Ein Kardinalfehler bei der Planung

Ich dokumentiere hier eine Pressemitteilung der Bürgerinitiative Bahnhof Weitmar:

In einem offenen Brief wendet sich die Bürgerinitiative Bahnhof Weitmar an die Entscheidungsträger der Stadt Bochum: »Das Stadtplanungs- und Bauordnungsamt der Stadt Bochum hat einen Kardinalfehler bei der Planung des Bebauungsplangebietes am ehem. Bahnhof Weitmar begangen, der weitere Planungsfehler mit schwerwiegenden Auswirkungen nach sich zieht. Durch die Annahme, dass es sich bei dem Untergrund des städtischen Nordwald-Plateaus um eine Anschüttung handelt, die mit einem „Wald auf Zeit“ bewachsen ist, hat das Stadtplanungsamt einerseits das beschleunigte Bebauungsplanverfahren eingeleitet und andererseits mit dem Investor abgestimmt, er könne die „Anschüttung“ abtragen, um das gewonnene Material als „Recyclingprodukt“ auf den Altlastenflächen des Bahngeländes wieder einzubauen. Praktischerweise sollte so auch noch eine Fläche zur Bebauung mit 12 Luxusimmobilien „frei“ werden, die der Investor zu einem sehr günstigen Preis und ohne öffentliche Ausschreibung erhalten wird. Diese als Grundlage für den gesamten Bebauungsplan dienende Annahme ist falsch!”

