Ist Opel noch zu retten?
Das beeindruckende Solidaritätsfest für die Opelbeschäftigten wirft seine Schatten voraus. Doch was helfen den Mitarbeitern langfristig die Solidaritätsbekundungen aus der ganzen Stadt? Hat das Unternehmen Opel überhaupt eine Zukunft? Wo sind die städtischen Initiativen, die alternative Arbeitsplätze schaffen sollen, wenn Opel in die Insolvenz geht? Bloße Solidaritätsbekundungen sichern und schaffen keine Arbeitsplätze. Bei manchen Verantwortlichen der Stadt hat man leider den Eindruck sie nutzen das Solidaritätsfest allein, um hinter schönen netten Worten ihre eigene Hilflosigkeit und Handlungsunfähigkeit zu verbergen.
Realistisch betrachtet, sieht es wohl ziemlich düster für die Zukunft des Unternehmens Opel aus: 2010: 1,3 Mrd. Verlust, 2011: 750 Mio. Verlust, 2012: 1,3 Mrd. Verlust. Seit 1999 in Europa nur Verluste für GM, mit Ausnahme von 2006. Wie lange hält Opel das noch durch? Wie lange gleicht GM den Verlust noch aus? Die Opel-Werke sind nur zu maximal 75% ausgelastet. 835 Euro zahlte GM bei jedem in Europa produziertem Auto drauf. 173.000 Autos wurden in 2012 weniger abgesetzt als in 2011, ein Verkaufseinbruch von 16%. Die Existenz des Gesamtunternehmens Opel ist massiv bedroht.
Opel braucht neue Modelle, eine flexiblere Produktion, mehr innovative Technik und neue Exportmärkte. Doch in dieser Hinsicht tut sich wenig bei Opel. Auch zeigen Maßnahmen in dieser Richtung erst nach Jahren Wirkung. Um kurzfristige Effekte zu erzielen, geht GM einen anderen Weg: Werksschließungen, Entlassungen und Gehaltsverzicht der Mitarbeiter. Doch damit löst GM die eigentlichen strukturellen Probleme nicht.
Der europäische Automarkt schrumpft. Laut Herstellerverband ACEA betrug 2012 der Rückgang bei den Neuzulassungen 7,1%. Auch Peugeot, Citroën, Renault, Fiat und Ford stecken schwer in der Krise. Autoexperten rechnen damit, dass die Absatzrückgänge durch eine „Marktbereinigung“ kompensiert werden, bei der mindestens eine Marke vom Markt verschwindet.
Hat die Marke Opel also eine Zukunft? Dass das Unternehmen Opel dauerhaft überlebt, daran haben zumindest viele Fachleute ernsthafte Zweifel.
So könnte in Bochum folgendes Szenario eintreten: Opel erklärt sich bereit den Standort Bochum noch für einige Jahre am Leben zu erhalten. Ein paar hundert Arbeitsstellen werden jetzt gestrichen, ein paar hundert verbleiben. Die verbleibenden Mitarbeiter müssen aber weiter massiv auf Gehalt, Nachtzuschläge und andere Gehaltsbestandteile verzichten. 2015 oder 2017, vielleicht auch ein Jahr früher oder später kommt es dann zum Gau: Das Unternehmen Opel geht in die Insolvenz.
Würden die Mitarbeiter heute auf Basis ihrer jetzigen Bezüge noch eine relativ große Abfindung bekommen, bleibt ihnen im Falle der Insolvenz allenfalls der Weg in eine Auffanggesellschaft. Auf das jahrelange Ausbluten der Beschäftigten folgt dann für viele der Weg in die Arbeitslosigkeit. Statt ein Ende mit Schrecken würde dies für die Mitarbeiter einen Schrecken ohne Ende bedeuten.
Wenn man davon ausgeht, dass das Unternehmen Opel große Schwierigkeiten haben wird auf Dauer zu überleben, wofür leider vieles spricht, dann muss die Stadt sich auf dieses Szenario endlich einstellen. Ja eigentlich hätte man sich schon längst darauf einstellen müssen. Denn die Probleme sind ja nicht erst seit 2012 bekannt.
