Die Stadt braucht einen Plan – „Bochum und Wattenscheid 2030“
Seit Jahrzehnten läuft die Stadtentwicklung in Bochum und Wattenscheid relativ ungeplant. Es gibt weder einen Stadtentwicklungsplan für die Gesamtstadt noch für die Stadtteile.
Stadtentwicklung ohne Plan
Entsprechend kommt es immer wieder zu teilweise haarsträubenden Fehlplanungen. So konnte es geschehen, dass man in Gerthe direkt neben dem Stadtteilzentrum im Gewerbegebiet die Errichtung dreier Discountermärkte zuließ oder in Grumme das städtebaulich besonders misslungenes Einkaufszentrum Voede entstand, das sich in keinster Weise in das Stadtteilzentrum einfügt. Nicht anders sieht es in Laer aus, ein Stadtteilzentrum, das quasi beispielhaft für missratene Stadtteilplanung steht. Anstatt das Zentrum am Lahiriplatz zu beleben, lässt man in 650m Luftlinie Entfernung die Errichtung eines Lidl-Marktes zu, mit dem Einwohner aufgefordert werden, lieber mit dem Auto den Discounter an der Ausfallstraße, statt das aussterbende Stadtteilzentrum aufzusuchen.
Auch die Straßenbahnlinie 302/310 in einem Tunnel unter dem Stadtzentrum durchzuführen, während man die Busse weiter durch die Innenstadt fahren lässt, macht keinen wirklichen Sinn, zeigt aber exemplarisch die fehlende Weitsicht bei vielen Planungen. Besucher fragen sich auch, warum es am Rathaus gleich 3 Straßen- und Stadtbahnstationen gibt, von denen man in 3 verschiedenen Tunnel zum Hauptbahnhof fahren kann. Macht eigentlich keinen Sinn, war immens teuer und belegt, dass eine koordinierte Stadtplanung in den letzten Jahrzehnten eigentlich nicht existierte. Man baute erst das eine, dann noch was dazu und wenn noch jemand was einfiel, dann wurde noch was drüber gebaut. So dass häufig nichts von dem, was gebaut wurde, zu dem passte, was zuvor gebaut oder geplant wurde.
Diese Auflistung von eklatanten Fehlplanungen bei der Stadtentwicklung könnte man in Bochum mühelos fortführen. Sie ist letztlich die wesentliche Ursache dafür, dass Bochum sich den zweifelhaften Ruf eingehandelt hat total verbaut zu sein und viele Stadtteilzentren einen schleichenden Tod sterben.
Planerische und politische Strategie für die Gesamtstadt und die Stadtteile
Das NRW-Landesministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr, erklärt: „Stadtentwicklung kann nur gelingen, wenn es eine umfassende Bestandsaufnahme, eine planerische und politische Strategie für die Gesamtstadt und einen gesamtstädtischen Verständigungsprozess gibt. In vielen Städten wird derzeit zum Beispiel mit städtebaulichen Masterplänen, die öffentlich breit diskutiert werden, auf diese Erkenntnis reagiert. Eine langfristig angelegte Stadtentwicklungsstrategie signalisiert Verlässlichkeit und Qualität.“ (Internet-Seite MBWSV).
Städte wie Köln oder Mönchengladbach haben daher bereits seit einigen Jahren einen Masterplan, Bochum jedoch nicht. In Bochum werden bisher für nur wenige Stadtviertel so genannten „Integrierte Stadtentwicklungskonzepte“ (ISEK) erarbeitet, über die wenig nachhaltig für einen relativ kurzen Zeitraum ein bunter Straus an städtebaulichen und sozialen Maßnahmen vom Land gefördert wird, die dann mit der Gieskanne über dem Stadtteil ausgeschüttet werden und deren Wirkungen nicht selten wie Tropfen in der Sonne schon nach kurzer Zeit verdunsten.
Die Fraktion „FDP & Die STADTGESTALTER“ will dieses Defizit nun beseitigen und beantragt daher in der nächsten Ratssitzung, die Verwaltung zu beauftragen, eine langfristig angelegte Stadtentwicklungsstrategie im Sinne eines städtebaulichen Masterplans für das gesamte Stadtgebiet Bochums zu entwickeln (Antrag 20162718).
Masterplan „Bochum und Wattenscheid 2030“
Doch wie sollte solch ein Plan für die Gesamtstadt und die Stadtteile aufgestellt werden? Wer sollte beteiligt werden? Wie wird sichergestellt, dass die im Plan festgelegten Ziele auch erreicht werden?
Rundlage für einen erfolgreichen Masterplan ist die Aufteilung des Stadtgebietes in sozialräumlich zusammenhängende Stadtteile mit Stadtteilzentren. Die Aufteilung sollte nicht wie bisher verwaltungstechnisch erfolgen. Die Zuordnung von Wohnvierteln muss zu den Stadtvierteln erfolgen, zu denen sich die Bewohner zugehörig fühlen und nicht zu denen sie unter Umständen verwaltungstechnisch gerechnet werden.
Weiterhin muss als Grundlage für einen Masterplan ein detaillierten Katalog von Indikatoren aufgestellt sein, mit dem die bestehenden Defizite in Städtebau, Infrastruktur, Sozialstruktur und der Stadtteilentwicklung für die einzelnen Stadtteile quantifiziert werden können. Indikatoren könnten u.a. sein, Wohnwert in den Quartieren, Nahversorgungsmöglichkeiten im Stadtteilzentren oder Angebot an Freizeitmöglichkeiten.
