Corona-Krise
Bochum könnte Modellstadt bei der Aufhebung der Corona-Beschränkungen werden

Es zeichnet sich ab, die aktuellen Beschränkungen wie Kontaktverbot und Geschäftsschließungen lassen sich nicht endlos durchhalten. Es müssen Möglichkeiten gefunden werden, mit denen es möglich ist, den Lockdown zu beenden und gleichzeitig das Virus einzudämmen. Bochum könnte dabei als Modellstadt eine Schlüsselrolle spielen.

Dauerhaft lassen sich Kontaktverbote, Schul- und Geschäftsschließungen nicht durchhalten

Das Coronavirus wird sich voraussichtlich noch ein bis zwei Jahre ausbreiten, sofern nicht zuvor ein Impfstoff gefunden wird. Das bestehende Kontakt- und Ansammlungsverbot, die Schul- und Geschäftsschließungen sowie die Einschränkungen bei öffentlichen Dienstleistungen lassen sich über einen solch langen Zeitraum allerdings nicht durchhalten. Das hätte unweigerlich Massenarbeitslosigkeit und Unternehmensinsolvenzen in einem bisher unbekannten Ausmaß zur Folge und würde sowohl die Stadtgesellschaft wie die städtische Wirtschaft nachhaltig schwer schädigen (Phase 2, Corona geht erst richtig los).

Maßnahmen, die statt der bestehenden Beschränkungen ergriffen werden könnten

Um die Ausbreitung des Virus wirksam einzudämmen auch ohne die bestehenden Beschränkungen aufrechterhalten zu müssen, werden daher aktuell insbesondere zwei Maßnahmen diskutiert:

- Eine hohe Testdichte, um alle, die sich möglicherweise infiziert haben, oder ggf. mit Virusträgern in Kontakt gekommen sein könnten, testen zu können. Darüber hinaus sollen mit entsprechend hohen Testkapazitäten Reihentests von repräsentativen Stichproben durchgeführt werden, um Gewissheit darüber zu erlangen wie hoch die Dunkelziffer derer ist, die sich mit dem Virus infiziert haben, bei denen dies aber nicht erkannt wurde.

- Kontaktnachverfolgung (u.a. mittels App),. Um die Zahl der Infektionen dauerhaft einzudämmen, ist es erforderlich, wenn Menschen infiziert sind, möglichst schnell alle Personen zu ermitteln, mit denen diese Kontakt getreten sind, damit auch diese Menschen getestet und ggf. isoliert werden können. Damit diese Nachverfolgungen schnell und in großer Zahl durchgeführt werden können, müssen entsprechende Personalkapazitäten vorhanden sein.

Das alleine wird allerdings nicht reichen. Es ist zusätzliche technische Hilfe erforderlich. Angedacht wird daher die Einführung einer Handyapp, die dem Nutzer mitteilt, wenn er mit einem positiv auf Corona Getesten in Kontakt gekommen ist (Christian Drosten: "Handy-Apps bieten eine echte Perspektive"). Eine solche App kann helfen die Zahl der Nachverfolgungen auf das erforderliche Maß zu erhöhen und zu beschleunigen.

In Europa soll die App auf der Bluetooth-Technik basieren, datenschutzkonform sein und damit ohne Tracking und zentrale, massenweise Datenspeicherung auskommen sowie freiwillig sein (Funktionsweise).

Zwei weitere Maßnahmen werden diskutiert, die diese beiden Maßnahmen ergänzen könnten bzw. sollten.

- Mobile Fiebermessungen an Geschäften, Einkaufszentren, bei Veranstaltungen, sowie an Zugängen zu öffentlichen Gebäuden, Unternehmen und ähnlichen Einrichtungen. Damit soll verhindert werden, dass bereits erkrankte Virusträger Orte betreten, an denen sie mit vielen Menschen in Kontakt kommen und den Virus verbreiten könnten.

- Schutz durch Masken. Weiterhin ist die Schutzwirkung von Gesichtsmasken zwar umstritten. Vermehrt wird die Meinung vertreten, dass zumindest Menschen, die infiziert sein könnten oder aufgrund ihres Berufs mit Virusträgern in Kontakt kommen, in der Öffentlichkeit bei möglichen Kontakten Schutzmasken tragen sollten.

Zu den beschriebenen Maßnahmen hinzu kommt die Fortführung der bereits bestehenden vor Virusübertragungen schützenden Maßnahmen, also insbesondere das Abstandsgebot und die Hygieneempfehlungen.

