Bochum in der Schuldenfalle - Der weiße Ritter ist nicht in Sicht

Im Rat gestellte Anträge (Aug. 2015 - März 2016)

"Die Schulden von heute sind die Einnahmen von morgen," nach dieser politischen Maxime, mit der Johannes Rau (SPD) die Verschuldungspolitik seiner Partei rechtfertigte, machte auch Bochum über Jahrzehnte hinweg mehr und mehr Schulden. Was in der Theorie möglich erscheint, ist in der Praxis jedoch kläglich gescheitert. Tatsächlich haben immer mehr Schulden zu immer weiteren Schulden geführt.

Nach der reinen Lehre war der Plan Geld in den Strukturwandel zu investieren, um damit die Städte zu modernisieren und neue Unternehmen und Einnahmequellen für die Stadt zu gewinnen, schlüssig. Leider floss das meiste Geld nicht in zukunftsweisende Ideen. Stattdessen wurden mit dem Geld u.a. Tunnel für Straßenbahnen gebaut, die Stadt mit überdimensionierten 4- bis 6-spurigen Straßen durchzogen, die Stadt bekam einen trostlosen „Boulevard“ und ein kostspieliges Konzerthaus.

Kaum ein Projekt war wirklich geeignet, den Strukturwandel und eine in die Zukunft gerichtete Stadtentwicklung nachhaltig voran zu treiben. Die Ansiedlung der RUB in den 60er Jahren bleibt bis heute die letzte wirklich nachhaltige Investition in die Zukunft der Stadt. Doch bis zum Ende der 90er Jahre versäumte es die Politik diesen Weg weiter zu gehen, um uninahe Unternehmen wie Studenten in die Stadt zu holen.

Um den Strukturwandel positiv zu gestalten, fehlte es Stadt und Politik schlicht an den erforderlichen Ideen. Doch wer muss die Ideen und Strategien entwickeln, die die Stadt voran bringen sollen? Eigentlich ist das die Aufgabe der Politik, der politischen Beamten im Verwaltungsvorstand der Stadt sowie der Unternehmensführungen der städtischen Gesellschaften (u.a. Wirtschaftsentwicklung Bochum, Stadtwerke, Sparkasse).

Mangels anderer Ideen und Investitionsmittel steckte die Stadt hunderte Millionen in den Kraftwerksbau und anderen Investitionen im Energiebereich (u.a. Kraftwerksbau in Lünen und Hamm, STEAG) statt in den Strukturwandel. Bernd Wilmert (SPD), bis 2015 Geschäftsführer der Stadtwerke, hatte zwar als einer der wenigen Ideen und Visionen, aber bis auf die Übernahme von Gelsenwasser, waren diese zumeist verlust- statt erfolgreich.

Der Verwaltungsvorstand war jahrzehntelang schwach besetzt. Die Verträge der zuletzt ausgeschiedenen Dezernenten, Kratzsch (Stadtbaurat, SPD) und Collisi (Personal- und Organisation, SPD) wollte der Rat nicht verlängern. Auch die eigene Partei kam schließlich zu dem Schluss, dass es beiden an Ideen mangelte, um der Stadt neue Impulse geben zu können.

Von der Verwaltung unterhalb des Verwaltungsvorstandes ist dagegen nicht die Entwicklung von neuen Ideen und Strategien zu erwarten. Die Verwaltungsmitarbeiter arbeiten in vorgegeben Aufgabenfeldern die anfallenden Arbeitsaufträge ab. Es gibt keine Kreativabteilung.

Eigentlich sollte der wichtigste Ideengeber in der Stadt die Politik sein. Doch welche Partei oder Gruppierung hat in den letzten Jahren, welche Konzepte und Ideen vorangetrieben und vorgelegt? Hier liegt das eigentliche Problem. Fast alle Parteien und Gruppierungen der Stadt verstehen sich nicht als Ideengeber. Man lässt sich die Beschlussvorlagen von der Verwaltung vorgelegen und entscheidet dafür oder dagegen. Eigene Ideen und selbst entwickelte Konzepte werden so gut wie nie eingebracht. Die Politik gestaltet die Stadt nicht, sie bringt von sich aus so gut wie nichts aktiv voran. Sie bleibt passiv und reagiert nur auf das, was die Verwaltung vorschlägt.

Im Zeitraum August 2015 bis März 2016 hat die Rot-Grüne Mehrheitskoalition im Rat gerade mal 11 inhaltliche Anträge (davon 9 Änderungs- und 2 eigene Anträge) gestellt (siehe Diagramm). Die CDU stellte doppelt so viele Anträge (14 Änderungs- und 8 eigene Anträge). FDP und STADTGESTALTER waren die aktivste Fraktion, sie stellten 30 Anträge (14 Änderungs- und 16 eigene Anträge).

Die Zahlen zeigen, die meisten Parteien und Gruppierungen verfügen nicht über Ideenschmieden. Zumeist besteht bereits der Anspruch nicht eigene Ideen und Konzepte zu entwickeln und so die Geschicke der Stadt aktiv zu lenken. Solange es an Projekten und Ideen fehlt, die neue Einnahmen nach sich ziehen, wird sich auch zukünftig der Strukturwandel nicht bewältigen lassen. Die Stadt kommt nicht aus der Schuldenfalle.

Statt selbst die Politik zu gestalten, hofft die Ratsmehrheit darauf, dass irgendwann doch noch der weißer Ritter auftaucht, der generös die 1,8 Mrd. Schulden der Stadt ausgleicht. Das wird nicht passieren. Ohne eigene Ideen und Vorschläge der Politik wird die Stadt die Anforderungen der Zukunft nicht bewältigen können.

Dabei ist anzunehmen, dass es in jeder Fraktion Menschen mit Ideen gibt. Wichtig wäre, dass ihnen die Parteien mehr Raum geben, um eigene Konzepte und Vorschläge zu entwickeln und entsprechende Anträge zu formulieren, die die Stadtentwicklung und den Strukturwandel voranbringen.

Volker Steude
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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