Eine Pop-Akademie ohne Substanz
Mal wieder werden in Bochum tausende Euro in heiße Luft investiert. Für sagenhafte 8 Studenten pro Semester will man mit einer Anschubfinanzierung des Landes NRW von knapp 150.000 Euro eine Pop-Akademie aufbauen. Die Stadt soll über 6 Jahre durch mietfreie Überlassung der Räumlichkeiten nochmals 50.000 jedes Jahr Euro beisteuern, also insgesamt zusätzliche 250 - 300.000 Euro.
Wie die Finanzierung des eigentlichen Betriebs der Akademie von Land und Stadt gestemmt werden soll, ist nicht bekannt. Rechnet man das Jahresbudget der Popakademie Mannheim (2.715 Mio. für 250 Studenten) auf die 32 Studenten in Bochum um, wird die Akademie etwa 350.000 Euro pro Jahr verschlingen. Welchen Anteil davon die Stadt tragen soll, darüber schweigt sich der Beschluss des Rates zur Gründung der Akademie jedoch aus. Wie die Folgekosten der Akademie finanziert werden sollen, hat auch leider keiner der Ratsmitglieder nachgefragt.
Zu befürchten ist, dass es so wie in Mannheim laufen wird. Dort betrug der Beitrag der Stadt zur dortigen Pop-Akademie anfangs 300.000, jetzt sind es schon 615.000 Euro pro Jahr. Besteht die Akademie erstmal, wird die weitere Kostenübernahme dadurch gerechtfertigt werden, dass sie zur Existenzsicherung des Projektes alternativlos ist.
Angesichts von mind. 200 Mio. unbewältigtem Sanierungsstau allein bei den städtischen Schulgebäuden stellt also dieses Projekt eine weitere Verhöhnung der 15.000 Schüler dieser Stadt dar, die sich vielfach Tag für Tag mit unzumutbaren Zuständen in den Gebäuden rumplagen müssen. Bei den Schülern dieser Stadt wird Geld gespart, um es u.a. in 32 Pop-Studenten zu investieren.
Offensichtlich hat es die Stadtspitze längst aufgegeben in Substanz zu investieren. Vielmehr wird versucht potemkische Dörfer zu errichten, um den fortschreitenden Verfall der Stadt, ihrer Einrichtungen und Infrastruktur zu verbergen. Der schöne Schein soll die wahren Probleme überdecken, die die Stadtspitze nicht mehr zu bewältigen weiß. Statt in die eigentlich relevante städtische Bildungsstruktur zu investieren, kommt die Pop-Akademie als bloßes Marketing-Event daher.
Der bisherige absurde Höhepunkt des Spektakels: Die Stadt bot eine mit gleich 12 prominenten Vertretern der Stadt besetzte Pressekonferenz auf, um die Errichtung einer Akademie für ganze 32(!) Studenten zu verkünden, die unter dem hochtrabenden Namen „Pop-Akademie“ verkauft wird, eigentlich aber nur ein kleines Institut der Folkwangschule sein wird. Mit dabei wie immer, wenn es um Publicity geht: Eiskirch, Scholz und Townsend. Da es sonst nichts Positives zu vermelden gibt, wollte bei diesem Anlass wohl jeder der beteiligten Politiker dabei sein, um sein Image mit diesem völlig überzogenen Presseauftritt aufzupolieren.
Derweil ächzt die Stadt unter der Last von zig Millionen Sozialausgaben für die in Bochum lebenden Fürsorgeempfänger. Für tausende von Menschen zahlt die Stadt den Lebensunterhalt samt Miete, weil sie keinen abgeschlossenen Schul- oder Ausbildungsabschluss haben. Das Bildungsniveau in der Stadt hinkt weiter hinter dem, der vieler deutschen Regionen hinterher (Bildungsbericht Ruhr 2012). Doch an durchgreifenden und nachhaltigen Investitionen in Bildungs- und Schulstruktur der Stadt fehlt den Verantwortlichen das notwendige Interesse. Denn solche Investitionen würden sich erst in einem Jahrzehnt rechnen und erst dann den Sozialetat deutlich entlasten. Der verlockende Auftritt neben Pop-Größen wie Lindenberg oder Maffay bei Gründung der Pop-Akademie hingegen verspricht für die Stadtoberen schnelle und deutlich mehr persönliche Publicity. Folgerichtig wird das Geld für den schönen Schein verschleudert anstatt für nachhaltige Politik.
