Die Pontonbrücke des kommunalen Grauens

Pontonbrücke, gesperrt wegen Hochwasser, noch vor der Beschilderungsorgie | Foto: Simplicius, Wikipedia
  • Pontonbrücke, gesperrt wegen Hochwasser, noch vor der Beschilderungsorgie
  • Foto: Simplicius, Wikipedia
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Früher konnte man mal von Linden nach Hattingen über Burgaltendorf direkt mit dem Bus fahren. Geht leider seit 2011 nicht mehr. Denn plötzlich und völlig unerwartet war die Dahlhauser Pontonbrücke über die Ruhr baufällig und für Busse damit unpassierbar geworden. Und leider hatten Bochum, Hattingen und Essen es völlig versäumt für eine eventuell irgendwann erforderliche Brückensanierung in den kommunalen Haushalten Vorsorge zu treffen. Unter konsequenter Anwendung des Fleskes-Prinzips hatte man sich jahrzehntelang an der Illusion festgehalten, die Brücke aus den 50er-Jahren sei unkaputtbar und es sei daher völlig unnötig, für ihre Instandhaltung irgendwelche Gelder im Haushalt einzustellen.

Schnell stellte sich jetzt jedoch heraus, dass in dem vorliegenden Fall selbst MacGyver machtlos war und die Brücke auch mit Schweizer Messer und Klebeband beim besten Willen nicht zu reparieren war.

Zwar machten es Probleme an den Lagern und Bolzen der Brücke bereits ab Oktober 2005 erforderlich, für die pro Tag etwa 3.500 PKW eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 10 km/h einzuführen, doch für die Lokalpolitik kam die 2011 zunächst erforderliche gänzliche Sperrung der Brücke angeblich trotzdem völlig überraschend. Wie gewohnt gab man sich von dem Ereignis tief erschüttert. Gleichzeitig reklamierte die Politik für sich, über das Phänomen des Verschleißes von Brücken von der Verwaltung total im Unklaren gelassen worden zu sein. Auch warb man um Verständnis, ein ehrenamtlicher Volksvertreter sei kein Fachmann in derlei Dingen. Die Verantwortlichen in Bezirk und Rat könnte daher für die Verschleppung der Misere überhaupt keine Schuld treffen, ebenso wenig wie bei den anderen mindestens drei Brücken, die wegen Baufälligkeit in Bochum ganz oder teilweise gesperrt werden mussten, weil die Instandhaltung über Jahre unterlassen wurde.

In bewährter Weise entwickelten die Verwaltungen nunmehr hektisch städteübergreifend Lösungen, um das Brückenproblem in den Griff zu bekommen. Die Brücke wurde mit einer Unzahl von Verkehrsschildern, Pfosten, Barrieren und Betonringen zu einem ausufernden Gesamtkunstwerk verschönert. Mal wieder zeigte sich eindrucksvoll, dass den Ruhrgebietskommunen in Sachen Flickschusterei, in ganz Europa fast niemand auch nur entfernt das Wasser reichen kann.

Eine ausgeklügelte Verkehrssteuerung wurde installiert, um sicher zu stellen, dass die Brücke nur einspurig in jeweils einer Richtung mit max. 10 km/h für Fahrzeuge unter 2,8t Gewicht zu befahren ist. Über eine Ampelanlage wurde der Verkehr zunächst so geregelt, dass die Brücke regelmäßig gleichzeitig von Fahrzeugen von beiden Ufern aus befahren werden konnte, bis die sich auf der Brückenmitte unversöhnlich gegenüber standen (Video: Verkehrsirrsinn Dahlhauser Brücke). Nach einer kurzen Diskussion, manchmal auch erst nach drei Runden Schnick-Schnack-Schnuck konnten sich die Fahrer unter den Anfeuerungsrufen der Zuschauer zumeist darauf einigen, wer von ihnen die Brücke im Rückwärtsgang als erster verlassen sollte. Ein Schauspiel, das an mindestens zwei Wochenenden zahllose Schaulustige zu einem Ausflug an die Ruhr lockte.

Leider wurde der von den Straßenbauämtern kunstvoll gesteckte Slalom zwischen den aufgestellten Pfosten, Barrieren Schildern und Betonkübeln immer wieder von unachtsamen Fahrzeugführern abgeräumt. So musste der anspruchsvolle Slalomkurs dann doch etwas entschärft werden, noch ehe Felix Neureuther hier seine Fähigkeiten unter Beweis stellen konnte. Weniger witzig war, dass es passieren konnte, dass aufgrund der undurchsichtigen Verkehrssituation Fahrzeuge mitten auf dem Gleisübergang vor der Brücke zum Stehen gezwungen wurden, während plötzlich wegen eines herannahenden S-Bahn-Zuges die beiden Schrankenanlagen schlossen und damit jedes Wegfahren unmöglich machten. In dieser Situation hätte es nur eine Devise gegeben, Auto verlassen, rennen und hoffen, dass der S-Bahn-Zug, bevor er die geliebte Blechkiste 200m vor sich her schleift, doch noch zum Stehen kommt. Dieses Szenario blieb den Brückenbenutzern dann zum Glück doch erspart.

