Hallo Du
Wenn das Call-Center dich plötzlich duzt

Ist dir bestimmt schon aufgefallen, das einige Hot-Lines auf das vertrauliche „Du“ umgestellt haben. Einige informieren mit vorheriger Ansage, andere duzen direkt.

Tja – dass dies nicht immer gut ankommt, davon sollte man vielleicht ausgehen. Herr Rehbock zum Beispiel, der schoss den Bock ab mit folgender Reaktion: „Sag mal, du Wicht, wie kommst du mir denn eigentlich? Waren wir zusammen im Kindergarten oder warum duzt du mich?“

Nun - ich denke, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Call-Center machen nur ihren Job und wenn die „obere Etage“ die Ansage gemacht hat, alle Anrufer durch die Bank zu duzen, dann tun die Agenten halt nur ihre Pflicht, mehr nicht.
Viele Unternehmen positionieren sich bewusst als locker und modern, sprechen die jüngere Zielgruppe an. Das Duzen soll Sympathie und ein freundschaftliches Verhältnis zwischen Anrufer und Auskunftgeber beziehungsweise dem Mitarbeiter schaffen. 

Vor nicht langer Zeit sah ich mich gezwungen, eine telefonische Auskunft einzuholen. Ich tue mich offen gestanden schwer damit -  und das nicht ohne Grund. Die vorhergehende Ansage, bei der man das Gefühl hat, dass sie kein Ende nimmt, empfinde ich als ziemlich nervig. Aber diesmal sollte es anders kommen. Als ich endlich an der Reihe war, begrüßte mich am anderen Ende ein äußerst freundlicher Mann. Auf jeden Fall hörte sich die Stimme sehr männlich an, welche da an mein Ohr drang. Das „Hallo, was kann ich für dich tun“, kam sehr gut bei mir an, besonders dieser virile Hinter-Ton, der dem Jargon, der Berufssprache etwas sehr angenehmes verlieh. Nun ja, und nachdem wir alles abgeklärt hatten, wobei er es ja war, der mir den Buchungsvorgang genau erklärte, wollte keiner so wirklich das Gespräch beenden. Er nicht – und ich auch nicht.
„Weißt du“, meinte der Agent, „eigentlich geht es hier ja nicht nur ums Arbeiten, sondern auch darum, Menschen nett zu begegnen und zwischenmenschliche Begegnungen zu pflegen. Ich habe etliche Jahre in Polen gelebt, dort wird alles viel lockerer angegangen“.
So erfuhr ich von Irek, dass er in jungen Jahren eine ziemlich verrückte Idee hatte und diese auch verwirklichte. Er erzählte mir, dass er damals für seine Hühner ein fahrbares Hühnerhaus aus einem ausgedienten Fahrrad baute, um mit ihnen einen Ausflug zum Mauersee zu machen .. ach du lieber Himmel, ich könnte mich jetzt noch schlapplachen.  

Letztendlich - diese lockere und ziemlich ungewöhnliche Unterhaltung hat mir gezeigt dass Nähe und Menschlichkeit auch dort entstehen kann, wo man es am wenigstens erwartet – am anderen Ende der Leitung“.

Autor:

Hildegard Grygierek aus Bochum

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