushaltplanes 2015 wurden im Jahr 2014 für Kanalbaumaßnahmen fast 16 Mio. Euro ausgegeben, für das Jahr 2015 sind fast 21 Mio. Euro eingeplant. Doch die Planungen sind längst makulatur. Im Zeitraum 01.10.2014 bis 30.09.2015 kam es bei 69 Maßnahmen zu außerplanmäßigen Kostenüberschreitungen in Höhe von insgesamt 6,2 Mio. Euro.

Zum Musikzentrum, der Von-Waldthausen-Brücke, dem Jahrhunderhallen-Parkhaus, der Hans-Böckler-Realschule, dem Neuen Gymnasium, dem Platz des Europäischen Versprechens, diversen Mensabauten und vielen anderen städtischen Baumaßnahmen bilden die Kanalbausanierungen leider keine Ausnahme, meistens wird es deutlich teurer als geplant. Eine Kostenexplosion von 20-50% tritt regelmäßig ein.

Gründe für die Kostenexplosionen

Warum passiert das? Die Projektplanung berücksichtigt nicht die Kostenrisiken. Systematisch werden diese bei den Planungen vernachlässigt. Gerade beim Tiefbau stößt man aber regelmäßig auf Überraschungen.

Darüber hinaus gibt es noch einen weiteren Grund die städtischen Ausgaben möglichst gering einzuplanen. Würden im städtischen Haushalt realistische Ausgaben angesetzt, dann würde der Haushalt nicht genehmigt, also werden die Kosten systematisch niedrig kalkuliert.

Das Problem ist seit Jahrzehnten bekannt. Es ist überfällig, dass die genauen Ursachen für die Kostenüberschreitungen und systematischen Fehlplanung der Verwaltung bei den Kanalbaumaßnahmen endlich im Einzelnen untersucht werden und die Projektplanung so umorganisiert wird, dass im Regelfall kalkulierte und tatsächliche Kosten nicht auseinander fallen.

Für diesen Zweck gibt es in der Stadt das Rechnungsprüfungsamt. Also hat die Fraktion „FDP und Die STADTGESTALTER“ in der letzten Ratssitzung beantragt, dass dieses Amt die Maßnahmen untersucht und gemeinsam mit dem Tiefbauamt Wege aufzeigt, wie die Planungs- und Steuerungsprozesse sowie das Controlling der Maßnahmen für die Zukunft verbessert werden können. Schätzungsweise ließen sich zukünftig so mindestens 3 Mio. der 6,2 Mio. Kostenüberschreitungen vermeiden.

SPD und Grüne verweigern Ursachensuche

Während alle Fraktionen der Opposition dem Antrag zustimmten, verhinderte die Mehrheitskoalition von SPD und Grünen die Prüfung der Sanierungsmaßnahmen. Die Begründung des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Peter Reinirkens lautete: Die Überschreitungen bei den Kanalbausanierungen fielen nicht ins Gewicht, weil man das aufgrund der Kostenexplosionen erforderliche zusätzliche Geld aus Kanalbaumaßnahmen nehme, die eigentlich auch für das laufende Jahr geplant waren, aber dann mangels Geld auf das nächste Jahr verschoben würden.

Reinirkens (SPD) hat Recht, die 6,2 Mio. Kostenüberschreitungen erhöhen nicht direkt die Neuverschuldung, wenn dafür andere Maßnahmen aufgeschoben werden, sie erhöhen zunächst nur den Sanierungsstau bei den Abwasserkanälen. Das ist aber im Endeffekt noch schlimmer als eine Erhöhung der Neuverschuldung. Die 6,2 Mio. Zusatzkosten müssen in einem Folgejahr zusätzlich ausgegeben werden. Aus Schäden an Abwasserkanälen, die nicht rechtzeitig behoben werden, resultieren weitere kostspielige Folgeschäden. Hätten die aufgeschobenen Maßnahmen bei zeitgerechter Durchführung noch Kosten in Höhe von 6,2 Mio. verursacht, sind es im Folgejahr vielleicht schon 7-8 Mio., weil sich die zu beseitigenden Schäden entsprechend verschlimmert haben. So erklärt sich bereits eine wesentliche Ursache für Kostenexplosionen in Folgejahren.

Nur weil man die Überschreitung von Kosten durch das Verschieben anderer eigentlich dringend durchzuführender Maßnahmen wieder ausgleichen kann, sollte man trotzdem versuchen alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um Kostenexplosionen für die Zukunft zu vermeiden. Denn Kostennachträge von Baufirmen für Arbeiten, die nicht in der Planung und bei der ursprünglichen Beauftragung eingepreist wurden, werden regelmäßig erheblich teurer, als wenn man diese bereits bei der Planung und Auftragsvergabe berücksichtigt hätte.

