Inakzeptabel
BOGESTRA bekommt Instandhaltung von Aufzügen und Rolltreppen nicht in den Griff
Dass Rolltreppen oder Aufzüge für Wochen, Monate oder sogar Jahre ausfallen, ist bei der Bochumer BOGESTRA kein Einzelfall. Ursache ist jedoch – anders als das Unternehmen es darstellt - nicht, dass Ersatzteile aus Asien nicht geliefert werden, sondern dass die Instandhaltung des Unternehmens schlecht organisiert ist. Die vielfältigen Probleme beleuchtet dieser Beitrag.
De Ausgangslage ist beschämend, jede sechste Rolltreppe der BOGESTRA funktioniert nicht und das immer wieder über Wochen, Monate oder sogar Jahre (WAZ vom 30.01.2024). Von 53 Aufzügen sind aktuell sechs “bis auf Weiteres außer Betrieb” (Aktuelle Aufzugsstörungen BOGESTRA), das sind über 11%. Fahrgäste, die auf Aufzüge angewiesen sind, werden in 5 von 6 Fällen aufgefordert, zu anderen Stationen zu fahren, umzusteigen und von da zur eigentlichen Zielstation mit der gleichen oder einer anderen Linie zu fahren. Und das für einen unbestimmten Zeitraum. Eine solche Behandlung der Kunden ist unzumutbar, blamabel und inakzeptabel.
Kundeninteressen stehen nicht im Fokus der BOGESTRA
Die Zustände sagen viel darüber aus, welchen Stellenwert Fahrgäste und Kunden bei der BOGESTRA besitzen. Interessen und Belange der Kunden stehen weder im Fokus des Unternehmens noch der Politik, beide sind vorrangig daran interessiert, dass es den Beschäftigten der BOGESTRA gut geht, Kunden und deren Bedürfnisse spielen allenfalls nachrangig eine Rolle. Statt die BOGESTRA aufzufordern, die Missstände endlich abzustellen, sehen sich die Ratsmitglieder von SPD und Grünen - wie zuletzt in der Ratssitzung am 01.02.2024 - allenfalls verpflichtet, zu erklären, dass alles nicht so schlimm wäre und die Beschäftigten eine gute Arbeit machen würden. An Lösungen im Sinne der Kunden, ist man nicht interessiert.
Beispiel Rolltreppe Pieperstraße
Ein typischer Fall für die Misere stellt die Rolltreppe Pieperstraße der Station Schauspielhaus dar. 23 Jahre nach Fertigstellung der Station wurden die Rolltreppen an dieser Haltestelle Ende des Jahrs 2000 aufgrund des hohen Kostenaufwands beim Betrieb der alten Fahrtreppen getauscht. In den ersten drei Jahren nach der Inbetriebnahme kam es an den vier neuen Treppen nach Aussage der BOGESTRA zu ca. 590 Störungen bzw. Außerbetriebnahmen (Mitteilung 20032686). Die Rolltreppen standen mehr als sie liefen.
Schon vor Jahren, der genaue Zeitpunkt ist nicht mehr bekannt, fällt die Rolltreppe Pieperstraße dann endgültig aus. Die BOGESTRA schaffte es bis heute nicht, diese wieder lauffähig zu bekommen. Sie streitet stattdessen mit dem Hersteller, wer die Schuld an den dauernden Ausfällen trägt. Es werden immer wieder neue Termine genannt, wann die Treppe wieder laufen soll, zuletzt sollte bis Ende September 2023 eine Generalreparatur erfolgen, Stand jetzt soll die Wiederinbetriebnahme irgendwann 2024 erfolgen. Öffentlich einen genauen Termin zu nennen, wagt die BOGESTRA nicht mehr.
Der Fall zeigt, die BOGESTRA ist mit der Instandhaltung völlig überfordert und trägt den Streit mit dem Hersteller über die Gewährleistung auf Kosten der Kunden aus. Die Treppe hätte lange komplett getauscht werden müssen. Die Kunden haben Anspruch auf eine laufende Rolltreppe. dieser wird aber von der BOGESTRA ignoriert.
Was läuft bei der Instandhaltung falsch?