Das Solidarfest muss ein Aufbruch sein, ein Auftakt zur Entwicklung einer neuen Zukunft für die Opel-Mitarbeiter und den sonst von den geplanten Schließungen Betroffenen. Die Stadt muss Solidarität mit den Mitarbeitern von Opel beweisen nicht mit dem Unternehmen Opel. Jahrzehntelang hat Bochum das Unternehmen hofiert und verhätschelt, obwohl es schon seit Jahren keine Gewerbesteuern mehr in Bochum zahlt, allein in der Hoffnung es würde sich dadurch in der Verpflichtung sehen, den Standort Bochum zu erhalten. Ein folgenschwerer Trugschluss.
Die Stadt muss jetzt klar machen, dass sie nicht mehr in erster Linie auf Opel setzt, sondern insbesondere auf die Alternativen. Von Opel endlich die Übertragung der nicht mehr genutzten Flächen einzufordern, kann da nur der erste Schritt sein. Ein Umgang mit Opel auf Augenhöhe ist erforderlich. Die Stadt darf nicht weiter als Bittsteller auftreten und sich von den immer neuen Versprechungen Opels täuschen lassen. Opel muss klar werden, dass die Stadt bereit ist, die Zukunft der Stadt auch ohne Opel zu planen.
Die Stadt darf sich von Opel im Projekt „Perspektive 2022“ nicht vereinnahmen lassen. Unter diesem schönen Namen verkauft Opel den Tod auf Raten des hiesigen Standorts als Zukunftsprojekt. Opel hat bei diesem „Projekt“ die Zügel in der Hand. Die Stadt wird nur als Staffage gebraucht, damit es den Anschein hat, die Unternehmensentscheidungen würden auch von der Stadt getragen und würden getroffen, um die Zukunft der Mitarbeiter zu sichern. Tatsächlich steht Opel das Wasser bis zum Hals. Man handelt nur im eigenen Interesse und versucht brutal die Kosten zu drücken.
Solidarität zu den von den Schließungen betroffenen Mitarbeitern beweist die Stadt nicht nur mit Worten, sondern mit Taten. In dieser Hinsicht ist bisher leider wenig passiert. Die Initiative ruhrmobil-E, mit dem man u.a. Opel zum Vorreiter der Produktion von Elektroautos entwickeln wollte, hat Opel nie ernsthaft interessiert. Dass ein Unternehmen wie Opel sich von einer Stadt und deren Verbänden bei der Produktpolitik helfen lassen würde, zeugt lediglich von einer gewissen Realitätsferne und Naivität der städtischen Entscheidungsträger hinsichtlich der Firmenpolitik von Weltunternehmen wie GM. Die noch 2011 von der städtischen Wirtschaftsförderung verbreitete Devise „Der Automobilstandort Bochum hat die Anforderungen der Zeit erkannt und ist für die automobile Zukunft gut gerüstet.“ erweist sich heute als hohle Phrase.
Welche Art Unternehmen auf den frei werdenden Flächen angesiedelt werden sollen, muss ergebnisoffen diskutiert werden. Für eine Beschränkung auf die Zulieferer der Automobilindustrie und Logistikunternehmen fehlt es an einer Rechtfertigung. Es ist eine Illusion zu glauben, dass Opel mit einem Reststandort im Bochum verbleiben wird, weil man die Ansiedlung auf den Freiflächen auf derartige Unternehmen beschränkt. Kostenökonomisch ist für Opel nur, die Produktion auf wenige große Standorte zu konzentrieren. Das Ziel von Opel ist es daher, den Standort Bochum kurz- bis mittelfristig vollständig aufzugeben. Da sollte man sich nichts vor machen lassen.
Solidarisch Handeln bedeutet, sich also bereits heute für die Zeit nach Opel zu rüsten. Das heißt natürlich auch den Mitarbeiter bei ihren aktuellen Verhandlungen mit Opel den Rücken zu stärken, damit diese nicht finanziell über den Tisch gezogen werden. Solidarisch Handeln bedeutet aber auch in Bochum die Voraussetzungen für das Entstehen neuer Arbeitsplätze zu schaffen, die auch den Kindern und Enkelkindern der jetzt Betroffenen eine Zukunft in Bochum geben. Dabei liegt die Zukunft der Stadt insbesondere in der Bildung der heranwachsenden Generationen.
In diesem Sinne markiert das Solidaritätsfest einen Wendepunkt für die Stadt, es läutet den Aufbruch der Stadt in eine neue Phase der wirtschaftlichen Stadtentwicklung ein, aber auch den endgültigen Abschied von Opel.
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(ruhrblogxpublik)
Autor:Dr. Volker Steude aus Bochum |
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