Nichts erspart blieb jedoch den Busbenutzern. Seit 2011 werden sie mit dem Bus nur noch bis zum Anfang der Brücke gefahren, dann müssen sie zu Fuß über die Brücke laufen, um auf der anderen Ruhr-Seite in den dort zur Weiterfahrt wartenden Bus zu steigen. Für den Weg über die Brücke haben die Verkehrsbetrieb 3 Minuten Fußweg einkalkuliert (Info Bogestra).

Die Verantwortlichen konnten gerade noch abgehalten werden auf der Brücke Schilder aufzustellen, die ältere und behinderte Menschen zur Eile mahnen sollten. Schilder mit einem Piktogramm, dass Rollatoren beim Gang über die Brücke zu schultern seien, damit die Brücke in angemessenem Tempo überquert werden kann, wurden dann doch nicht mehr in den bestehenden Schilderwald integriert. Die Fahrgastzahlen zeigen, dass mittlerweile kaum jemand mehr die Bus-Linien von und zur Brücke benutzt, da sich offensichtlich kaum Fahrgäste die beschriebenen unwürdigen Umstände mehr antun wollen.

Als das Chaos auf der Pontonbrücke sein volles Ausmaß erreicht hatte, traten sämtliche betroffenen Ortsverbände insbesondere von SPD und CDU an die Presse, um ausschweifend das Problem zu beklagen und eine prompte Lösungssuche in Aussicht zu stellen. Nach nunmehr fast 17 Monaten kommt man jetzt allerdings kleinlaut zu der Einsicht, dass wohl die einzige Lösung des Problems, die seit Jahren überfällige Sanierung der Brücke sei. Ein eigentlich recht nahe liegender Lösungsansatz bei baufälligen Brücken. Nur in Sicht ist in dieser Richtung natürlich nichts. Kein Geld - Erst muss ja noch das Essener Fußballstadion und das „Musikzentrum“ fertig gebaut werden.

Statt gleich die Sanierung der Brücke zu veranlassen, kam man stattdessen zunächst auf teilweise recht abenteuerliche Ideen: Bedacht wurde der Einsatz von Kleinbussen auf der Linie mit einem Gewicht von weniger als 2,8t. Dieser scheiterte allerdings daran, dass die betroffenen Verkehrsbetriebe solche Busse gar nicht anbieten konnten. In Betracht gezogen wurde auch ein Taxibetrieb über die Brücke, der die Fahrgäste für einen kalten feuchten Handschlag und geschätzte 3,5 Euro/ Stunde die 3 Minuten von Bus zu Bus über die Brücke fahren sollte. Auch der fand sich, oh Wunder!, nicht.

Im Detail ungeprüft blieb der Vorschlag, die Fahrgäste am Essener Ufer in alte LKW-Schläuche auf der Ruhr umsteigen zu lassen, um sie dann stromabwärts gleich bis zum Ruhrbogen über die dort befindliche Stromschnelle raften zu lassen und sie in umgekehrter Richtung stromaufwärts in einer alten von einem Esel gezogen Kanalschaluppe zur Brücke transportieren zu lassen. Gerüchteweise scheiterte dieser Plan allein daran, dass der Kreis Ennepetal sich weigerte, die erforderlichen Weideflächen für die benötigten Grautiere bereit zu stellen. Der Kreis sah keine Veranlassung für eine derartige Hilfe, da die zu ersetzende Buslinie zwar kurz über Kreisgebiet fahre, aber im Kreis Ennepetal keine Haltestelle habe.

Sicher ist, spätestens in 5-10 Jahren wird der Zustand der Brücke sich derart verschlechtert haben, dass dann auch PKW diese nicht mehr passieren dürfen. Dass bis zu diesem Zeitpunkt eine Sanierung der Brücke veranlasst wurde, erscheint ausgeschlossen. Die Geschichte zeigt, dass vorausschauende Planung und Lokalpolitik sich im Ruhrgebiet aufgrund von Naturgesetzen grundsätzlich ausschließen.

Auf die Lösungen der Kommunalpolitik für das dann natürlich wieder ganz plötzlich und unerwartet auftretende Problem darf man aber schon jetzt gespannt sein. Vielleicht verfällt man dann auf die Idee, auf beiden Seiten der Ruhr mittels Anhängern von Autotransportern jeweils eine kleine Rampe aufzustellen. Mit ausreichender Geschwindigkeit könnte man dann in einem großen Sprung trockenen Fußes im Auto sitzend über die Ruhr springen. Ich erinnere mich, bei Colt Seavers hat das doch auch immer ganz gut geklappt… .

Volker Steude, BÄH-Bürger
(ruhrblogxpublik)

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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