"Die Dezernenten tanzen dem Rat auf dem Kopf rum“

Der Rat der Stadt, lässt er sich von den Dezernenten auf dem Kopf rum tanzen? | Foto: Stadt Bochum
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"Die Dezernenten tanzen dem Rat auf dem Kopf rum“, so formulierte es unlängst ein Mitglied des Bochumer Stadtrates. Und genau diese Einschätzung trifft die Realität in Bochum sehr genau. Hilflos agiert der Rat nicht nur in Sachen Opel, in Sachen Wohnbaulandkonzept oder Wirtschaftsförderung. Konzepte von Ratsparteien oder Ratsmitgliedern sind nicht bekannt, es reicht gerade noch für Solidaritätsbekundungen und Absichtserklärungen. Die Verwendung von sinnleeren Worthülsen wie „Kreativwirtschaft“, „Innovationscluster“ oder „Exzellenzinitiative“ ist dagegen inflationär.

Die Politik macht in Bochum leider nicht der von den Bürgern gewählte Rat. Das hat vielmehr die Stadtverwaltung übernommen. Wenn im Stadtrat über Konzepte abzustimmen ist, dann kommen sie aus der Bürokratie und nicht von den Parteien. Das Ergebnis dieser Politik ist verheerend und man sieht es der Stadt an. Die Stadt ist total überschuldet und handlungsunfähig.

Der politische Aktionismus in Bochum besteht daraus, dass die Dezernenten systematisch die Fördertöpfe des Landes absuchen, um diese abzugrasen. Um angesichts leerer Kassen überhaupt an irgendwelches Geld zu kommen, beschäftigt die Verwaltung Spezialisten, die wortreiche sinnleere Konzepte formulieren, nur damit die jeweiligen Förderbedingungen erfüllt werden. Ob die Vorhaben für die Stadt überhaupt langfristig sinnvoll sind oder was diese für die Stadt für Folgekosten nach sich ziehen, spielt dabei so gut wie keine Rolle. Hauptsache in der Stadt wird irgendein neues Projekt angestoßen, für dessen Investitionskosten die Stadt nur zu 10-20% aufkommen muss. Eine zusammenhängende langfristige Strategie ist nicht erkennbar. Die Politik nickt jeden Vorschlag der Verwaltung ab, solange er nur gut klingt und der Anschub mit hohen Zuschüssen subventioniert wird.

Kommt es zu Fehlinvestitionen (z.B. Biomedizinpark) oder laufen die Folgekosten aus dem Ruder (z.B. U-Bahn), redet sich die Politik raus, man sei halt kein Profi und könne solche Dinge kaum beurteilen. In der Tat, Kommunalpolitiker sind ehrenamtlich tätig. Das rechtfertigt aber nicht, dass sie sich in Ämter wählen lassen, in denen sie Entscheidungen zu Dingen treffen, von denen sie wissen, dass sie davon gar keine Ahnung haben. Das ist schlicht verantwortungslos. Wenn man sich wählen lässt, dann trägt man die volle Verantwortung für alle Entscheidungen, die man mit getragen hat. Dazu gibt es nur zwei Alternativen: Traut man sich eine Entscheidung nicht zu, lässt man den Arm unten oder man lässt sich erst gar nicht wählen. Nur weil man für sein Amt nicht nennenswert bezahlt wird, kann man sich von der Verantwortung für seine Entscheidungen nicht frei sprechen.

Die Verantwortung für die Schuldenmisere der Stadt tragen insbesondere diejenigen Politiker, die in entscheidender Position im Rat bereits mehr als eine Wahlperiode sitzen. Wer eine Stadt in eine derart prekäre Lage manövriert oder dies zugelassen hat ohne der Entwicklung sicht- und hörbar entgegen zu wirken, hat schlicht versagt. In Unternehmen tauschen die Gesellschafter die Geschäftsführungen in solchen Fällen regelmäßig aus. In Bochum würden das die Wähler auch gerne tun. Allerdings fehlen ihnen die Alternativen.

Aber noch für eine zweite Tätigkeit lässt sich die Politik von der Verwaltung vor den Karren spannen. Sie nickt die Haushaltssicherungs- und Konsolidierungskonzepte ab, die die Verwaltung vorlegt. Die Verwaltung legt einen bunten Strauß Grausamkeiten vor und die Politik versucht sich zu profilieren, in dem sie sich für die Erhaltung des Vogelparks Wattenscheid und der Wasserspiele stark macht, ansonsten aber die eigentlich entscheidenden Maßnahmen wie Erhöhung der Gewerbe- und Grundsteuern oder der Abschöpfung der stadteigenen Betriebe nicht weiter hinterfragt und brav abnickt.

