Wohnraum für bis zu 5.000 Menschen
Hochhäuser gegen Wohnungsknappheit - Eine gute Idee?
Etwa 15 Hochhäuser, 21 Stockwerke hoch, mit Wohnungen für je 350 Menschen ließen sich in der Bochumer Innenstadt errichten. Für bis zu 5.000 Menschen könnte auf diese Weise zusätzlicher Wohnraum entstehen. Die STADTGESTALTER haben sich Gedanken gemacht, inwieweit diese Lösung gegen die Wohnungsknappheit helfen könnte.
In Bochum wird Wohnraum zunehmend knapper, entsprechend steigen die Mietpreise. Zwar liegt das Mietpreisniveau noch deutlich unter dem anderer deutscher Großstädte, in denen die Mieten teilweise mehr als doppelte so hoch liegen wie im Ruhrgebiet (Städte mit den höchsten Mietpreisen für Wohnungen in Deutschland im 4. Quartal 2023), doch die Steigerungen sind auch in Bochum zu spüren. Zuletzt stiegen die Mietpreise um 2,6 Prozent. Anfang Dezember 2022 hat ein Quadratmeter im Schnitt 7,30 Euro gekostet. In Jahr 2023 waren es 7,49 Euro (Radio Bochum 06.12.2023).
In Bochum werden pro Jahr zu wenig neue Wohnungen gebaut
Eigentlich hatte sich die Stadt vorgenommen 800 neue Wohnungen pro Jahr zu schaffen. Das Ziel wurde in den letzten Jahren bis auf 2020 jedoch immer deutlich verfehlt (WAZ vom 10.01.2024). 2022 wurden gerade mal 400 neue Wohnungen fertig gestellt.
Es wird immer schwerer mehr Wohnraum zu schaffen. Die Bebauung von Freiflächen wird zunehmend komplizierter, da bebaubare Flächen kaum mehr vorhanden sind und die Bebauung von einem Großteil der Bevölkerung abgelehnt wird. Zudem ist die fortschreitende Versiegelung von Stadtfläche das Gegenteil von nachhaltig und sollte daher gestoppt werden (In Bochum wurde in 5 Jahren eine Fläche von 125 Fußballfeldern versiegelt). Die Alternative, Bauen im Bestand, ist deutlich aufwendiger und schwieriger. Dass auf diese Weise 800 Wohnungen pro Jahr neu geschaffen werden können, ist wenig realistisch.
Wohnen in die Höhe statt in die Fläche
Aufgrund der geschilderten Problematik ist die Stadt derzeit dabei das Handlungskonzept Wohnen zu überarbeiten und in Teilen neu auszurichten. Dabei stellt sich die große Frage: Wie ist es möglich, ohne weitere Fläche zu versiegeln, pro Jahr 800 neue Wohnungen zu schaffen? Eine Lösung ist naheliegend: Man baut in die Höhe statt in die Fläche. Das würde bedeuten, in Bochum neue Wohnhochhäuser zu errichten.
Doch Wohnsiedlungen mit Hochhäusern, wie Sachsenring und Hustadt haben in Bochum einen schlechten Ruf. Sonst wird in vielen Städten weltweit, besonders in den Stadtzentren, verstärkt und durchaus erfolgreich auf Hochhausbau gesetzt, fehlender Platz nicht nur zum Wohnen wird in der Höhe geschaffen. In Bochum dagegen sind auch in der Innenstadt, die meisten Gebäude bisher kaum höher als vier Stockwerke.
Also haben die STADTGESTALTER überlegt, wie und wo es in Bochum sinnvoll sein könnte, Wohnhochhäuser zu bauen.
Hochhaussiedlungen in Stadtrandlagen, wie nördlich der RUB oder in Höntrop, haben sich nicht bewährt. Besonders fehlt diesen Siedlungen die nötige Urbanität. Die Versorgung vor Ort ist mangelhaft und Architektur wie Stadtbild sind wenig einladend bis trostlos. In einem anonymen Einheitsbreit von wahllos nebeneinander gestellten überdimensionierten, lieblos gestalteten Wohnblöcken ohne lebendige urbane Zentren, wollen nur wenige Menschen wohnen.
Wohnhochhäuser im Stadtzentrum
Wohnhochhäuser im Stadtkern könnten dagegen für viele Menschen ungleich attraktiver sein. Die Wohntürme lägen direkt im urbanen, lebendigen Zentrum der Stadt, bestens angebunden an den Nah- und Fernverkehr. Im 5 Minuten Umfeld zum Wohnort ließe sich alles erledigen, was Menschen tagtäglich erledigen müssen (Sollte Bochum zur 15-Minuten-Stadt werden?). Die Probleme, die in der Hustadt oder am Sachenring zu beobachten sind, sollten also bei Wohnhochhäusern in der Innenstadt vermeidbar sein.
Doch was für Potentiale für den Bau von Wohnhochhäusern bestehen im Bochumer Stadtzentrum? Um diese zu errechnen sind die STADTGESTALTER von den Dimensionen des geplanten City-Towers am Bochumer Hauptbahnhof ausgegangen. Dieser soll auf einer Grundfläche von 1.400 qm (37,4 xx 37,4 m) errichtet werden, hat 21 Stockwerke, ist fast 70 Meter hoch und weist ziemlich genau 18.000 qm Bruttogeschossfläche auf, was rd. 14.400 qm Wohnfläche entsprechen würde.
