Stadtpolitik
CDU im Bochumer Stadtrat verliert ihren moralischen Kompass
Zwei Mitglieder der CDU-Ratsfraktion stimmen offenbar für die Wahllisten der Afd. Zwei weitere Mitglieder der CDU stimmen gegen die eigene Fraktion um das Demokratieprinzip bei der Ausschussbesetzung zu unterlaufen. CDU-Ratsmitglied Marcus Stawars bezeichnet die Partei die PARTEI ohne jeden Anlass als "widerliche Truppe".
Alle drei Vorfälle geschehen an einem Tag, bei der Sitzung des Bochumer Stadtrates am 17.12.20.
Zwei Stimmen für die Afd
In Folge der Querelen in der Bochumer Ratsfraktion erreicht die CDU im Rat einen weiteren Tiefpunkt. Die Wahlen zu den fast 200 Posten der Ratsmitglieder in den Aufsichtsgremien der Einrichtungen und Unternehmen, an denen die Stadt Bochum beteiligt ist, beginnen mit einem Paukenschlag. Bei der geheimen Wahl zum Aufsichtsrat der Sparkasse fehlen der CDU-Liste zwei Stimmen, dafür hat die Afd-Liste zwei Stimmen mehr.
Offensichtlich hatten zwei Mitglieder der CDU-Ratsfraktion auf der Liste der Afd ihr Kreuzchen gemacht und nicht bei der CDU. Auf die Wahllisten der anderen Fraktionen entfielen genau so viele Stimmen, wie Mitglieder der jeweiligen Fraktionen anwesend waren. Die Fraktion “Die PARTEI und STADTGESTALTER” hatte sich dazu entschieden nicht an den Wahlen teilzunehmen.
Dass zwei von den jeweils drei Ratsmitglieder von FDP oder UWG: Freien Bürgern statt die CDU-Liste die Afd-Liste gewählt haben, wäre rein theoretisch ebenfalls möglich, realistisch ist das jedoch nicht. Das war auch dem Fraktionsvorsitzende Haardt sofort klar. Er beantragte eine Sitzungsunterbrechung, es folgt im Vorraum des provisorischen Ratssaals der Jahrhunderthalle eine lautstarke Ansprache des Fraktionsvorsitzenden an seine Fraktion. Doch die wirkte nur bedingt. Bei fast allen folgenden Wahlen stimmte immer noch ein Ratsmitglied statt für die CDU-Listen, für die Afd.
Nachdem der Fraktionsvorsitzende Haardt zuvor noch anderen politischen Gruppierungen vorgeworfen hatte, dass sie sich nicht daran beteiligen würden, zu verhindern, dass die Afd in den entsprechenden Gremien vertreten ist, waren es jetzt wohl Personen aus seiner eigenen Fraktion, die der Afd zu den entsprechenden Posten verholfen haben.
Warum Ratsmitglieder statt der CDU-Liste wohl die Afd-Liste gewählt haben, darüber lässt sich nur spekulieren. Natürlich wäre es möglich, dass sich zwei Fraktionsmitglieder politisch der Afd mittlerweile näher fühlen als der CDU, wahrscheinlicher erscheint, dass zwei Ratsmitglieder dem Fraktionsvorsitzenden Haardt und seinen Gefolgsleuten einen Denkzettel verpassen wollten, nachdem dieser trotz großem Widerstand in der eigenen Fraktion doch wieder den Vorsitz der CDU-Fraktion erringen konnte (WAZ vom 03.11.20).
Der verbale Ausfall des CDU-Ratsmitglieds Marcus Stawars
Zu Beginn der Ratssitzung kam es zu einem zweiten unschönen Vorfall. Der beim Kampf um den Fraktionsvorsitz unterlegene Marcus Stawars rief einer Gruppe von Mitgliedern der Partei “Die PARTEI” “widerliche Truppe” zu. Offenbar lagen bei ihm ob der anstehenden Wahlen bereits die Nerven blank.
Das Demokratieprinzip hat für die CDU wenig Wert
Dass der fraktionsinterne Kampf offenbar jeden politischen Anstand in der CDU-Fraktion auf einen Tiefpunkt hat sinken lassen, zeigte sich abschließend ein drittes Mal. Bei der Neuwahl der Ausschüsse, stimmten die Ratsmitglieder Hans Hennecke und Julian Meischein, bei allen Wahlen nicht für die CDU-Liste, sondern für die Fraktion “UWG; Freie Bürger”. Dabei stimmten sie sogar dann nicht für die eigene CDU-Liste, wenn sie selbst auf dieser zur Wahl standen.
Mit ihren Leihstimmen verfolgte die CDU das Ziel der Fraktion "UWG: Freie Bürger" zu einem ordentlichen Sitz in den Ausschüssen zu verhelfen und einen solchen Sitz für die Fraktion “Die PARTEI und STADTGESTALTER” zu verhindern. Damit erfüllte die CDU ihren Teil des Deals mit der Fraktion “UWG: Freie Bürger”, die im Gegenzug der CDU mit ihren Stimmen bereits zu diversen Aufsichtsratsposten verholfen hatte.
Dabei interessierte die CDU auch nicht, dass sie mit ihrem Stimmverhalten in rechtswidriger Weise das Demokratieprinzip unterlief. Nach diesem verfassungsrechtlichen Grundsatz sind die Ausschüsse des Rates spiegelbildlich zu den Mehrheitsverhältnissen im Stadtrat selbst zu besetzen. Die Sitze sind nach der Stärke der Fraktionen zu verteilen. Danach stand PARTEI und STADTGESTALTERN ein Sitz zu, Die ein Ratsmitglied kleineren Fraktionen “UWG: Freie Bürger” und “FDP im Rat” hätten sich über die Besetzung des verbleibenden Sitzes einigen müssen.