Die Akademisierung des Pop-Business ist der angebliche Zweck für die Errichtung der Akademie. Aber brauchen Künstler wie Grönemeyer, McCartney oder Xavier Nadoo demnächst einen akademischen Abschluss, ehe sie einen Song aufnehmen und vermarkten dürfen? Der Sinn einer Pop-Akademie bleibt einem fremd. In Wirklichkeit soll durch die Akademie wohl nichts weiter als Aufmerksamkeit auf die Stadt gelenkt werden.
Doch wer die Stadt besucht, der sieht, dass hinter den Kulissen von Pop-Akademie, Steiger-Award und Musikzentrum, überall in Bochum der Putz bröckelt, Bürgersteige und Straßen nur noch notdürftig zusammen geschustert sind, vielen Schülern Schulgebäude zugemutet werden, in denen häufig nicht nur die Toilettenanlagen verwahrlost sind und der Sport wegen mangelnder Turnhallen teilweise im Klassenraum stattfinden muss. Diese Aufzählung ließe sich weiter und weiter führen. Denn die fahrlässig unterlassene Instandhaltung der städtischen Einrichtungen und Infrastrukturen ruiniert den Stadthaushalt und veranlasst immer mehr Bürger zur Abwanderung. Doch daran wird auch eine Pop-Akademie nicht irgendetwas ändern.
Mit dem Neubau eines Gymnasiums und der halbherzigen Sanierung einiger Schulen aus den Mitteln der Konjunkturpakete können nicht halbwegs die Versäumnisse von Jahrzehnten aufgeholt werden. Statt sich um Zuschüsse für teure Prestigeprojekte der Stadt zu kümmern, sollte sich Eiskirch lieber beim Land, für die dringend benötigten Millionen einsetzen, damit zumindest alle städtischen Schulgebäude innerhalb von 10 Jahren wieder in einen angemessenen, wenn möglich vorbildlichen Zustand versetzt werden. Doch wie bei der von ihm versprochenen Entschuldung der Stadt durch das Land, sind in dieser Richtung ernsthafte Bemühungen nicht zu erkennen. Heiße Luft ersetzt wieder einmal durchgreifendes Handeln.
Die realen Probleme sind den Handelnden längst über den Kopf gewachsen. Lösungen sind keine in Sicht. Die Probleme der Stadt werden aufgeschoben. Stattdessen beschäftigt man sich primär damit, die Kritik der Bürger durch Projekte mit zweifelhaftem Glanz zu beschwichtigen.
Mittlerweile ist der Stadt jeder Strohhalm recht, den irgendjemand hinhält. Die Qualität der sich dahinter verbergenden Projekte wird schon gar nicht mehr ernsthaft hinterfragt. Auf diese Weise hat sich die Stadt schon mit ihrer Marktingoffensive „Bochum macht jung“ oder mit den von Hellen versorgten Promi-Events deutschlandweit blamiert.
Auch hinter den groß aufgezogenen Kreativ.Quartieren der Gorny-Gesellschaft ecce zu denen u.a. auch die Projekte Pop-Akademie und Musikzentrum gehören, steckt statt einer ernsthaften Planung nicht mehr als heiße Luft. Millionen werden in Kunstprojekte wie LichtTore, Musikzentrum und Pop-Akademie gepumpt. Angeblich sollen dadurch neue, privat finanzierte Arbeitsplätze in der Kreativwirtschaft entstehen. Eine durchaus ehrenhaftes Ziel, doch leider nicht mehr als ein Wunsch. Wie viele Arbeitsplätze durch die Quartiere entstehen sollen, darüber schweigen sich die öffentlichen Investoren wohlweislich aus. Private Investoren hingegen sind nicht in Sicht. Irgendeine Studie, die darstellt, wie die gewünschten Arbeitsplätze entstehen sollen, sucht man vergeblich. Allein der Glaube daran, dass welche entstehen könnten, ersetzt die erforderliche Kalkulation, was mit den Quartieren tatsächlich bewirkt werden soll.