Erneut, wie auch bei den Kostenexplosionen beim Musikzentrum, der Hans-Böckler-Realschule und dem Neuen Gymnasium verweigert die Rot-Grünen Koalition eine gezielte Suche nach den Ursachen der Kostenüberschreitungen und eine Verbesserung der Projektplanung und -steuerung, um die Kosten bei zukünftigen Sanierungsmaßnahmen senken zu können und damit eine wesentliche Ursache für die jährliche Neuverschuldung zu beseitigen.

Auch 2016 will die Stadt 67 Mio. mehr ausgeben als sie einnimmt. Solange SPD und Grüne nicht gewillt sind alle Maßnahmen zu ergreifen, um die Verwaltungsabläufe so zu optimieren, damit die städtischen Ausgaben bei den Baumaßnahmen nicht immer wieder aus dem Ruder laufen, ist das nicht verwunderlich.

Aus dem Cross-Border-Leasing-Deal nichts gelernt

Aber auch in einem weiteren Punkt haben SPD und Grüne nicht dazu gelernt. Der Cross-Border-Leasing-Deal hinsichtlich der Abwasserkanäle hätte schon deshalb niemals vom Rat genehmigt werden dürfen, da die hunderte Seiten von englischen Verträgen niemand im Rat durchgearbeitet hatte und daher keiner die Kostenrisiken richtig einschätzen konnte. Schon damals völlig unverantwortlich, dass gleichwohl Ratsmitglieder für die Verträge gestimmt haben ohne diese nur ansatzweise zu kennenbzw. zu verstehen. Diese Verantwortungslosigkeit hat die Stadt am Ende mindestens 30 Mio. gekostet.

Genau das wurde damals von den Gegnern des Deals zu Recht kritisiert. Trotzdem behandeln SPD und Grüne ähnliche Angelegenheiten heute nicht anders als damals. In der letzten Ratssitzungen sollte der Stadtrat ein neues STEAG-Geschäft mit einem Unternehmen aus Katar absegnen. Das zugrundeliegende über hundertseitige überwiegend englische Vetragskonvolut erreichte die Fraktionen am Mittwoch nach Dienstschluss. So wäre nur der Tag der Ratssitzung geblieben, um das Vertragskonvolut durchzuarbeiten, zu prüfen und zu bewerten. Das war unmöglich. Trotzdem stimmten die Ratsmitglieder von SPD und Grünen gegen die Stimmen der gesamten Opposition dem Geschäft zu. Es scheint so, als würden die Ratsmitglieder, die dem Deal zugestimmt haben, ihre Verantwortung gegenüber den Bürgern, die sie vertreten, nicht wirklich ernst nehmen. Wenn ein Ratsmitglied einem Millionen-Deal zustimmt ohne die Risiken auch nur ansatzweise beurteilen zu können, nur weil die STEAG-Geschäftsführung den Deal für gut hält, ist das verantwortungslos. Auf diese Weise werden die Ratsmitglieder zu willenlosen Erfüllungsgehilfen eines Wirtschaftsunternehmens, bei denen die Interessen der Stadt keine Rolle mehr spielen.

Es ist nur eine Frage der Zeit bis wieder eines dieser Geschäfte schief geht und die Stadt dafür die Kosten trägt. Man erinnere sich an die Fehlinvestitionen für die Kraftwerke in Lünen und Hamm-Uentrop, die Stadt und Stadtwerke mittlere 2-stellige Millionenbeträge gekostet haben.

SPD und Grüne hindern diese negativen und für die Stadt teuren Erfahrungen aber nicht munter weiter solchen Geschäfte ihre Zustimmung zu geben ohne sich zuvor mit den Geschäftsgrundlagen ausreichend beschäftigt zu haben.

Am Ende ist der Unwille der Mehrheit der Ratsmitglieder auf eine verantwortungsvolle, kostensparende Ausgabenpolitik und die Vermeidung von nicht einschätzbaren Kostenrisiken der Stadt zu dringen, eine weitere wesentliche Ursache der dramatischen finanziellen Schieflage, in der sich die Stadt befindet.

Allerdings gibt es auch bei SPD und Grünen mittlerweile Stimmen, die diese verantwortungslose Politik nicht weiter mittragen wollen. Es ist zu hoffen, dass diese sich in den Fraktionen Gehör verschaffen und in naher Zukunft durchsetzen können.

Volker Steude
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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