Gibt es ein Sowohl - Alsauch?
In einer christlichen Familie mit einer Doppelmoral aufzuwachsen, die irrational auf abhängige Strukturen ausgeweitet wurde, ist nicht jedermans Sache. Also kämpfte ich jugendlich gegen die „Bösen“, als sei die Welt ganz und gar verloren.
Doch ein eher pubertär angelegter Kampf bedeutete immer auch, „gegen“ etwas oder jemanden zu sein, was gleichsam hieß, nicht „für“ etwas zu sein.
Im Neoliberalismus wurden die Versuche eigenen Denkens in die narzisstische Ideologie maximalen Gewinns absorbiert. Potenzialentfaltung, in der gleichen Terminologie wie Optimierung, Resilienz und Selbstverwirklichung hieß nichts anderes als den eigenen Wert zu steigern, doch was wurde hier eigentlich bewertet und gesteigert?
Es lief auf die Verdinglichung des Menschen hinaus, den freien Willen, zumindest aber ein klares Denken zu unterbinden, blind, gehorsam und bequem zu machen. Und auch satt.
Wenn scheinbar gesättigte Leute nicht bemerken, wie wenig ihre Bedürfnisse in der Matrix des Konsums eigentlich echt sind, glauben sie an eine selbständige Entscheidung, obwohl sie eigentlich den Interessen der Konzerne dienen.
Das Selbstbild im Konkurrenzkampf der Lebens- und Arbeitsbedingungen mit dem Schein der Großartigkeit in den Medien, fußt leider genauso auf dem Prinzip des MEHR, des Profits, und man übersieht gerne, wie Menschen zu Maschinen getriggert werden.
Dazu kommt eine immer vorhandene Hybris falsch verstandener Religionen und Ideologien, die, zu Machtzwecken benutzt, in einen Wahnsinn treiben, der kaum zu stoppen ist.
Könnten wir uns auf unsere ureigensten Kräfte und Emotionen, die in einem Kampf, der nicht der unsere war, eingeschlafen sind und jetzt tief verborgen schlummern?
Wie wäre ein Gang in den Wald, wenn sich dort sein Blätterdach impressionistisch glitzernd erhebt und kühlenden Frieden spendet, die Grenzen des gezwungenen Seins, der gesellschaftlichen Rolle, aufgehoben sind?
In der Weite der Natur weiten sich auch die Gefühle und Gedanken, man begegnet sich selbst, ohne etwas zu wollen, zu wünschen, zu begehren.
Was ist ein Baum?
Nicht seine Gattung, seine Art, Bezeichnung.
Ein Baum ist ein Baum, weil er ein Baum ist. Er ist weil er ist. Das ist seine einzige großartige Aufgabe. Eine Blüte spendet den Insekten ihren Nektar. Sie tut es, weil sie es tut und nichts wird gedankt. Die Hyazinthe auf der Fensterbank spreizt ihre Blüten zum Sonnenlicht, duftet süß wie eine Ahnung.
Sie tut es, weil sie es tut, im Zusammenspiel der Einheit, die Leben bewirkt.
Über den Feldern des Nachbarhimmels schwebt der Bussard leicht und unbeschwert wie eine Idee. Sanfte Wattewolken am Himmel spielen das leichte Spiel ewiger Veränderung, gehaucht wie ein Atem. Und ein Lächeln im gelösten Inneren spiegelt dankbar
einen Moment.
Autor:Ingrid Dressel aus Bochum |
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