Das achte Gebot

Die Zehn Gebote wurden früher nicht nur als "Magna Charta" des religiösen Lebens, sondern auch als unverzichtbare Grundlage aller Gesellschaften angesehen - davon ist heute nicht mehr viel übrig geblieben. Dass sich jeder Einzelne in unsere Gesellschaft immer mehr von den zehn Geboten entfernt, wird vermutlich an keinem anderen Gebot so deutlich wie am 8. Gebot: "Du sollst nicht lügen".

Die Menschen sind trickreich, wenn sie angesichts von offiziellen Regelungen und dem entgegenstehenden Eigeninteresse nach Schlupflöchern suchen. Besonders wichtig ist es dann, diese Schlupflöcher fantasievoll und möglichst positiv zu benennen. Während in den Begriffen "Notlüge", "Höflichkeitslüge" oder "White Lies" immer noch der Begriff "Lüge" den eigentlichen Tatbestand verrät, sind viele Menschen schon weiter: Sie bemerken es nicht einmal mehr, wenn sie die Unwahrheit sagen: "Manche Psychologen und Kommunikationsforscher behaupten nämlich, wir würden um die 200 mal am Tag lügen; geht man davon aus, dass wir 16 Stunden täglich wach sind, würde das bedeuten, dass wir 12,5 mal pro Stunde die Wahrheit verdrehen."
Und doch funktioniert unsere Gesellschaft und die meisten sind nicht unglücklich dabei. Was ist also so schlimm an der Lüge? Sollten wir nicht - wie angeblich in China - ehrlich sein, indem wir zu unserer Unehrlichkeit stehen?

Bei Wikipedia heißt es:
Eine Lüge ist eine Aussage, von der der Sender (Lügner) weiß oder vermutet, dass sie unwahr ist, und die mit der Absicht geäußert wird, dass der oder die Empfänger sie trotzdem glauben oder auch „die (auch nonverbale) Kommunikation einer subjektiven Unwahrheit mit dem Ziel, im Gegenüber einen falschen Eindruck hervorzurufen oder aufrecht zu erhalten.“
Weiter heißt es:
Lügen dienen dazu, einen Vorteil zu erlangen, zum Beispiel um einen Fehler oder eine verbotene Handlung zu verdecken und so Kritik oder Strafe zu entgehen.
Gelogen wird auch aus Höflichkeit, aus Scham, aus Angst, Furcht, Unsicherheit oder Not („Notlüge“), um die Pläne des Gegenübers zu vereiteln oder zum Schutz der eigenen Person, anderer Personen oder Interessen (z. B. Privatsphäre, Intimsphäre, wirtschaftliche Interessen), zwanghaft/pathologisch oder zum Spaß.

Manche Menschen, wie zum Beispiel Jean-Claude Juncker, langjähriger Regierungschef Luxemburgs, ehemaliger Chef der Eurogruppe - und wohl ab heute der neue Präsident der EU-Kommission sprechen ganz offen darüber:

"Wenn es ernst wird, muss man lügen." (auf einer Abendveranstaltung zur Euro-Krise in Brüssel im April 2011 dapd, zitiert nach spiegel.de)

Eine Form der Lüge ist das Verheimlichen der Tatsachen, z.B. beim geplanten Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA, dem „TTIP“.

Eine andere Form ist das Beschönigen von Tatsachen, sei es, dass Statistiken politisch „interpretiert“ werden oder einseitige Berichterstattungen unserer Qualitätsmedien.

Eine weitere Form ist das angebliche „Nichtwissen“.
Herr de Maziere erinnerte sich nicht an seine Drohnen. Herr Finanzminister Schäuble erinnerte sich an gar nichts, egal was man ihn fragt. Herr Pofalla erinnert sich nicht an die NSA ("Was ist das?"). Herr Friedrich auch nicht ("Ist da was?"). Und für Frau Bundeskanzlerin Merkel ist es schlicht „Neuland“.
Diese „Epidemie“ hat bereits den Atlantik übersprungen. Herr Obama weiß nichts von der Überwachung der Kanzler Handys. Die Bushs' wussten auch immer nix, doch bei denen liegt's in der Familie. Man kann fast schon von einer General-Amnesie sprechen.

Wir können aber ganz beruhigt sein, denn alles geschieht ja nur in unserem Interesse. Im Interesse der Bevölkerung.

Deshalb werden wahrscheinlich auch Slogans wie „Mut zur Wahrheit“ bekämpft und als rechtsradikal verteufelt. Denn das kann nicht das Interesse der Bevölkerung sein.

Siehe auch meine Artikel: http://www.lokalkompass.de/bochum/politik/politische-wahrheit-d314872.html vom 1.7.2013
und
http://www.lokalkompass.de/bochum/politik/es-stinkt-aber-wir-tragen-nasenklammern-d333840.html vom 20.8.2013