hsg Bochum
Digitale Therapien als fester Bestandteil logopädischer Versorgung
Das Institut für angewandte Gesundheitsforschung der Hochschule für Gesundheit (hsg Bochum) hat im Mai 2020 unter der Leitung von Prof. Dr. Kerstin Bilda, Vizepräsidentin für Forschung an der hsg Bochum und Logopädie-Professorin, eine bundesweite Umfrage zum Thema ‚Teletherapie in der Logopädie‘ durchgeführt. Die Professorin stellt im Interview die ersten Ergebnisse vor und fordert mehr digitale Therapien in der Logopädie.
Mit Beginn der Corona-Krise hat der GKV-Spitzenverband als zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland eine zeitlich begrenzte Genehmigung zur Verwendung von Videotherapien für verschiedene logopädische Krankheitsbilder zugelassen, um die Therapie von Patient*innen ohne Anwesenheit in den Praxen zu ermöglichen. Dr. Kerstin Bilda, Professorin für Logopädie an der hsg Bochum, hat diese Entwicklung mit einer Studie begleitet und erklärt im Interview, wieso sie den Einsatz von digitalen Therapien in der Logopädie auch über die aktuelle Situation hinaus begrüßen würde.
Wie haben die Kontaktbeschränkungen aufgrund der Ausbreitung des Corona-Virus die Verwendung von Teletherapien in der Logopädie beeinflusst?
Prof. Dr. Kerstin Bilda: Eine große Mehrheit der Logopäd*innen in Deutschland sind während der Corona-Krise auf Teletherapie umgestiegen. In unserer Umfrage gaben rund 80 Prozent der befragten Logopäd*innen an, auf digitale Therapien umgestiegen zu sein, um ihre Patient*innen weiterhin versorgen zu können. Alle im Heilmittelkatalog aufgeführten Störungsbilder wie Stimm- und Sprechstörungen oder der Verlust des Sprechvermögens wurden behandelt, wobei die Mehrzahl der Patient*innen Kinder zwischen vier und zehn Jahren darstellte.
Sie haben eine Befragung von Logopäd*innen zum Einsatz von Teletherapien in Zeiten von Corona durchgeführt. Welche Fragestellungen haben Sie darin untersucht und zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?
Bilda: Die Umfrage zum Ist-Stand der Erfahrungen von Logopäd*innen bei der Durchführung von digitaler logopädischer Therapie in Zeiten von Covid-19 wurde mittels einer Online-Umfrage durchgeführt. Wir haben 328 Fragebögen zurückerhalten. Die vollständigen Datensätze wurden durch eine externe Statistikfirma ausgewertet. In der Umfrage wurden Fragen zur Machbarkeit, Akzeptanz und qualitativen Einschätzung von Teletherapie gestellt. Darüber hinaus wurden Wünsche und Anforderungen an digitale Therapien erfragt. Insgesamt zeigte sich erfreulicherweise eine hohe Akzeptanz von Teletherapie bei den befragten Logopd*innen und mehr als die Hälfte der Befragten (55 Prozent) gaben an, ihre Teletherapie-Einheiten effektiver oder genauso effektiv wie eine Präsenztherapie zu empfinden. Auch die Motivation der Patient*innen wurde bei der Videotherapie im Vergleich zur Präsenztherapie gleich hoch eingestuft. Die Mehrheit der Befragten gab an, dass Teletherapie bei einigen Patient*innen die reguläre Face-to-Face-Therapie ersetzen kann. 38 Prozent der Befragten kann sich Teletherapie als zukünftiges Versorgungsmodell für ihre Patient*innen gut vorstellen. Gewünscht wird eine Systematik der digitalen logopädischen Therapie, in der strukturelle, rechtliche, technische und inhaltliche Aspekte definiert sind. Die genauen Ergebnisse der Umfrage werden im September 2020 in der Fachzeitschrift für akademische Sprachtherapie und Logopädie 'Logos' veröffentlicht (Bilda et al. 2020: Digitale logopädische Therapie – Ergebnisse einer Befragung zum aktuellen Ist-Stand aus der Sicht von LogopädInnen).
Sie sprechen sich für eine Ausweitung der Möglichkeiten für digitale Therapien auch nach der Corona-Krise aus, warum?
Bilda: Aus verschiedenen Gründen müssen digitale Therapien in Zukunft ein integraler Bestandteil der logopädischen Versorgung sein. Gesellschaftsstrukturelle Veränderungen, flächendeckende und intensive Versorgungsmöglichkeiten bei bereits bestehendem und zukünftig hohem Fachkräftemangel sind die zentralen strukturellen Argumente für den Einsatz von Videotherapien. Auf individueller Ebene haben viele Patient*innen einen eingeschränkten Zugang zur Therapie in einer logopädischen Praxis. Das kann zum Beispiel an einer mangelnden Mobilität der Betroffenen bei gleichzeitig hoher Therapiefrequenz oder an eingeschränkten zeitlichen Ressourcen der Angehörigen liegen. Derzeit verhandeln der Deutsche Bundesverband für Logopädie und der Deutsche Bundesverband für akademische Sprachtherapie und Logopädie mit der gesetzlichen Krankenversicherung, um eine Fortführung der Finanzierung von digitalen Therapien unter den Pandemiebedingungen zu bewirken. Sie wollen aber auch aus den gerade genannten Gründen die zwingend notwendige mittelfristige Integration von Teletherapie als unverzichtbarer Baustein der logopädischen Versorgung verdeutlichen.
Das Interview ist im hsg-magazin nachzulesen.
Autor:Christiane Dr. Krüger aus Bochum |
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