Die beschriebenen Maßnahmen werden nur zum Erfolg führen, wenn sie alle zugleich angewendet werden, die alleinige Einführung nur einzelner Maßnahmen wird nicht ausreichen (NDR-Info, Coronavirus-Update 03.04.20). Voraussetzung für eine Einführung ist zudem eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung. Möglichst viele Menschen müssen die Umsetzung der Maßnahmen unterstützen und die verbleibenden Einschränkungen respektieren.

Für Bochum stellt sich die Frage, ab wann könnte man in der Stadt den Lockdown beenden?

in der letzten Woche, lag die Zahl der Personen, die sich in Bochum jeden Tag neu mit dem Virus infiziert haben und deren Infektion erkannt sowie gemeldet wurde, bei 9 bis 24 (Neue Infizierte pro Tag). Wie hoch die Dunkelziffer ist, also die Zahl der nicht erkannten Virusträger, ist bisher leider unbekannt. 

Was sich heute schon erkennen lässt, sofern die Zahl der Neuinfizierungen pro Tag dauerhaft auf maximal 10 (2.000 in ganz Deutschland) eingedämmt werden könnte, würde das Gesundheitssystem in Bochum nicht überlastet.

Zusätzlich muss mit den entsprechenden Maßnahmen sichergestellt werden, dass die Infektionsketten schnell unterbrochen werden können und die potentiell Infizierten gefunden, getestet und ggf. isoliert werden. Auch das ist nur möglich, wenn die Zahl der Neuinfizierten pro Tag entsprechend gering ist. Die Nachverfolgung der Infektionsketten kann zudem nur gelingen, wenn ausreichend Kapazitäten vorhanden sind, um die potentiell Infizierten zu testen.

In jedem Fall muss eine Aufhebung der Beschränkungen mit Bedacht erfolgen und die Auswirkungen müssen begleitend umfassend untersucht werden um ggf. auftretenden Fehlentwicklungen rechtzeitig entgegen steuern zu können.

Bochum als Modellstadt für die Aufhebung der Corona-Beschränkungen

Bochum könnte sich in dieser Hinsicht als Modellstadt eignen. Bochum ist Universitäts- und Hochschulstadt, besitzt Universitätskliniken mit hoher medizinischer Expertise und ist bereits gut aufgestellt bei den Testkapazitäten. Bis zu 300 Tests sind an der Drive-In Teststation möglich, weitere 500 Untersuchungen können im Behandlungszentrum der Kassenärztlichen Vereinigung vorgenommen werden (WAZ vom 26.03.2020). Hinzu kommen die Tests, die die Kliniken und Hausärzte vornehmen bzw. veranlassen. Zudem gibt der Bochumer Bevölkerungsquerschnitt einigermaßen gut den Durchschnitt der deutschen Gesamtbevölkerung wieder. Schließlich sind die Infektionszahlen überschaubar und weisen bisher keine Besonderheiten auf.

Die Aufhebung des Lockdown lönnte dann wie folgt ablaufen

Schritt 1 - Es wird ein Reihentest durchgeführt, mit dem die Dunkelziffer aufgehellt wird, wie hoch die Zahl der Virusträger in Bochum neben den gemeldeten Infizierten tatsächlich ist.

Schritt 2 - Auf dieser Grundlage wird die Zahl der realen täglichen Neuinfektionen betrachtet. Denn der Lochkdown kann erst beendet werden, wenn die Zahl der Neuinfektionen aufgrund der bisherigen Kontaktbeschränkungen auf ein für das Gesundheitssystem beherrschbares Maß gesunken ist und die Zahl nur noch so hoch ist, dass zukünftig Fälle mit den bestehenden Kapazitäten auch wirksam nachverfolgt werden können.

Schritt 3 - Die oben genannten Alternativmaßnahmen werden ausgerollt und die Beschränkungen sukzessive unter wissenschaftlicher Begleitung aufgehoben werden.

Wissenschaftlich untersucht werden sollte bei diesem Prozess insbesondere, wie viele Tests erforderlich und inwieweit die Alternativmaßnahmen wirksam und geeignet sind, die Ausbreitung des Virus beherrschbar zu halten und inwieweit die neuen Maßnahmen von den Menschen akzeptiert und respektiert werden. Die so gewonnen Erkenntnisse kämen ganz Deutschland zugute und können schließlich auf das ganze Land übertragen werden.

So könnte Bochum als Modellstadt einen wertvollen Beitrag zur Bewältigung der Corona-Krise leisten und würden den Ruf als Stadt der Wissenschaft nachdrücklich bestätigen.

Damit eine solche wissenschaftlich begleitete Vorabaufhebung der Beschränkung in einer Modellstadt funktioniert, müssten allerdings auch Maßnahmen ergriffen werden, die verhindern, dass aufgrund der Aufhebung der Beschränkungen ein Run aus anderen Regionen auf die Stadt stattfindet.

Die STADTGESTALTER

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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