Die Grenzen des Ehrenamtes
Auf dem Buß- und Bettagsempfang der Diakonie Ruhr erscheint der freiwillige Dienst zwischen Ausbeutung und Altruismus
Wohlfahrtsverbände lieben sie, weil sie zusätzliche Kreativität in die Einrichtungen tragen, mancher Politiker würde ihnen am liebsten noch mehr Verantwortung bei der Seniorenbetreuung geben: die Ehrenamtlichen.
Sind sie altruistische Helfer, Wirtschaftsfaktor oder sogar eine ausgebeutete Spezies? Beim Buß- und Bettagsempfang der Diakonie Ruhr wurde jedenfalls klar, dass der Staat sich nicht zu sehr auf freiwillige statt hauptamtlicher Helfer stützen sollte.
Auf dem Podium diskutierten Jens Dirksen (Leiter des WAZ-Kulturressorts), die Journalistin und Buchautorin Claudia Pinl sowie Gerrit Heetderks (Leiter des Ev. Erwachsenenbildungswerks Nordrhein). Es moderierte Katja Leistenschneider von Radio Bochum.
Jens Dirksen zeigte sich rückblickend dankbar dafür, dass der Staat ihn durch den Zivildienst sozial in die Pflicht genommen hatte. Nach einem Interview mit dem Philosophen Richard David Precht konnte er sogar dessen Idee von einem Pflichtjahr für Rentner etwas abgewinnen. „Den Vorschlag fand ich erst unverschämt, allerdings glaube ich, dass etwas Druck richtig ist“, sagte der Redakteur.
Claudia Pinl kritisierte, dass das Ehrenamt zunehmend das Hauptamt ersetzen muss: „Migrantenkindern am Nachmittag Deutsch beizubringen, ist eine lobenswerte Initiative. Eigentlich ist es aber die Aufgabe von Lehrern. Wenn ein städtisches Schwimmbad schließen muss und sich Leute finden, die es weiterbetreiben, darf das auch keine Dauerlösung sein.“
Situation in der Altenpflege
Besonders schwierig ist die Situation in der Altenpflege. Diakonie-Geschäftsführer Werner Neveling beklagte, dass das politische Konzept des Quartiersmanagements sich schleichend „vom pflegenden Angehörigen zum pflegenden Nachbarn“ ausweite. „Es scheint, als ginge es hier nur um kostengünstige statt professioneller Pflege.“ Ähnlich sah es Bochums Bürgermeisterin Gaby Schäfer. „Das eine darf das andere nicht ersetzen. Es geht nur Hand in Hand“, betonte sie. Dass dort, wo viele Ehrenamtliche tätig sind, auch immer feste Stellen zur Koordinierung entstünden, warf Gerrit Heetderks ein. Auch selbst ehrenamtlich Tätige mischten sich in die Diskussion ein, verwiesen auf die Freude, die ihnen ihre Aufgabe bringt.
Um eine dauerhafte Finanzierung staatlicher Aufgaben wie Bildung oder soziale und Gesundheitsversorgung sicherzustellen, sei eine stärke Besteuerung von hohen Einkommen die beste Lösung – darin waren sich Claudia Pinl und Jens Dirksen einig. Ein politischer Abschluss des Abends im Atrium der Stadtwerke Bochum. Endgültig beschloss ihn die Kirchenkabarettistin Ulrike Böhmer alias Erna Schabiewsky.
Autor:Felix Ehlert aus Bochum |
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