Der Brief im Wortlaut:
Offener Brief an die Entscheidungsträger der Stadt Bochum
hier: Planungsfehler beim Verkauf städtischer Grundstücke - die Stadt Bochum wälzt ihre Verantwortung auf die Anwohner ab
Sehr geehrte Damen und Herren,
das Stadtplanungs- und Bauordnungsamt der Stadt Bochum hat einen Kardinalfehler bei der Planung des Bebauungsplangebietes am ehem. Bahnhof Weitmar begangen, der weitere Planungs-fehler mit schwerwiegenden Auswirkungen nach sich zieht.
Durch die Annahme, dass es sich bei dem Untergrund des städtischen Nordwald-Plateaus um eine Anschüttung handelt, die mit einem „Wald auf Zeit“ bewachsen ist, hat das Stadtpla-nungsamt einerseits das beschleunigte Bebauungsplanverfahren eingeleitet und andererseits mit dem Investor abgestimmt, er könne die „Anschüttung“ abtragen, um das gewonnene Material als „Recyclingprodukt“ auf den Altlastenflächen des Bahngeländes wieder einzubauen. Praktischer-weise sollte so auch noch eine Fläche zur Bebauung mit 12 Luxusimmobilien „frei“ werden, die der Investor zu einem sehr günstigen Preis und ohne öffentliche Ausschreibung erhalten wird. Diese als Grundlage für den gesamten Bebauungsplan dienende Annahme ist falsch!
Wie die Bürgerinitiative bereits mit Schreiben vom 05.12.2013 dem Stadtplanungs- und Bauord-nungsamt mitgeteilt hat, handelt es sich bei dem Untergrund des Nordwaldes um ein natürliches Felsplateau (Boden auf Sandstein) und nicht etwa um angeschüttetes Material. Am 29.01.2014 hat die Untere Forstbehörde nach einer Begehung des Nordwaldes festgestellt, dass es sich bei dem Wald um einen natürlichen Wald auf natürlichem Untergrund i. S. des BWaldG handelt. Aus diesen Tatsachen, ergeben sich folgende Konsequenzen, die deutlich machen, dass die städtischen Grundstücke für das geplante Bauvorhaben im Rahmen des Bebauungsplans nicht für einen Verkauf geeignet sind:
1. Bei dem Plangebiet handelt es sich um eine sog. Außenbereichsinsel, die für die Innen-entwicklung genutzt werden soll. In einem solchen Fall dürfte gemäß Plan-UP-RL kein beschleunigtes Verfahren durchgeführt werden, da es sich bei dem städtischen Wald um eine baulich nicht vorgenutzte Fläche und dementsprechend nicht um eine Wiedernutz-barmachung von Flächen handelt. Wir halten daher die Durchführung einer UVP im Rahmen eines normalen B-Planverfahrens für unerlässlich. Mit Schreiben vom 03.02.2014 an das Umweltministerium (Abt. III – Forsten, Naturschutz) haben wir des-halb um Prüfung der Sachlage gebeten.
2. Die Abgrabung des natürlichen Felsplateaus soll vor einem wirtschaftlichen Hintergrund (Gewinnung von Füllmaterial) durchgeführt werden und ist deshalb als Rohstoffgewin-nung zu bewerten. Der geplante Rohstoffgewinnungsbetrieb soll zudem ohne Genehmi-gung nach BBergG bzw. Abgrabungsgesetz erfolgen. Deshalb hat die Bürgerinitiative am 22.01.2014 Beschwerde gegen die Stadt Bochum bei der Kommunalaufsicht der Bezirksregierung in Arnsberg eingereicht.
3. Wie durch die Verwaltungsvorlage 20140109 erst am 27.01.2014 bekannt wurde, sollen auch noch zwei weitere Grundstücke außerhalb des Bebauungsplangebietes im Bereich Karl-Friedrich-Straße /Ecke An der Holtbrügge ohne öffentliche Ausschreibung durch die Stadt Bochum an den Investor verkauft werden. Die beiden Grundstücke (Flurstücke 263 und 264) bilden vom Bahngelände aus gesehen eine ca. 7 m hohe steile Anhöhe aus Sandstein, die zur südlich gelegenen Karl-Friedrich-Straße hin abfällt. Im Bereich
dieser beiden Grundstücke ist mit dem Auftreten unterirdischer Hohlräume durch Alt-bergbau zu rechnen. Da das abzugrabende Material des nördlichen Waldgrundstückes zur Auffüllung der Altlastenfläche im Gleisbereich nicht ausreicht, soll nun auf den Flur-stücken 263 und 264 ein zweiter Steinbruch ohne Genehmigung (diesmal sogar im In-nenbereich) eingerichtet werden, unter dem Vorwand, die Morphologie des Geländes müsse zur Bebauung angeglichen werden. Daher hat die Bürgerinitiative mit Schreiben vom 05.02.2014 erneut die Kommunalaufsicht informiert.
Die Bürgerinitiative Bahnhof Weitmar hat wiederholt und an verschiedenen Stellen auf folgende Bergbaurisiken im Zusammenhang mit dem Verkauf der städtischen Grundstücke aufmerksam gemacht:
1. Die geplante Rohstoffgewinnung von hartem Naturstein in einem Altbergbaugebiet und
2. die daraus resultierende und absehbare Entstehung von Bergschäden an umliegenden Gebäuden aufgrund von Erschütterungen des geplanten Abbaus.
