Bochum und der Förderirrsinn

Thomas Eiskirch, OBin Ottilie Scholz erhalten Bewilligungsbescheid für das Musikzentrum | Foto: Stadt Bochum
  • Thomas Eiskirch, OBin Ottilie Scholz erhalten Bewilligungsbescheid für das Musikzentrum
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Wenn eine Stadt überschuldet ist, dann hat sie kaum mehr Geld für Investitionen, selbst nicht für dringend erforderliche Sanierungen. Die gesamten Einnahmen müssen für die absolut notwendigen Ausgaben und Zinsen aufgewendet werden.

Um trotz dieser Lage noch in die Straßen, Brücken, Schulen und andere städtische Einrichtungen investieren zu können, hängt die Stadt an den massenhaften Fördertöpfen des Landes. Denn das Land stattet die Kommunen nicht etwa mit ausreichenden Mitteln zur Stadtentwicklung aus, sondern steckt das Geld in die verschiedensten Förderprogramme und steuert auf diese Weise die Entscheidungen in den Städte und Gemeinden, die, um die Mittel bekommen zu können, diese zunächst beantragen müssen. So verlieren die Kommunen einen wesentlichen Teil ihrer Selbständigkeit, weil sie nur noch da investieren können, wo insbesondere das Land auch Fördermittel bereitstellt.

Da können Straßen und Gebäude noch so kaputt sein, gibt es dafür keine oder nicht ausreichende Fördermittel, kann sich die Stadt eine Sanierung nicht leisten. Der Stadt selbst fehlt das erforderliche Geld. So werden die notwendigen Sanierungsmaßnahmen bei den städtischen Schulgebäuden nur völlig unzureichend in Angriff genommen, außer es gibt gerade ein Konjunkturprogramm von Land oder Bund, dann kann wenigstens ein Teil des Sanierungsstaus aufgearbeitet werden.

Fast keine Sanierung oder Investition in Bochum und Wattenscheid ist mehr ohne Fördermittel möglich. Regelmäßig kommen 80-90% der erforderlichen Mittel aus Fördertöpfen des Landes und/ oder des Bundes.

Um überhaupt an Fördermittel zu kommen, bedarf es einer immensen Förderbürokratie, in der ein nicht unwesentlicher Teil der Gelder versickert. So beschäftigt die Stadt Mitarbeiter, damit diese im undurchdringlichen Dschungel der Förderprogramme nach geeigneten Förderwegen für bestimmte Vorhaben suchen. Aufgabe ist es letztlich den Weg zu finden, mit dem sich am meisten Fördermittel abgreifen lassen. Alternativ werden die vorhandenen Förderprogramme durchforscht, um anhand dieser Projekte zu entwickeln, mit denen man die angebotenen Gelder abgreifen kann.

Städtische Juristen werden nur deswegen angestellt, um die Förder- und Antragsbedingungen zu prüfen, ebenso wie sicher zu stellen, dass die Verwaltung die Förderanträge so formuliert und die Forderbedingungen so einhält, dass es nicht zu kostspieligen rechtlichen Konsequenzen kommen kann.

Teure Gutachten müssen eingeholt und bezahlt werden, um zu belegen, dass die Stadt die Bedingungen der Förderprogramme auch tatsächlich vollumfänglich erfüllt. Weitere städtische Verwaltungsmitarbeiter sind damit beschäftigt, bei den Förderbehörden zu eruieren und mit diesen auszuhandeln, wie sie ein Projekt planen und beantragen müssen, damit dafür die begehrten Fördermittel ausgeschüttet werden können.

So hätte die Stadt z.B. keine Fördermitteln aus dem Städtebauförderungsprogramm für ein Konzerthaus erhalten. Das Projekt musste daher erweitert werden, denn ein „Musikzentrum“, bei dem auch eine Kirche saniert und erhalten wird, konnte wiederum als Stadterneuerungsprojekt deklariert werden, so dass es doch noch möglich wurde hierfür an die begehrten Millionen zu kommen.

Auch ist es wichtig, dass die Lage möglich dramatisch ist, damit man überhaupt an die begehrten Sanierungsmittel kommt. So war der Bahnhof Wattenscheid nicht baufällig und wichtig genug, um schon in der ersten Förderrunde des entsprechenden Sanierungsprogramms berücksichtigt zu werden. Nur als Nachrücker kam der Bahnhof noch in den Genuss des Programms, weil am Ende des Programms noch Geld übrig war. Wäre der Bahnhof nicht doch noch in das Programm gerutscht, wären der ganze bürokratische Aufwand für den Förderantrag und die damit verbundenen Kosten völlig umsonst ausgegeben worden.

Auch für das Stadtentwicklungsprogramm Wattenscheid war es nach Darstellung der Verwaltung schwierig an Mittel zu kommen, denn in anderen Städten des Ruhrgebietes gibt es Stadtviertel, die noch schlimmer dran sind und in denen die Probleme noch größer sind. So besteht in den Städten der Anreiz, in ohnehin benachteiligte Stadteile überhaupt nichts mehr zu investieren, damit diese endlich einen Zustand erreichen, bei dem man Fördermittel des Landes bekommt, um eine Sanierung von dort bezahlt zu kommen. So kommt es förmlich zu einem Wettbewerb, um das am meisten heruntergekommene, sanierungsbedürftigste Stadtviertel.