Auch eine Evaluierung, was die Konzepte der Verwaltung bewirkt haben, in wie weit die gesetzten Ziele erreicht wurden, findet nicht statt. Dazu fehlt der Politik letztlich wohl nicht nur die Kompetenz, sondern auch der echte Wille. Bescheinigt die Verwaltung sich hingegen selbst, ihre Konzepte wären toll, ist für die Politik schon alles gut. Dass sich trotz Haushaltssicherungskonzept über Haushaltssicherungskonzept die finanzielle Lage der Stadt nicht wirklich bessert, dürfte allen in der Politik aufgefallen sein. Dass der Stadt die Einwohner in Scharen weglaufen, weil die Stadt als unattraktiv wahrgenommen wird, sollte auch niemandem in der Politik entgangen sein. Ebensowenig, dass die Stadt überhaupt keine Strategien oder langfristigen Konzepte hat, wie sie wieder auf die Füße kommen soll.

Wie sollte die Politik auch zu solchen Strategien und Konzepten kommen? Mit ganzen 7(!) Ratssitzungen im Jahr? Mit diversen Ausschusssitzungen, bei denen man sich überwiegend durch Mitteilungen der Verwaltungen erklären lasst, wie die Verwaltung gerade die Aufgaben der Politik wahr nimmt bzw. was demnächst wieder abzunicken ist?

Dieser Art (keine) Politik zu machen, sondern dies der Verwaltung zu überlassen, ist eine wesentliche Ursache für die ungebremste Abwärtsentwicklung unserer Stadt. Die Politik muss das Heft des Handelns wieder selbst in die Hand nehmen. Die Politik muss einen glaubhaften Weg aufzeigen, wie sie die Stadt in den nächsten 20 Jahren entschulden und entwickeln will. Voraussetzung um überhaupt eine Strategie für die Zukunft der Stadt entwickeln zu können, wäre, dass die Politik systematisch alle Bereiche des städtischen Haushaltes und Lebens durchgeht, um zu klären: Wie lassen sich die Ziele günstiger erreichen?, Was ist überflüssig?, Auf was lässt sich verzichten?, Was sollte wie weiter entwickelt werden?, Was lässt sich wie besser organisieren?

Auch wird die Politik zielgerichtet selbst Antworten auf die Fragen suchen müssen: Wie kann man die Einwohner in der Stadt halten?, Wie kann man Unternehmen zur Ansiedlung in Bochum bewegen?, Welche Rolle will Bochum in der Metropole Ruhr einnehmen? und Wie kann man die Bürger besser in die Entscheidungen, die in der Stadt zu treffen sind, einbinden? Den Weg, den die Politik mit der Beantwortung dieser Fragen einschlägt, wird entscheidend das Image der Stadt beeinflussen und weg führen von dem aktuellen Bild einer Stadt, die schon lange die finanzielle Kontrolle über die Finanzen verloren hat und nur noch versucht durch billige Pop-Events, von der verheerenden Wirklichkeit abzulenken.

In jedem Fall muss die Politik die Lösungen und Konzepte, die zukünftig die Stadt prägen sollen, selbst suchen und selbst entwickeln und darf dies nicht allein der Verwaltung überlassen.

Will die Politik ernsthaft den Karren aus dem Dreck ziehen, wird man sich mehr reinhängen müssen. Eine Verdoppelung der Anstrengungen wäre für den Anfang wünschenswert. In mindestens 20 Rats- und entsprechend mehr Ausschusssitzungen, sollte die Politik sich mit allen Bereichen des städtischen Haushaltes und Lebens innerhalb eines Jahres systematisch beschäftigen können. Auf diese Weise wäre es endlich möglich die Politik in Bochum auf eine neue solide Grundlage zu stellen.

Politiker, die nicht bereit sind, die erforderliche Zeit für diesen Paradigmenwechsel zu opfern oder weiterhin nicht bereit sind, die Verantwortung für die zukünftige Stadtentwicklung selbst zu übernehmen, statt sie weiter der Verwaltung zuzuschieben, sollten von einer Kandidatur zur nächsten Kommunalwahl hingegen absehen.

Volker Steude, BÄH - Bochum ändern mit Herz
(ruhrblogxpublik)

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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