Das Stadtplanungsamt, die Oberbürgermeisterin und Kommunalpolitiker betonten in der Vergan-genheit wiederholt, dass der Verkauf der städtischen Grundstücke (Nordwald-Grundstück plus Eckgrundstücke Karl-Friedrich-Straße) notwendig sei für die Umsetzung des stadtplanerischen Entwurfs des Investors und dass der Nordwald deshalb ausschließlich an diesen Investor verkauft werden kann. Wie die Bürgerinitiative bereits mehrfach betonte, ist das ehemalige Bahnhofsgelände mit einer Fläche von etwa 2 ha vollkommen ausreichend für einen wirtschaftlich attraktiven Bebau-ungsplan mit mindestens 50 Häusern. Daran zeigt sich, dass es hier nicht um eine wirtschaftlich notwendige Vergrößerung der B-Planfläche zur Bebauung geht, sondern vielmehr um die geplante Gewinnung von Rohstoffen (Naturstein) aus den natürlichen Felsplateaus beider Grundstücke und darüber hinaus den zusätzlichen Gewinn von 12 Luxusgrundstücken für den mit Hilfe eines äußerst geringen Kaufpreises städtisch subventionierten Investor.
Der Abbau des harten Natursteins auf den städtischen Grundstücken, der als externes kostenloses Füllmaterial für die Altlastenflächen des Bahnhofsgeländes sowie ggf. zur Höhenanpassung benutzt werden soll, wird starke Erschütterungen des Untergrunds verursachen und soll nach derzeitiger Planung ohne Abbaugenehmigung in direktem Umfeld bestehender Bebauung mit zahlreichen Anwohnern erfolgen, worauf die Bürgerinitiative mit Schreiben vom 31.01.2014 an die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses hingewiesen hat. Durch diese Erschütterungen ist mit der Entstehung von Bergbauschäden an den umliegenden Wohnhäusern zu rechnen.
Die mit den Abbauvorhaben verbundene - und bereits jetzt schon absehbare - akute Gefährdung der Anwohner und ihrer Häuser zeigt, dass die im Fokus der Kritik stehenden städtischen Grundstü-cke ungeeignet für die Pläne des Investors sind, was alle Entscheidungsträger im Umfeld der Stadt Bochum inzwischen offenbar erkannt haben. Nachdem der Wirtschaftsausschuss der Stadt Bochum dem geplanten Verkauf der städtischen Grundstücke zugestimmt hat, wurde der Öffentlichkeit nämlich mitgeteilt, dass alle bergbaulichen Risiken mit dem Verkauf der Grundstücke an den Investor übergeben werden (WAZ, 06.02.2014). Damit macht es sich die Stadt zu leicht! - sie zieht sich selbst aus der Verantwortung und wälzt diese auf die Anwohner und den Investor ab, obwohl sie längst erkannt hat, dass die Planungen des Investors nur mit der unmittelbaren Gefährdung von Wohngebäuden und den darin lebenden Menschen durchführbar sind.
Sollten Menschen oder Wohngebäude durch die Abbauaktivitäten zu Schaden kommen, wird auch eine Bergschäden-Versicherung für die entstehenden Kosten nicht aufkommen, da die Schädigung von Schutzgütern mit voller Absicht von vornherein in Kauf genommen wurde. Wer übernimmt dann die Verantwortung für das entstandene menschliche Leid und die finanzielle Krise, in die geschädig-te Hauseigentümer bedenkenlos gestoßen werden? Ein durch die zu erwartende immense Scha-denshöhe insolvent gewordener Investor? Die Stadt Bochum wohl kaum, da sie sich ja vorher aus der Verantwortung gezogen hat! Die unmittelbar betroffenen Anwohner haben berechtigte Angst vor den negativen Folgen dieser offensichtlich verfehlten Stadtplanung.
Es zeigt sich also, dass die Stadt Bochum durch ihre Versäumnisse bei der Aufstellung des Bebauungsplans im beschleunigten Verfahren die Anwohner und den Investor zu zeit- und kostenin-tensiven Rechtsstreitigkeiten zwingt und bedenkenlos die Verantwortung für die eklatanten Pla-nungsfehler des Stadtplanungsamtes von sich weg schiebt.
Wir fordern Sie als Entscheidungsträger der Stadt Bochum daher auf, die Planungsfehler bei der Aufstellung des Bebauungsplanes zu korrigieren, den Abbau von Natursteinen zu verbieten und auf den Verkauf der städtischen Grundstücke mittels Subvention des Investors zu verzichten, damit die umliegenden Hauseigentümer und ihre Mieter durch die Fehler des Stadtplanungsamtes nicht geschädigt werden. Übernehmen Sie politische Verantwortung für die Bürger Ihrer Stadt!
Mit freundlichen Grüßen
Die Bürgerinitiative Bahnhof Weitmar
Bochum, den 16.02.2014
Vertreter der Bürgerinitiative: Jürgen Dassow, Dr. Axel Gillhaus, Bärbel Kube, Dr. Astrid Pletz, Dirk Urbach, Thomas Wörenkämper
Ansprechpartner: Jürgen Dassow
Mail: Juergen.Dassow@rub.de

Autor:

Christoph Nitsch aus Bochum

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