OB-Wahl 2025
Bochumer Opposition sucht junge, kluge, zukunftsorientierte OB-Kandidatin
SPD und Grüne wollen den pensionierten, ehemaligen Bochumer Polizeipräsidenten Jörg Lukat als Oberbürgermeister vorschlagen. Was bedeutet das für die Stadt und die Opposition im Stadtrat?
Jörg Lukat (62), ehemaliger Chef der Bochumer Polizei, ist als freundlich, verlässlich und sympathisch bekannt. Doch ist er deswegen bereits der richtige für das Amt des Oberbürgermeisters? Auch Erfahrungen mit der Leitung einer Behörde mit fast 2.000 Beschäftigten hat er. Er sollte also auch die Stadtverwaltung leiten können.
Polizei- und Stadtverwaltung sind verschiedene Welten
Jedoch unterscheiden sich Polizei- und Stadtverwaltung in vielen Bereichen sehr grundsätzlich. Die Polizei ist streng hierarchisch organisiert, alle wesentlichen Abläufe gibt das Land per Verordnung oder Gesetz vor. Lukats Aufgabe war es nie die Behörde zu reformieren oder wesentlich weiterzuentwickeln. In Bochum wäre eine seiner wichtigsten Aufgaben die Verwaltung zu reorganisieren, schneller und schlanker zu machen sowie diese zu modernisieren. Diese Aufgabe hatte er bei der Polizei nicht, diesen Job hat er noch nie gemacht
Stadtverwaltung und städtische Unternehmen werden unter Beachtung gesetzlicher Vorgaben im Wesentlichen von der Stadt selbst organisiert. Für Bochum sieht die Bochum-Strategie vor, die Stadt zur Vorreiterin modernen Stadtmanagements zu machen. Die reine Behördenleitung wird also nicht die primäre Aufgabe des neuen OBs sein, sondern die Stadtbehörden und –unternehmen fit für die Zukunft zu machen und sie entsprechend neu zu aufzustellen. Nötig ist zudem eine erhebliche Reduzierung des Personalaufwands zu erreichen und die sich in finanzieller Schieflage befindlichen städtischer Unternehmen (SBO und BOGESTRA) zu sanieren.
Die Strukturen bei der Polizei sind dagegen fest vorgegeben, ebenso das Finanzbudget, daran konnte der Polizeipräsident nie maßgeblich etwas ändern. In der Stadtverwaltung ist beides flexibel. Es hängt wesentlich vom Geschick und vom politischen Kurs des OB und der Politik ab, ob der städtische Haushalt am Ende mit einem Minus oder einem Plus dasteht. Das alles wäre für den ehemaligen Polizeipräsidenten völliges Neuland.
Wesentliche Aufgaben des OB sind zukünftige Stadtentwicklung und -gestaltung
Ebenso ist der Oberbürgermeister entscheidend für die zukünftige Entwicklung und Gestaltung der Stadt. Faktoren wie Stadtbild, Stadtgestaltung, Lebensqualität und Verkehrsorganisation entscheiden darüber, ob die Stadt wächst, also Menschen und Unternehmen gewinnt, oder sie weiter verliert. Auch damit hat Jörg Lukat keine Erfahrungen.
Als Polizeipräsident ist er nicht dadurch aufgefallen, von der Stadt die beschleunigte Schaffung einer modernen Verkehrsinfrastruktur einzufordern, um Unfälle zu verhindern und die Sicherheit der alternativen Verkehrsmittel zu stärken. Es blieb bei der polizeilichen Verkehrsüberwachung und öffentlichkeitswirksamem Aktionismus. Statt z.B. der Stadt einen fachgerechten Ausbau der Springorumtrasse mit getrenntem Rad- und Gehweg vorzuschlagen, damit die Trasse gleichermaßen gut und ohne Konflikte von Menschen zu Fuß und auf dem Rad zu nutzen ist, stellte in einer Aktion mit der Stadt öffentlichkeitswirksam Schilder für mehr Rücksichtnahme auf (Vorfahrt für Rücksicht: Schilder werben auf Geh- und Radwegen für faires Miteinander), deren Wirksamkeit bezweifelt werden darf, denn es gab noch nie eine Kampagne für mehr Verkehrssicherheit, von der im Nachgang nachgewiesen wurde, dass sie irgendwas gebracht hat (Fachleute halten nichts von Verkehrskampagnen).
Dass Verkehrssicherheit und Vision Zero besonders durch bauliche Maßnahmen zu erreichen sind, zu denen auch die Polizei im Rahmen ihrer Aufgaben die Stadt auch öffentlichkeitswirksam drängen müsste, hat Lukat als Polizeipräsident nicht als seine Aufgabe gesehen (Polizei Bochum muss mehr für Vision Zero tun). Er blieb bei klassischen Polizeimaßnahmen, Bußgelder verteilen und öffentlichkeitswirksam mit Kampagnen aufklären.
Offen ist, ob Lukat in seiner Rolle als Oberbürgermeister komplett umdenken könnte und es ihm gelänge, statt der Verwaltung des Istzustandes , die Gestaltung und Entwicklung von Stadt und Zukunft in den Mittelpunkt seiner Politik zu stellen.
Innovationsfähigkeit und Bereitschaft neue Wege zu gehen
Auch sein vergleichsweise hohes Alter steht eher für Erfahrung, aber nicht für Innovation, Kreativität und die Bereitschaft neue Wege zu gehen. Eigentlich ist Lukat mit 62 bereits in Pension gegangen. Es ist davon auszugehen, dass er nur ein Übergangs-OB für eine Amtszeit wäre, denn am Ende einer zweiten Amtszeit wäre er schon 72 Jahre alt.
