Bochum – Kulturförderung versickert in der Bürokratie

Die Bochum soll cool und sexy sein, dazu muss sich die Kunst- und Kulturszene weiterentwickeln. | Foto: Polluks, Wikipedia
  • Die Bochum soll cool und sexy sein, dazu muss sich die Kunst- und Kulturszene weiterentwickeln.
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Die WAZ betitelt Bochum bereits als kulturell-kreative Metropole (WAZ vom 17.12.13). Wer allerdings das Kulturleben in Berlin, London oder beispielsweise Wien schon einmal erleben durfte, wird über diese übertriebene Einschätzung wohl eher milde lächeln. Es ist also kaum verwunderlich, dass Bochum beim Kulturstädte-Ranking der 30 größten deutschen Städte 2012 ins hintere Tabellendrittel auf Platz 22 abfällt.

Tatsächlich finden die großen, kreativen Köpfe der freie Kunstszene den Weg, wenn überhaupt, bisher leider nur eher selten ins Ruhrgebiet, stellt auch Stefan Zweers fest, international anerkannter Komponist und Produzent im Bereich visionärer Filmmusik sowie musikalischer Direktor von Rockford Kabine.

Zu Bochum Total, dem Zeltfestival oder der 1Live-Krone schauen zwar mal ein paar Musikgrößen vorbei, eine echte Kulturszene der freien Kulturträger, aus der sich überregionale Szenegrößen entwickeln können, gibt es bis heute leider nur in Ansätzen.

Gerade eine Szene und deren Umfeld von Clubs, Underground-Festivals und Gigs machen Städte wie Berlin „cool und sexy“ und international relevant. Ein Publikum wäre angesichts von 50.000 Studenten in Bochum da, eine lebendige Szene, die für kulturell-kreative Metropolen typisch ist, fehlt aber bisher komplett.

Im Laufe der Jahre musste Stefan Zweers feststellen, dass die Stadt offensichtlich zwar Millionen in die Vorzeigeprojekte Schauspielhaus und Symphoniker pumpt, für die freie Kultur aber offensichtlich so gut wie nichts getan wird. Der gebürtige Bochumer wollte es genau wissen und forderte die Zahlen für die städtische Kulturförderungen im Kulturbüro an. Doch dort wurde gemauert, erst einmal tat sich nichts. Die Zahlen aus dem städtischen Haushalt wollte man so nicht bestätigen. Zweers bekam schließlich einen unvollständigen Auszug aus einer Liste über die Zuschüsse, die 2012 an die freie Szene gezahlt wurden. Diese ließ sich jedoch nicht mit den viel höheren Zahlen aus dem Haushalt in Einklang bringen. Die Fragen nach Bitte um Erklärung wurden abgelehnt, da das Kulturbüro zu einer rechtlichen Beantwortung nicht verpflichtet sei.

Gleichwohl gelang es aufgrund von Zahlen aus anderen Quellen ein ungefähres Bild der Förderstruktur in Bochum zu erstellen. Und dieses ist mehr als erstaunlich:

Betrachtet man die Musikförderung, so zahlt die Stadt Bochum an die freie Kunstszene fast 70.000 Euro. Für die Verteilung dieser Zuschüsse an 32 Projekte und Institutionen berechnet die Stadt 44.000 Euro Personal und Sachaufwand. Dieser bleibt in der Verwaltung hängen und kommt somit keinem Künstler zu Gute.

Von den 70.000 Euro gingen 2012 19.250 Euro an die U-Musik (11 Projekte), 18.650 Euro an Pop und Jazz (6 Projekte) und 16.300 Euro an so genannnte „spartenübergreifende Projekte“ (7 Projekte), die nur teilweise was mit Musik zu tun haben (siehe Förderliste). Weitere 15.200 Euro gehen an drei Musikinstitutionen.

Insgesamt betrachtet, bekommt die Freie Musikszene 0,5% der städtischen Gelder, die für Musik bereit gestellt werden, 33,9% erhält die Musikschule, 65,6% erhalten die Symphoniker, wobei die Kosten für das „Musikzentrum“ schon mit einkalkuliert wurden.

Die städtische Musikförderung hat also eigentlich nur 2 Träger im Auge und beschränkt sich fast vollständig auf die Förderung von klassischer Musik.

Bei der Theaterförderung zeigt sich ein ähnliches Bild: Die Zuschüsse für die freie Szene betragen hier immerhin 800.875 Euro für 32 Institutionen und Projekte. Die Verteilung schlägt mit einem Personal- und Sachaufwand von 223.500 Euro zu Buche.

Von den Zuschüssen erhält eine Institution fast 35%: das Prinz-Regent-Theater.
Insgesamt erhält die freie Theaterszene nur 3,9% der gesamten städtischen Ausgaben für Theater, das Schauspielhaus die verbleibenden 96,1%.
Schauspielhaus und Bochumer Symphoniker bekommen über 55% der Kultur- und Wissenschaftsförderung der Stadt. Den Rest teilen sich Stadtbücherei (12%), Musikschule (9,6%), Zuschüsse der Kulturförderung (5,2%), Verwaltung der Kulturförderung (2,9%), Museum Bochum (5,1%), Stadtarchiv (4,6%), Volkshochschule (4,2%) und  Planetarium (0,9%).