Es stellt sich die Frage, warum ist die BOGESTRA nicht in der Lage die Rolltreppen und Aufzüge ordnungsgemäß Instand zu halten und zeitnah zu reparieren. Warum bekommt die BOGESTRA nicht hin, was in Einkaufszentren, und Großstädten weltweit üblich und selbstverständlich ist.
Die Ursachen sind vielschichtig: Die BOGESTRA hat bei Rolltreppen und Aufzügen immer wieder andere Modelle unterschiedlicher Hersteller eingebaut. Für eine Vielzahl verschiedenster Baureihen und Herstellervarianten Ersatzteile vorzuhalten ist aufwendig und teuer. Das Unternehmen bevorratet, um Kosten zu sparen, zu wenige Ersatzteile.
Darüber hinaus kann die BOGESTRA grundlegende Reparaturen nicht selbst durchführen, sondern beauftragt Fremdfirmen, mit denen aber keine Vereinbarungen bestehen, dass diese umgehend tätig werden und die Reparaturen innerhalb festgelegten Fristen durchführen müssen.
Auch sind Instandhaltung und Wartung von Rolltreppen wie Aufzügen bisher nicht mit anderen Nahverkehrsunternehmen abgestimmt. Eine gemeinsame Instandhaltungs- und Wartungsabteilung der Nahverkehrsunternehmen des VRR gibt es nicht. Man hat es über Jahrzehnte versäumt VRR-weit gemeinsam gleiche Baureihen von Rolltreppen und Aufzügen zu kaufen, um deren Instandhaltung- und Wartung sowie die Bevorratung der Ersatzteile dann gemeinsam zu organisieren. Immerhin koordiniert die BOGESTRA mittlerweile zumindest den Einkauf von neuen Rolltreppen mit Kooperationspartnern der Metropole Ruhr.
Das eigentliche Problem besteht darin, dass viele Anlagen überaltert und entsprechend verschlissen sind, aber immer noch betrieben werden, die eigentlich längst hätten ausgewechselt werden sollen. Rolltreppen haben im Schnitt eine Lebensdauer von 20-30 Jahren, ehe eine Kompletterneuerung oder ein Austausch erforderlich ist. Die Anlagen der BOGESTRA sind teilweise 35 Jahre und älter. 170 Rolltreppen betreibt die BOGESTRA. 4-6 werden pro Jahr getauscht (Mitteilung 20190255). Im Schnitt sind die Treppen also fast 34 Jahre alt, ehe sie erneuert werden.
Das Märchen von der schwierigen Ersatzteilbeschaffung aus Asien.
Je mehr Jahre die Treppen über die eigentlichen Lebenszeiten laufen, um so fehleranfälliger werden sie und um so schwieriger wird es für bereits lange Zeit nicht mehr gebaute Modelle noch Ersatzteile zu bekommen.
Anders als die BOGESTRA behauptet, ist die Überalterung der Treppen der Hauptgrund für die Schwierigkeiten Ersatzteile zu bekommen, nicht, dass sie - wie mittlerweile fast alle technischen Anlagen - in Asien gefertigt werden (Bochumer motzen wegen Rolltreppen-Irrsinn – BOGESTRA reagiert). Zumal sämtliche großen Rolltreppenhersteller bis auf Mitsubishi Electric nicht in Asien ansässig sind (Otis, ThyssenKrupp, Schindler und Kone) und die BOGESTRA keine Rolltreppen von Mitsubishi unterhält. Alle Hersteller betreiben seit etlichen Jahren Produktionsstandorte in Asien. Aber wie Automobilhersteller oder andere Anlagenbauer auch, sind die erforderlichen Ersatzteile für aktuelle Modelle auch in Europa und Deutschland vorrätig, nur für Oldtimer und Spezialanfertigungen ist die Besorgung nachvollziehbar schwierig.
Das Argument, die Rolltreppen und Aufzugshersteller seien wegen der Fertigung in Asien an der Misere schuld, ist also eine Ausrede. Das Problem liegt im Wesentlichen bei der BOGESTRA selbst.