Anhand eines solchen Katalog lässt sich eine Prioritätenliste zu erarbeiten, die darstellt, welche Stadtteile bei der Durchführung von Stadtentwicklungsmaßnahmen zu priorisieren sind, bei denen Stadtentwicklungsmaßnahmen besonders dringlich in Angriff genommen werden sollten.
In dem Masterplan soll sowohl eine gesamtstädtische Strategie mit Zielen von gesamtstädtischer Bedeutung festgelegt werden wie Ziele und Strategien, die sich auf die jeweiligen Stadtteile und Quartiere beziehen und die daher in stadtteilspezifischen Teilplänen festgeschrieben werden. Aus den Plänen werden dann die Maßnahmen abgeleitet, die zur Erreichung der Entwicklungsziele erforderlich umgesetzt werden könnten. So könnte z.B. für Werne das Ziel festgelegt werden, den Markt zu beleben. Als Maßnahme könnte dann eine Verlegung an die Einkaufsstraße des Stadtteilzentrums erwogen werden.
Zur Festlegung der Ziele und Strategien und der Planung der erforderlichen Maßnahmen muss in den Stadtteilen eine detaillierte Bestandsaufnahme erfolgen.
Dazu müssen die in den Stadtviertel Lebenden sowie die in den Vierteln tätigen Akteure (Einwohner, Unternehmen, Geschäfte, Vereine u.ä.) befragt werden, wie sie den Zustand des Stadtteils beurteilen und welche Veränderungen sie sich wünschen. Zu diesem Zweck können mit den Einwohnern u.a. Zukunftswerkstätten und Jugendbefragungen an den Schulen durchgeführt werden. Daneben muss ermittelt werden, was potentielle Einwohner oder Unternehmen bisher hindert, sich in den Stadtteilen nieder zu lassen.
Bürgerschaftliches Engagement muss aktiv gefördert werden, um die Erarbeitung der Stadtentwicklungspläne wie auch die Umsetzung der erarbeiteten Maßnahmen zu befördern. In vielen Bochumer und Wattenscheider Nachbarschaften bestehen bereits Initiativen, die sich um das Stadtviertel kümmern und die in die Aufstellung der Stadtentwicklungspläne einbezogen werden müssen. Diese Initiativen stellen den Nukleus der konkreten und realen Lebenswelt der Bürgerinnen und Bürger dar. Die dort tätige Einwohner sind daher besonders gut in der Lage selbst Ziele und Ideen in den Entwicklungsprozess einzubringen.
Neben den Einwohnern müssen auch die lokale Wirtschaft, die sozialen Trägern, sowie die wissenschaftlichen Akteure aufgerufen werden ihre Beiträge zur strategischen Zielbestimmung zu ermitteln und zu artikulieren, denn Grundlage eines Masterplans „Bochum und Wattenscheid 2030“ sollten nicht nur Fachbeiträge der Verwaltung bilden, wichtig sind auch Entwicklungsimpulse von Investoren und externen Fachleuten aus der Wohn- und Gewerbewirtschaft.
Zur Organisation und Steuerung des Masterplanprozesses ist es sinnvoll, wenn die Verwaltung, insbesondere auch zur Auswertung der verwaltungsinternen Beiträge, der Bürgerideen und der Vorschläge der nichtstädtischen bzw. privaten Organisationen eine ämter- und ressourcenübergreifende Arbeitsgruppe einrichtet. Diese sollte sich externen akademischen Sachverstands bedienen. Aufgabe der Arbeitsgruppe ist es, die strategischen Ziele zu gewichten und der Politik empfohlene wie alternative Maßnahmen zur Entscheidungsfindung vorzulegen. In gleicher Weise erfolgt dies auf stadtbezirklicher Ebene für die stadtteilbezogenen Teilkonzepte.
Zur Überprüfung der Zielerreichung ist die Einrichtung eines Monitoringsystems unverzichtbar, mit dem die Entwicklung der festgelegten Indikatoren gemessen wird und anhand dessen jährlich über den Umsetzungsstand der strategischen Ziele berichtet werden kann.
„Bochum und Wattenscheid 2030“ wird auf diese Weise für die Zukunft zu einem Orientierungsrahmen für ressortübergreifende kommunale Entscheidungen und den koordinierten Einsatz von städtischen Mitteln sowie von Geldern aus einem modernen Fördergeldmanagement. Darüber hinaus bietet Bochum und Wattenscheid 2030 eine Grundlage für ein kooperatives Miteinander aller städtischen Akteure in der Gesamtstadt wie in den Stadtteilen.
Ein guter Masterplan ist nicht billig, gerade dann wenn sich die Stadt zu dessen Entwicklung anerkannter externer Stadtplaner bedient, die bereits in anderen Großstädten ähnliche Projekte erfolgreich unternommen habe. Jedoch sind die Folgen der bisherigen Strategie- und Planlosigkeit um ein Vielfaches teurer, so dass sich die Aufstellung eines ambitionierten Stadtentwicklungsplanes für die Gesamtstadt und die Stadtteile in jedem Fall bezahlt macht.
Es wird also Zeit auch für Bochum eine langfristig angelegte Stadtentwicklungsstrategie im Sinne eines städtebaulichen Masterplans zu entwickeln.
Volker Steude
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos
Autor:Dr. Volker Steude aus Bochum |
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