Auch während und nach der Umsetzung der Vorhaben, ist ein hoher Bürokratieaufwand unvermeidlich. Das Vorhaben muss umfangreich evaluiert werden, eine Abrechnung ist erforderlich, die detailliert nachweist, dass jeder Euro Fördergelder, wie im Förderprogramm vorgesehen, ausgegeben wurde. Dazu muss alles umfangreich dokumentiert werden. Auch bedarf es einer Prüfungsbürokratie, die überprüft, ob die Städte tatsächlich alle zu beachtenden Förder- und Formvorschriften bis zum letzten i-Tüpfelchen eingehalten haben.

Besonders teuer wird es, wenn es zwischen Stadt und Land zu Streit kommt, warum Fördermittel nicht eingesetzt oder richtig abgerufen wurden oder gar nicht abgerufen werden konnten, wie es beim Turm der Zeche Holland der Fall war. Dann bedarf es neuer Gutachten und müssen ggf. Schadensersatzforderungen befriedigt werden. Darüber hinaus wurden Zeit und Kosten für die verfallenen Förderanträge und -bewilligungen völlig umsonst aufgewendet. Niemand ersetzt der Stadt diesen Schaden.

So ist eine im Wesentlichen völlig überflüssige Förderbürokratie und Planwirtschaft entstanden. Alternativ könnten die Summen, die heute als Fördermittel ausgeschüttet werden, auch gleich direkt auf die Städte aufgeteilt werden, die dann selbst entscheiden würden, wofür sie das Geld ausgeben wollen. Klar müssten die Städte dann ebenfalls ihre Maßnahmen evaluieren, Daten erheben, um zu entscheiden, welche Maßnahmen sinnvoll sind und ein effektives Projektcontrolling einrichten. Doch der Kostenaufwand für diese Bürokratie wäre im Verhältnis zu dem, der jetzt für die Förderbürokratie aufgewendet werden muss, um ein Vielfaches kleiner.

Auch werden die Städte durch das bestehende Fördersystem gegängelt und bleiben ihnen eigenständige Entscheidungen verwehrt. Sie können nicht unabhängig entscheiden, welche Maßnahmen zur Stadtentwicklung sie umsetzen wollen und welche nicht. So wurden die Städte in Zeiten als es üppige Fördermittel im Wesentlichen nur für U-Bahnen gab, aber nicht für Straßenbahnen, durch das Fördersystem förmlich aufgefordert, Tunnel zu bauen, deren Unterhalt sie heute nicht bezahlen können, anstatt ihr Straßenbahnnetz sinnvoll zu erweitern.

Die Überschuldung und der damit verbundene Mangel an eigenen investiven Finanzmitteln macht sie noch abhängiger von der Förderbürokratie, in der Millionen über Millionen Steuergelder nutzlos versickern. Diese Millionen fehlen den Städten wiederum für Investitionen bzw. müssen durch überhöhte Steuern und Gebühren von den Bürgern refinanziert werden. Das trägt dazu bei, dass sich die finanzielle Lage auch in Bochum weiter verschärft.

Eine Wende ist nicht in Sicht. Der Förderirrsinn geht weiter. Jedes Jahr gibt es mehr Fördertöpfe und –programme. Anstatt dagegen anzugehen und sich dafür einzusetzen, dass diese Art der Geldvernichtung ein Ende findet, brüsten sich Landtagsabgeordnete wie Thomas Eiskirch (SPD), Serdar Yüksel (SPD), aber auch unsere Oberbürgermeisterin, damit, wenn die Stadt wieder eine Fördermittelbewilligungen des Landes erhalten hat. Die lokale Presse stellt entsprechend inszenierte Übergaben von Bewilligungsbescheiden gerne als Erfolg der Lokalpolitik dar. Das dahinter stehende Geld vernichtende Fördersystem wird unkritisch hingenommen.

Es wird Zeit, dass sich die Kommunen wehren. Die Förderplanwirtschaft und der damit verbundene Förderdschungel gehört abgeschafft. Sämtliche Mittel müssen nach Kriterien wie Wirtschaftskraft und Sozialstruktur an die Kommunen ausgeschüttet werden, damit diese dann eigenständig über den Mitteleinsatz entscheiden können. Dann können in den Städten auch die Mittel in die Projekte vor Ort investiert werden, die jetzt für die Förderbürokratie aufgewendet werden müssen. So kämen sämtliche Fördergelder den Städten und Gemeinden direkt zu Gute und die Kommunen würden zumindest in dieser Hinsicht entlastet.

Auch würden viele Entscheidungen der Stadt mit großer Wahrscheinlichkeit anders aussehen und sinnvoller ausfallen. Hätte die Stadt z.B. die über 16 Mio. Fördergelder (zum größten Teil aus Fördertöpfen zur Stadterneuerung) des Landes nicht zweckgebunden für das „Musikzentrum“ bekommen, sondern hätte sie diese dem eigenen laufenden Stadtentwicklungsetat entnehmen müssen, dann hätte viel dafür gesprochen, dass sie die über 16 Mio. zunächst in vordringlichere Vorhaben wie z.B. die Sanierung von Schulen gesteckt hätte.

Volker Steude
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos

BoWäH - Bochum und Wattenscheid ändern mit Herz

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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