Die Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht ist in diesem Punkt unmissverständlich: “Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 80, 188) muss grundsätzlich jeder Ausschuss des Bundestags ein verkleinertes Bild des Plenums sein und in seiner Zusammensetzung die Zusammensetzung des Plenums widerspiegeln. Aus dem Prinzip der demokratischen Repräsentation und der Einbeziehung der Gemeinderäte in dieses Prinzip folgt, dass für Ratsausschüsse das Gleiche gilt. Auch diese dürfen nicht unabhängig von dem Stärkeverhältnis der Fraktionen besetzt werden, über das die Gemeindebürger bei der Wahl der Ratsmitglieder mitentschieden haben. Vielmehr müssen auch diese Ausschüsse grundsätzlich als verkleinerte Abbilder des Plenums dessen Zusammensetzung und das darin wirksame politische Meinungs- und Kräftespektrum widerspiegeln (vgl. Urteil vom 27. März 1992 BVerwG 7 C 20.91 a.a.O.). Aus diesem Grund haben die einzelnen Fraktionen Anspruch auf Berücksichtigung bei der Ausschussbesetzung nach Maßgabe ihrer jeweiligen Mitgliederzahl (vgl. Beschluss vom 7. Dezember 1992 BVerwG 7 B 49.92 a.a.O.). Hat eine Fraktion demnach einen Anspruch auf mehrere Sitze in einem Ausschuss, kann sie diese auch beanspruchen. (BVerwG 8 C 18.03)”
Entsprechend wird die Fraktion “Die PARTEI und STADTGESTALTER” vor dem Verwaltungsgericht die Ausschusswahlen beanstanden und beantragen die Wahl aufgrund ihrer Rechtswidrigkeit für ungültig zu erklären. Im Erfolgsfall müssten die Ausschüsse ein drittes Mal gewählt werden.
Was ist die Ursache für die Querelen in der CDU-Ratsfraktion?
Die drei Vorfälle zeigen, offenbar hat die CDU-Ratsfraktion ihren moralischen Kompass aufgrund der internen Querelen verloren. Das hat viel mit der schmerzhaften Niederlage bei der Kommunalwahl zu tun, bei der Christian Haardt als OB-Kandidat der CDU nicht mal ein Drittel so viel Stimmen erringen konnte wie der Wahlsieger Thomas Eiskirch. Statt mit zuletzt 22 sitzt die CDU in dieser Wahlperiode nur noch mit 18 Mitgliedern im Rat, Bis 2004 waren es sogar noch 27 Ratssitze, die die CDU besetzen konnte.
Die unbeirrte Weigerung des Fraktionsvorsitzenden Haardt in der letzten Wahlperiode mit den anderen Oppositionsfraktionen strategisch und konstruktiv zusammenzuarbeiten, war letztlich die wesentliche Ursache für die Wahlschlappe. So sahen die Wähler bei der Kommunalwahl im September zu Rot-Grün keine wählbare Alternative, die die bestehende Koalition hätte ablösen können.
Man stelle sich vor, die Opposition hätte sich bei den vielen kritischen Themen der letzten Wahlperiode konsequent, gemeinsam und sichtbar gegen die Koalition positioniert. Eine zu wesentlichen Punkten geschlossen auftretende Opposition hätte sich für eine Wahl ganz anders profiliert. Das Wahlergebnis wäre aller Voraussicht nach deutlich anders ausgefallen. Aber der Fraktionsvorsitzende will und wollte nie Oppositionsführer sein und hat immer wieder lieber gegen die anderen Fraktionen gearbeitet als mit ihnen.
So begann die neue Wahlperiode wie die alte. Nur für die Postenverteilung bei Ausschüssen und Aufsichtsgremien waren der CDU die anderen Fraktionen wichtig. Die Chance jetzt endlich ein gemeinsames strategisches Zusammenwirken der Oppositionsfraktionen ins Auge zu fassen, war auch diesmal nie Gegenstand von Gesprächen. Es ging wieder nur um Posten.
Ohne ein Mindestmaß an gemeinsamen strategischem Vorgehen zwischen den Oppositionsfraktionen wird es für die Opposition auch 2025 unmöglich sein sich als Wahlalternative zur rot-grünen Koalition zu profilieren. Ein Fraktionsvorsitzender, dem das Verständnis für diesen Zusammenhang fehlt und mit dem die anderen Oppositionsfraktionen sich nur noch widerwillig an einen Tisch setzen, wird den Niedergang der CDU im Rat der Stadt nicht umkehren können. Sein parteiinterner Gegenspieler Stawars hat sich nach der letzten Ratssitzung leider selbst ins Abseits gestellt.
Wer kann die CDU wieder auf Kurs bringen?
Die Ratsfraktion der CDU in Bochum sucht eine/n Fraktionsvorsitzende/n, der oder die einige wichtige Eigenschaften mitbringen muss: Politische Erfahrung wäre wünschenswert. Die Fraktion muss der oder dem Vorsitzenden zutrauen zwischen den wohl ziemlich heterogenen politischen Ansichten und Interessen der Fraktionsmitglieder einen Ausgleich zu finden. Dazu müsste der- oder diejenige strategisch denken, die Rolle als Oppositionsführer/in ausfüllen wollen und schließlich noch bei den anderen Oppositionsfraktionen ein Ansehen als gleichermaßen verbindliche wie konstruktive Persönlichkeit genießen oder sich aufbauen können. Gibt es es jemanden mit diesem Format in der CDU-Fraktion?
Autor:Dr. Volker Steude aus Bochum |
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