Flüchtlingsrat NRW: Hilfe für Flüchtlinge aus der Ukraine ohne ukrainischen Paß

PRO ASYL und Flüchtlingsräte warnen: Einige Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine wer-den ab September ausreisepflichtig!

Ein halbes Jahr nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine machen PRO ASYL und die Landes-flüchtlingsräte auf die Kriegsflüchtlinge ohne ukrainischen Pass aufmerksam, die wegen neuer Re-gelungen ab dem 1. September Gefahr laufen, in die Duldung zu fallen und abgeschoben zu wer-den.„Alle Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind, müssen gleich behandelt werden: Sie müssen Schutz bekommen und die Sicherheit, sich in Deutschland eine Perspektive aufbauen zu können. Das gehört zu einem von der Bundesregierung versprochenen Diskurswechsel in der Asyl-und Migrationspolitik“, sagt Wiebke Judith, Teamleiterin Recht & Advocacy bei PRO ASYL.Sie sind vor denselben Bomben aus der Ukraine geflohen –doch in Deutschland gelten für sie nicht dieselben Rechte: Schutzsuchende mit und ohne ukrainische Staatsbürgerschaft. Laut Bundesinnenministeriumhaben 97 Prozent der aus der Ukraine nach Deutschland geflohenen Menschen einen ukrainischen Pass. Somit haben circa drei Prozent, rund 29.000 Menschen, bislang nicht die Sicher-heit des vorrübergehenden Schutzes –und sollen ihn nach dem Willen des Bundesinnenministeriumsauch weiterhin nicht bekommen.Bis zum 31. August dürfen diese mit Hilfe einer Übergangsregelung noch ohne Visum und ohne einen Aufenthaltstitel in Deutschland leben.

Doch am 1. September wird ihr Status äußerst prekär: Wer sich dann länger als 90 Tage in Deutschland aufgehalten und noch keine Aufenthaltserlaubnis hat, wird ausreispflichtig und könnte abgeschoben werden. Über einen rechtzeitigen Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis kann zumindest zwischenzeitlich durch die entstehende Fiktionswirkung der Aufenthalt bis zur Entscheidung über den Antrag legal bleiben.Bundesland Berlin geht mit gutem Beispiel voran –aber ausreichend ist das nicht„Es ist unerträglich, dass demnächst aus der Ukraine nach Deutschland geflohene Menschen abge-schoben werden könnten. Auch wenn sie den Pass eines anderen Landes haben, ist für viele der Krieg in der Ukraine eine Katastrophe, dieLebensperspektiven sind zerstört. Deutschland sollte ihnen mit einem dem temporären Schutz vergleichbaren Aufenthaltsrecht endlich Schutz und Sicherheit ge-ben“, sagt Tareq Alaows vom Flüchtlingsrat Berlin im Namen der Landesflüchtlingsräte. Das hatten PROASYL und die Landesflüchtlingsräte auch schon im Vorfeld der Innenministerkonferenz im Juni 2022 von der Bundes-und Landespolitik gefordert.

Das Bundesland Berlin geht einen ersten Schritt in diese Richtung und erteilt zumindest allen studie-renden Drittstaatsangehörigen aus der Ukraine eine Fiktionsbescheinigung, mit der sie sich sechs Monate lang weiterhin legal in Deutschland aufhalten dürfen. Doch das wird häufig nicht reichen, um die hohen Anforderungen an eine Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken oder zur Erwerbstätigkeit zu erfüllen. „Die Initiative aus Berlin ist zu begrüßen, jedoch wird das Problem so nur um sechs Mo-nate verschoben und nicht gelöst“, sagt Tareq Alaows. „Zudem reicht es nicht, dass einzelne Länder aktiv werden. Das Bundesinnenministerium muss eine bundeseinheitliche Lösung erarbeiten“, for-dert Wiebke Judith.Das Mindeste, das getan werden muss: Alle Betroffenen müssen eine Fiktionsbescheinigung bekom-men, die ein Jahr gültig ist, damit sie in diesen zwölf Monaten die Chance haben, die Voraussetzun-gen für eine Aufenthaltserlaubnis zu erfüllen. Das muss das Bundesinnenministerium an alle zustän-digen Landes-und Kommunalbehörden kommunizieren.

Wenn Deutschland diese Menschen halten könnte, wäre das auch ein Beitrag zum Kampf gegen denFachkräfte-und Arbeitskräftemangel, da viele aus dieser Gruppe sich um Arbeit, Ausbildung oder Studium bemühen. Deutschland braucht jährlich circa 400.000 Menschen, um den Bedarf an Fach-kräften zu decken. Es wäre also ein paradoxer Schritt, Menschen, diebereits hier sind, abzuschieben.Zum Hintergrund:Die Gruppe der Geflüchteten aus der Ukraine ohne ukrainischen Pass ist vielfältig. Es gibt Studie-rende –viele kurz vor dem Abschluss –zum Beispiel aus West-und Nordafrika und der Türkei, denen das Studium in ihrem jeweiligen Herkunftsland aus politischen oder sozio-ökonomischen Gründen verwehrt ist. Zur Gruppe gehören zudem zum Beispiel Geschäftsleute aus Vietnam; Menschen, die sich den repressiven Regimen in Minsk und Moskau entzogen haben; Arbeitnehmer aus Usbekistan und anderen Anrainerstaaten. Hinzu kommen die de facto staatenlosen Menschen (unter an-derem Angehörige der Rom-Minderheit), die ihr gesamtes Leben in der Ukraine verbracht haben. Sie alle haben ihren Lebensmittelpunkt mit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine verloren. Drittstaatenangehörige bekommen nur unter den eng gefassten Voraussetzungen, dass sie nicht un-ter „sicheren und dauerhaften Bedingungen“in ihr Herkunftsland zurückkehren können, einen Schutzstatus innehatten oder in Familieneinheit mit ukrainischen Staatsbürger*innen lebten, eine Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage des EU-Beschlusses.

Dieser Text stammt vom Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen höchstpersönlidh.

Autor:

Felicia Rüdig aus Duisburg

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