Gedenkkultur bewahren – Militarismus ächten!
Ich dokumentiere hier einen Bürgerantrag des Bochumer Friedensplenums zur nächsten Ratssitzung am 10.4.2014:
An die
Oberbürgermeisterin der Stadt Bochum
Frau Dr. Ottilie Scholz
Rathaus
44777 Bochum
25. 3. 2014
Sehr geehrte Frau Dr. Scholz,
in Ihrer enttäuschenden Antwort vom 14. Februar 2014 schreiben Sie:
„Bei der Bezeichnung und Durchführung des Abendmarktes auf dem Springerplatz
handelt es sich nicht um eine Angelegenheit, in die der Rat eingreifen kann. Es ist mir
daher leider nicht möglich, Ihre Anfrage im Rahmen der Fragehalbestunde in der
Sitzung des Rates auf die Tagesordnung zu setzen.“
Wir halten es im Gegensatz zu Ihnen für die Pflicht des Rates, in dieser Angelegenheit einzugreifen und darauf zu bestehen, dass der Beschluss des Rates aus dem Jahr 1947 zur Umbenennung des Platzes von den Betreibern des Marktes mit dem notwendigen Respekt geachtet wird.
Wir schicken Ihnen in der Anlage einen Bürgerantrag nach § 24 GO NRW für die
Ratssitzung am 10. 4. 2014.
Hier benennen wir einige naheliegende Beispiele, wie der Rat in dieser Frage sehr wohl eingreifen kann. Wir würden uns sehr freuen, wenn dieser Antrag mit der ganzen Erfahrung der versammelten Ratsmitglieder erweitert würde und unserer Stadt eine überregionale Blamage erspart bleibt.
Wir wünschen uns, dass Bochum seine Gedenkkultur ernst nimmt und sie nicht
irgendwelchen Geschäftsinteressen opfert.
Mit freundlichen Grüßen
Annemarie Grajetzky
Bürgerantrag an den Rat der Stadt Bochum
zur Ratssitzung am 10. 4. 2014
Gedenkkultur bewahren – Militarismus ächten
Der Rat der Stadt Bochum möge beschließen:
1. Der Rat der Stadt Bochum missbilligt die Respektlosigkeit, mit der die Betreiber des Abendmarktes auf dem Springerplatz den Beschluss des Bochumer Rates aus dem Jahr 1947 missachten und den geächteten Namen „Moltkemarkt“ zum Aushängeschild ihres Geschäfts gemacht haben.
2. Die Verwaltung wird aufgefordert, auf dem Springerplatz ein gut sichtbares Schild
aufzustellen mit dem Text: „Dieser Platz war bis 1947 nach dem exponierten
preußischen Militaristen Moltke benannt. Zur Mahnung an die Verbrechen des
deutschen Militarismus und zur Würdigung des antifaschistischen Widerstands wurde der Platz nach dem ermordeten Bochumer Widerstandskämpfer Karl Springer
umbenannt.“
3. Den Betreibern des Feierabendmarktes wird eine Verlängerung der
Sondernutzungserlaubnis für ihr Geschäft nur erteilt, wenn sie diesen Markt nicht länger als Moltkemarkt vermarkten. Die Verwaltung teilt dies den betreffenden Geschäftsleuten mit.
4. Die Stadt wird in ihrer Öffentlichkeitsarbeit jede Werbung für den Markt unterlassen,solange er nicht umbenannt worden ist.
Dies gilt insbesondere für die Webseite der Stadt Bochum „Station 10: Karl Springer“. Hier wird nicht länger eine Tradition des Moltkemarktes vorgetäuscht, sondern die Bedeutung des Ratsbeschlusses aus dem Jahr 1947 erläutert. Die Verwaltung soll dies so schnell wie möglich umsetzen.
5. Die Stadt nutzt ihre Möglichkeit als Gesellschafterin der Bochum Marketing GmbH,
daraufhin zu wirken, dass jede Werbung von Bochum Marketing für den Abendmarkt
unterlassen wird, solange er nicht umbenannt worden ist.