Rechnet man mit 41 qm Wohnfläche pro Person, wie sie in deutschen Großstädten üblich sind, würde ein entsprechendes Hochhaus, Wohnraum für 351 Menschen bieten.
Dieser Wohnraum wäre allerdings alles andere als günstig. Kosten Häuser pro Quadratmeter in Bochum aktuell 3.000 Euro und Eigentumswohnung 2.250 Euro im Durchschnitt, würden die Baukosten bei einem Wohnhochhaus, wenn man von Investitionskosten von 60-80 Mio. pro Hochhaus ausgeht, bei 4.170 bis 5.550 Euro/qm liegen. Der Anteil an der Miete zur Refinanzierung nur dieser Kosten (ohne Zinsen u.a.) müsste in einem Zeitraum von 30 Jahren bei 11,5 bis 15,5 Euro/qm liegen, die reale Nettomiete voraussichtlich 30-50% darüber. Die reinen Baukosten für eine 80 qm große Wohnung lägen bei umgerechnet 335.000 bis 445.000 Euro.
Aufgrund der genannten Kosten und Preise wäre somit damit zu rechnen, dass die Wohnungen eher verkauft als vermietet würden. Als Käufer kämen insbesondere Menschen mit überdurchschnittlichen Einkommen in Betracht, die tendenziell bereit sind mit eher wenig Wohnfläche pro Person auskommen, unter Umständen auf ein Auto zu verzichten können, denen zentrale Lage und Urbanität sehr wichtig sind und die gegebenenfalls auf zusätzliche Dienstleistungsangebote wie, hauseignen Wasche- und Reinigungsservice, Community- und Workspaces, Fahrradverleih u.a. Wert legen. Wohnungen in entsprechende Wohnhochhäuser stellen in der Regel ein Lifestyleprodukt dar, das sich durch außergewöhnliches Design, besonderen Komfort und die Vermittlung eines speziellen Lebensgefühls auszeichnet.
Sozialwohnungen sind in solchen Wohnhochhäusern also nicht finanzierbar. Jedoch hätten die Wohnhochhäuser durchaus einen positiven Effekt auf den sozialen Wohnungsmarkt. Potentieller Gentrifizierung in anderen Wohnvierteln würde entgegengewirkt. Wohnungen dort blieben günstig, Menschen, die in die Wohnhochhäuser ziehen, würden als Käufer- oder Mieter*innen für luxussanierte Altbauten fehlen. Insgesamt würde der Wohnungsmarkt entlastet und damit der durch die Wohnraumknappheit bestimmte Mietpreis sinken. Wo Menschen ausziehen, um in die Wohnhochhäuser zu ziehen, würde Wohnraum frei.
15 Wohnhochhäuser für bis zu 5.000 Menschen
Schaut man sich das Bochumer Stadtzentrum an, sehen die STADTGESTALTER mindestens 17 Flächen, auf denen Wohnhochhäuser in der Dimension des City-Towers errichtet werden könnten (siehe Karte). Mit 15 Wohntürme könnte Wohnraum für bis zu 5.000 Menschen geschaffen werden. Diese zusätzliche Zahl Menschen würde auch die Innenstadt beleben. Anders als in er Hustadt oder dem Sachenring würde in der Innenstadt keine Hochhausenklave entstehen, sondern die Wohntürme würden sich über die Südhälfte des Stadtzentrums verteilen, Besonders Parkplatz- und Brachflächen sowie Flächen, auf denen Gebäude stehen, die ohnehin bald abgerissen werden sollen, kämen als Standorte in Betracht.
Gibt es mögliche Investoren und besteht ausreichend Bedarf?
Es bleibt die Frage, ob in Bochum der Bedarf nach entsprechend viel Wohnraum in dem beschriebenen Segment besteht und ob Stadt und Innenstadt so attraktiv sind, dass gegebenenfalls Menschen aus anderen Städten, die im Idealfall bereits hier arbeiten, derartige Wohnangebote zum Anlass nehmen würden nach Bochum zu ziehen. Ein solcher Zuzug hätte für Bochum zwei positive Effekte zur Folge, deutlich steigende Steuereinnahmen und einen Kaufkraftgewinn, besonders für die Innenstadt.
Insgesamt könnten Wohnhochhäuser im Stadtzentrum also durchaus ein Gewinn für die Stadt sein. Zu klären wäre jedoch zunächst, unter welchen Umständen Investoren bereit wären, entsprechende Projekte in Bochum in Angriff zu nehmen. Um Investoren für den Bau entsprechender Gebäude zu gewinnen, müssten dann die nötigen baurechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Dabei wäre besonderer Wert auf die bauliche Gestaltung wie eine nachhaltige Bauweise zu legen. Aktuell tun sich jedoch die Investoren mit Bauprojekten im Bochumer Stadtzentrum eher schwer, siehe City-Tower oder Bebauung zwischen Südring und Hellweg. Die Frage, ob sich Wohnhochhäuser in Bochum schaffen lassen, ist daher noch völlig offen.
Autor:Dr. Volker Steude aus Bochum |
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