31% der Zuschüsse der Kulturförderung gingen 2012 wiederum an das Bergbaumuseum. 28,5% erhielten die Theater und Theaterprojekte der freien Kunstszene, 2,5% gingen an die Musik, 9,1% an die Stadthalle Wattenscheid und die Freilichtbühne, 26,1% gingen an die sonstige Kulturförderung und 2,7% an die sonstige Wissenschaftsförderung.

Insgesamt wurden etwas über 2,8 Mio. an Zuschüssen an 137 Projekte und Institutionen, verteilt. Für das Ausstellen der Förderbescheide und die Prüfung der Verwendung entstand insgesamt beim Kulturbüro ein Personal- und Sachaufwand in Höhe von unfassbaren 960.000 Euro.

Mehr als ein Drittel der Förderung für die freie Kunstszene und die Wissenschaft versackte somit in der Kulturbürokratie.
Die Musik- und Kulturförderung in Bochum ist also nicht nur total einseitig aufgestellt, sondern ein wesentlicher Teil der Kulturgelder der Stadt kommt erst gar nicht bei den Künstlern an.

Laut Stadt ist Ziel der Zuschüsse die “existenzielle Grundsicherung der freien Kulturträger(!). Vorhaltung eines breit gefächerten Kulturangebotes. Gerechte(!) Verteilung der Ressourcen im Kulturbereich unter Berücksichtigung kulturpolitischer/wirtschaftlicher Aspekte” (Ausrufezeichen eingefügt).

„Diesem Ziel wird die Kulturförderung der freien Szene in Bochum leider nicht ansatzweise gerecht“, stellt Zweers fest, „gesichert werden wohl vielmehr die Arbeitsplätze im Kulturbüro.“

Das sich unter diesen Umständen die freie Kunstszene in Bochum kaum weiterentwickeln kann, verwundert nicht. „Überall fehlt es an günstigen Probestätten, Aufführungsstätten und anderen freien innovativen Kulturzentren, wo sich eine solche Szene austoben und probieren kann.“, so Stefan Zweers weiter.

Zwar steigt der Kulturetat der Stadt trotz abnehmender Bevölkerung stetig, während der Bildungsetat dramatisch schrumpft (-6,6 Mio.), doch profitieren auch davon im Wesentlichen nur Schauspielhaus (+2,5 Mio. bis 2022) und die Bochumer Symphoniker (+2,9 Mio. für das Musikzentrum).

Wer Bochum tatsächlich zu einer kulturell-kreativen Metropole machen will, muss die in jeder Hinsicht einseitige Förderung beenden. Auch dass die Ausgaben für die Kultur pro Einwohner ständig steigen, ist nicht hinnehmbar. Diese sollte auf einen festgelegten Satz pro Einwohner begrenzt werden. Steigt die Einwohnerzahl steigt der Kulturetat, sinkt sie, sinkt er. Dieser Satz sollte lediglich entsprechend der Inflation angepasst werden. Steigen darüber hinaus die Kosten bei Schauspielhaus und Bochumer Symphoniker, dann ist nicht automatisch entsprechend die städtische Förderung zu erhöhen, sondern der Eintrittspreis.

Um die ausufernden Bürokratiekosten auf ein angemessenes Maß zu senken, wird vorgeschlagen die Verteilung der Zuschüsse vom Kulturbüro auf eine unabhängige Bochumer Kulturstiftung zu übertragen, die sämtliche Fördergelder (inkl. der jetzt für Personal- und Sachmittel verwendeten Mittel) verteilt, auch die von den städtischen Beteiligungsgesellschaften wie den Stadtwerken und der Sparkasse.

Die Stiftung muss mit einer effizienten Organisation ausgestattet werden und sollte einen künstlerischen Beirat aus anerkannten und politisch unabhängigen Kulturakteuren erhalten, der bei der Entwicklung und Fortentwicklung des Verteilungsmechanismus der Zuschüsse wesentlich beteiligt ist.

Die Stiftung kann neu gegründet werden, möglich ist auch, diese Aufgabe an eine bestehende Stiftung zu übertragen. Auch kann eine solche Stiftung beauftragt werden, welche die Verteilung der Mittel für mehrere Ruhrgebietsstädte durchführt. Dadurch würden auch weitere Synergien entstehen.

Das Resultat wäre, dass wesentlich mehr Geld bei der freien Kulturszene angelangt und Förderentscheidungen unabhängiger ausfallen, vorausgesetzt man implementiert einen intelligenten Verteilungsmechanismus.

„So wie es jetzt ist, kann es jedenfalls unter gar keinen Umständen bleiben“, so Stefan Zweers. „Wir Akteure aus der freien Kunstszene sollten das nicht weiter so hinnehmen. Unser Anliegen ist es, Bochum zu einem Anziehungspunkt für die kreativen Köpfe der freie Kunstszene zu machen. Wir wollen eine authentische Kulturszene in Bochum, die auch überregional anerkannt ist und die Aufmerksamkeit auf Bochum lenkt.“

Volker Steude,
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos

BoWäH - Bochum und Wattenscheid ändern mit Herz

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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