Reorganisation der Instandhaltung und Wartung von Rolltreppen und Aufzügen
Die Instandhaltung und Wartung von Rolltreppen und Aufzügen muss bei der BOGESTRA grundlegend neu organisiert werden. Das Wichtigste ist, dass das Unternehmen in Zukunft die entsprechenden Tätigkeiten zusammen mit den anderen Nahverkehrsunternehmen des VRR aus einer Hand organisiert und die Ersatzteile zentral für alle bevorratet werden. Gemeinsam müssen die Unternehmen gleichartige Modelle, gleicher Hersteller einkaufen, um die Zahl der benötigten und zu bevorratenden Ersatzteile erheblich zu reduzieren.
Bereits beim Bau von Stationen sollte darauf geachtet werden, dass soweit irgend möglich nur Standardtreppen.- und -aufzüge zum Einsatz kommen und auch davon möglichst wenige. Hier wurden in der Vergangenheit Fehler gemacht, die jetzt hohen Folgekosten nach sich ziehen. Eine Rolltreppe plus Aufzug auf eine Zwischenebene und jeweils eine weitere Anlage auf den Bahnsteig, verdoppelt die Ausfall- und Reparaturwahrscheinlichkeit und lässt die Kosten immens steigen. Ein Aufzug und eine Rolltreppe direkt auf den Bahnsteig sind auf Dauer günstiger. Spezialanfertigungen wie überlange Rolltreppen und Schrägaufzüge, sind in der Instandhaltung wie der Ersatzbeschaffung ebenfalls extra teuer und aufwendig. Bei der Planung zukünftiger Stationen muss also bereits der daraus folgende Instandhaltungsaufwand berücksichtigt werden.
Ebenfalls von entscheidender Bedeutung, Aufzüge und Rolltreppen müssen rechtzeitig getauscht werden, wenn das Ende des Lebenszyklus erreicht ist und bevor die Reparaturanfälligkeit steigt und die Ersatzteilversorgung der Baureihen nicht mehr sichergestellt ist.
Defizite bei der BOGESTRA vielfältig
Die Misere bei Instandhaltung von Wartung von Rolltreppen und Aufzügen wirft ein Schlaglicht auf die Leistungsfähigkeit der BOGESTRA. Diese ist nicht nur in diesem Bereich bedenklich gering, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sowie das kundenfeindliche wie ineffiziente Ticket- und Fahrscheinsystem (VRR: Fahrgäste gefangen im Tarifdschungel) sind in dieser Hinsicht weitere Baustellen.
Auch zeigt dieser Fall, warum die Kosten bei dem Unternehmen aus dem Ruder laufen. Man ist bisher nicht bereit, die Kosten durch konsequente Zusammenarbeit mit den anderen Nahverkehrsunternehmen des VRR nachhaltig zu senken. Den Willen zur Kooperation mit anderen Unternehmen gibt es zwar auf dem Papier, Zusammenarbeit, da wo sie naheliegend, sinnvoll und im Sinne der Fahrgäste und Städte zwingend erforderlich ist, gibt es jedoch oft nicht.
Erschreckend ist zudem, was die BOGESTRA meint, den Kunden und Fahrgästen zumuten zu können. Wäre Kundenzufriedenheit das oberste Unternehmensziel und stünden die Fahrgäste im Mittelpunkt des Unternehmensinteresses, dürfte es zu dem beschriebenen Verhalten gegenüber den Kunden niemals kommen.
BOGESTRA befindet sich in einer ernsthaften Krise
Betrachtet man neben den schweren Defiziten bei Instandhaltung und Wartung, die schwindenden Fahrgastzahlen (Fahrgastschwund – Alarmierende Entwicklung bei der BOGESTRA), die Explosion des Unternehmensverlusts, die zu einem Anstieg des städtischen Zuschusses von 60 auf 90 Mio. geführt hat, sowie das jetzt schon absehbare eklatante Verfehlen der Unternehmensziele, wie der angestrebten Verdoppelung der Kundenzahlen bis 2030, so ist zu erkennen, dass die BOGEESTRA sich in einer ernsthaften Unternehmenskrise befindet, die dringend eine grundlegende Restrukturierung des Unternehmens erforderlich macht.
Autor:Dr. Volker Steude aus Bochum |
2 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.