Begründung:
Auf dem neu gestalteten Springerplatz findet seit einiger Zeit ein Delikatessenmarkt statt, den seine Initiatoren Moltkemarkt nennen.
Dieser Name beschädigt die begrüßenswerte Initiative.
Dem Tiefpunkt unserer Geschichte kaum entronnen, beschloss 1947 der Rat der Stadt Bochum, den zentralen Platz im Arbeiterviertel Griesenbruch nicht länger nach Helmuth von Moltke (1800-1891) zu benennen, sondern von nun an in Hochachtung und ehrendem Gedenken nach dem kommunistischen Widerstandskämpfer Karl Springer.
Helmuth von Moltke war ein herausragender Exponent des preußisch-deutschen Militarismus, der als Generalstabschef im Deutsch-Dänischen Krieg 1864, im Preußisch-Österreichischen-Krieg 1866 und im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 für die Angriffskriege auf unsere europäischen Nachbarn verantwortlich war.
„Der Friede ist ein Traum, und nicht einmal ein schöner, und der Krieg ein Glied in Gottes Weltordnung...Ohne Krieg würde die Welt im Materialismus versumpfen.“ Das entgegnete Moltke 1880 dem Völkerrechtsprofessor J.K. Bluntschli, der durch den Ausbau des Internationalen Rechts Kriege verhüten wollte.
Von diesem religiös begründeten, aggressiven Militarismus des 19. Jahrhunderts führt eine gerade Linie zum Griff nach der Weltmacht mit Abermillonen Toten im Ersten Weltkrieg und 20 Jahre später in die abgrundtiefe deutsche Barbarei des Zweiten Weltkriegs.
Karl Springer wurde im März 1933 zusammen mit über hundert aktiven KPD- und SPDMitgliedern von SA-Trupps ergriffen, blutig geschlagen und zur Abschreckung
schwerverletzt auf einem belebten Platz hilflos liegen gelassen, später bis Dezember 1933 im KZ Esterwegen eingesperrt. Danach setzte er seinen Widerstand als Leiter der illegalen KPD in Bochum fort. Als die Gestapo im Herbst 1936 zahlreiche Widerstandsgruppen im Ruhrgebiet zerschlug, wurde er erneut festgenommen; am 18. Oktober starb er nach massiven Misshandlungen im Bochumer Polizeigefängnis.
Auch wenn die Initiatoren des Marktes nicht daran gedacht haben mögen, mit der
Namensgebung preußischen Militarismus historisch wieder aufzuwerten, ist der Name Moltkemarkt in der Erklärungssubstanz und Außenwirkung ein vergangenheitspolitischer Affront gegen die Entscheidung des Rates von 1947, die ja in Abkehr von Moltke den Neuanfang symbolisieren sollte. Diese Einschätzung wird dadurch bestärkt, dass der Name Moltke keinen Werbeeffekt für Feinschmeckerkultur haben kann.
Denn Moltke, als oberster Militär für den frühen Kriegstod Tausender junger Soldaten aus Deutschland und unseren europäischen Nachbarländern hoch verantwortlich, weckt weder ein Gefühl kultivierter ziviler Geselligkeit noch ein Bedürfnis nach europäischen Delikatessen.
Dieses Jahr 2014 erinnert an den Beginn des millionenfachen Mordens in den beiden
Weltkriegen des letzten Jahrhunderts vor 100 bzw. 75 Jahren. Die Jahreslosung für 2014 kann nur lauten: Frieden – Nie wieder Krieg!
Da kann ein Delikatessenmarkt auf dem Platz des Widerstandskämpfers Karl Springer nicht nach einem preußischen Militaristen benannt werden.
Bochumer Friedensplenum
c/o Ludwig Quidde Forum
Brückstr. 46
44787 Bochum
Internet: www.bo-alternativ.de
Email: Friedensplenum@bo-alternativ.de
Treffpunkt:
jeden 2. u. 4. Mittwoch 19:30 Uhr
Bahnhof Langendreer, Raum 6
Autor:Christoph Nitsch aus Bochum |
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