Das von ihm zum Abschluss seiner Zeit als Polizeipräsident erfolgreich umgesetzte Projekt, in Bochum einen Ort für ein neues Polizeipräsidiums zu finden, kommt ebenfalls nicht besonders innovativ daher. Optisch kann das geplante Gebäudeensemble als zweckmäßig, aber recht einfallslos bezeichnet werden. Bau- und Klimatechnisch bleibt der Neubau hinter den Baustandards der Stadt zurück. Das ist im Wesentlichen allerdings nicht Lukat geschuldet, sondern den Vorgaben des Innenministeriums.
Zwar hat Lukat hier gezeigt, dass er auch besondere Aufgaben und Projekte erfolgreich abwickeln kann, doch einen besonderen persönlichen Stempel konnte er dem Projekt nicht aufdrücken. Aus städtebaulicher Sicht hätte man sich eine andere, deutlich zukunftsweisendere Gestaltung, an einem zentraleren Ort gewünscht. Optimal und zeitgemäß wäre eine Fortentwicklung des Gebäudebestands am bestehenden Standort gewesen. Würde Lukat OB, wäre es einer seiner Aufgaben, seinen ehemaligen Arbeitgeber in vielerlei Hinsicht noch zu Verbesserungen des Projekts zu bewegen.
Ideal für die SPD, Niederlage für die Grünen
Im Juni wurde Lukat SPD-Mitglied. Für die Bochumer Genossen ein wichtiges Kriterium, um ihn aufstellen zu können. Er kommt nicht aus Bochum, sondern lebt in Herten, sollte Bochum aber aufgrund seiner Arbeit ausreichend gut kennen.
Für die SPD ist er insoweit also der ideale Kandidat, liegt doch der Fokus der SPD-Politik ohnehin primär auf der Versorgung der in Bochum wohnenden Menschen (mit Sozialwohnungen, Parkplätzen usw. sowie der bei Stadt und städtischen Betrieben Beschäftigten), und wird die Entwicklung und Gestaltung von Bochum zu einer modernen Großstadt, die mit den anderen deutschen Großstädten mithalten und Menschen wie Unternehmen für die Stadt gewinnen kann, als nachrangig angesehen.
Für die Grünen dagegen wäre die Nominierung eine schwere Niederlage. Zeigt sie doch, dass die Partei erneut niemanden Geeigneten finden konnte, der oder die für die Bochumer Grünen kandidieren wollte.
Dass man erneut einen SPD-Kandidaten unterstützen will, belegt zudem, dass die Bochumer Politik von der SPD dominiert und deren Politik seit 25 Jahren willig von den Grünen mitgetragen wird. Die Chance auf ein eigenes politisches Profil scheinen die Grünen ein weiteres Mal zu verspielen. Dass sie jetzt einen Kandidaten mittragen wollen, dessen Lebenslauf so gar nicht für eine moderne, innovative und zukunftsgerichtete Stadtentwicklung im Sinne der Grünen steht, zeigt auch, dass in dieser Hinsicht große Ansprüche bei den Grünen in Bochum nicht vorhanden sind.
Im Vordergrund steht, über den jetzt unterstützten OB-Kandidaten behalten die Grünen den Zugriff auf die von ihnen bisher gehaltenen Posten im Verwaltungsvorstand (Kämmerin und Sozialdezernentin), auch für den Fall, dass es nach der Wahl zu einer Koalition ohne grüne Beteiligung (Schwarz-Rot) oder mit einer grünen Minderheitsbeteiligung (Schwarz-Rot-Grün) kommt.
Opposition sucht eine unabhängige Kandidatin
Was bedeutet ein OB-Kandidat Jörg Lukat für die Opposition? Da Lukat von Grünen und SPD unterstützt wird, ist fast sicher, dass er mindestens in die Stichwahl kommt. SPD und Grüne werden aus heutiger Sicht bei der Kommunalwahl zusammen auf 40 bis 48% der Stimmen kommen. Das bedeutet, ein reiner CDU-Kandidat hätte wie schon 2020 keine Chance. Würde die CDU doch einen Partei-Kandidaten aufstellen, wäre sogar zu befürchten, dass Lukat die Wahl schon im ersten Wahlgang gewinnt.
Dabei wäre es für die CDU von entscheidender Bedeutung die OB-Wahl zu gewinnen und einen von den Grünen mit getragenen SPD-OB unbedingt zu vermeiden. Gewinnt die CDU nicht den OB, wäre man bei einer Koalition mit der SPD nur Juniorpartner, selbst dann, wenn man stärkste Fraktion würde.
Nur ein breit von vielen politischen Gruppierungen der Opposition auch schon im ersten Wahlgang getragener unabhängiger Kandidat (Zeit für einen unabhängigen Oberbürgermeister?) kann gegen Lukat gewinnen. Die besten Chancen hätte eine junge, dynamische, kluge und kompetente Kandidatin ohne Parteibuch, mit validen Erfahrungen in Sachen moderner und zukunftsgerichteter Stadtentwicklung, die sich auch schon in leitender Position in einer Verwaltung oder einem Unternehmen profilieren konnte. Ideal wäre eine Kandidatin, die auch für Menschen, die eigentlich dem grünen Wählerspektrum zuzurechnen sind, wählbar wäre. Eine solche Kandidatin wäre der Gegenentwurf zu Jörg Lukat und verspräche eine spannende OB-Wahl.
Die STADTGESTALTER suchen noch bis zum 17.10.2024 einen unabhängigen Kandidaten oder eine unabhängige Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl (Stellenanzeige Oberbürgermeister*in). Bisher gibt es nur männliche Bewerber, die STADTGESTALTER würden sich sehr freuen, wenn sich auch weibliche Kandidaten fänden, die sich das Amt der Oberbürgermeisterin zutrauen.
Autor:Dr. Volker Steude aus Bochum |
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