Solches Vorgehen ist gänzlich unseriös. Auf bloße Versprechungen und allein dem Prinzip Hoffnung folgend verpulvert der Stadtrat Millionen ohne je eine Kosten-Nutzen-Analyse in Auftrag gegeben zu haben. Das Geld in Bochum ist knapp, furchtbar knapp. Gerade in dieser Situation erfordert es seriöse Politik, dass die Vertreter im Stadtrat, das Geld zunächst in die Dinge investieren, die den höchsten Nutzen bei geringsten Kosten versprechen und nicht leichtfertig das Geld an Propheten geben, die zwar am besten predigen können und für den Glauben daran das Himmelreich versprechen, aber außer unbewiesenen Versprechungen tatsächlich nichts Konkretes für die Stadt anzubieten haben.
Nie haben Bochumer Bürger eine Pop-Akademie in ihrer Stadt vermisst oder ein Bedürfnis danach geäußert. Wenn Gorny oder das Land eine Pop-Akademie wollen, dann doch wohl zumindest ohne die finanzielle Hilfe einer bankrotten Stadt in Anspruch zu nehmen. Oder soll die Stadt demnächst auch für die juristische Fakultät der RUB einen städtischen Beitrag übernehmen? Würde sie jeden Studenten in diesem Fachbereich, mit dem gleichen Betrag subventionieren, wie sie es für die Studenten der Pop-Akademie tun wird, müsste die Stadt fast 20 Mio. pro Jahr aufwenden… .
Wenn BMG, Sony, MTV oder Gorny eine Akademisierung des Pop-Business anstreben, dann sollen sie diese zumindest mitfinanzieren, wie das auch VW, BMW, Daimler oder andere bei entsprechenden Instituten und Lehrstühlen von Hochschulen und Universitäten tun. Denn wer profitiert von den Verkäufen der Musikstars, doch besonders die Musikindustrie. Das Musikbusiness jedoch zeigt deutlich, dass sie von derartigen Projekten wenig hält. Folgerichtig sind die an der in Mannheim bereits bestehenden Pop-Akademie beteiligten Unternehmen erst in diesem Jahr insbesondere zu Lasten der Stadt ausgestiegen und haben bisher an der Akademie in Bochum erst gar kein finanzielles Interesse geäußert.
Sicher werden sich Maffay und Lindenberg mit genug Geld als Dozenten für die Akademie gewinnen lassen. Man erinnere sich, auch Steinbrück war bereit für eine beträchtliche Summe beim Atrium-Talk insbesondere über Fußball zu philosophieren. Der schöne Schein lässt sich für den entsprechenden Geldbetrag schnell und kurzfristig organisieren. Projekte, die entscheidend sind für die nachhaltige Entwicklung der Stadt, dauern ihre Zeit, die Wirkung tritt nicht sofort ein. Die Suche nach Lösungen bei knappen Kassen, erfordert eine Politik, die bereit ist auch selbst Problemlösungen zu entwickeln, anstatt dies gänzlich der Verwaltung und Propheten wie Hellen und Gorny zu überlassen.
Die zunehmende Verschuldung der Stadt auf Kosten der zukünftigen Generationen macht den Menschen Angst, der zunehmende sichtbare Verfall in der Stadt entmutigt die Bürger, die unsubstantierte Politik, die allein darauf gerichtet ist, dass sich die Stadtoberen, im Glanz einiger weniger Prestigeprojekte sonnen können, macht sie wütend.
Volker Steude, BÄH - Bochum ändern mit Herz
(ruhrblogxpublik)
Autor:Dr. Volker Steude aus Bochum |
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