Das Wunder von Bochum-Bergen
Es geschah damals im November
1.Advent Sonntag der 27. November 1960 :
Bitterkalt war es, die Fensterscheiben zeigten erste Eisblumen und ich stand davor, um Ausschau nach meinen Vater zu halten. Längst wollte er zu Hause sein, um mit uns Kindern den ersten Advent zu feiern.
Doch er kam nicht heim, es wurde später und später. Mutter schaute unruhig auf die Uhr, es gab kein Telefon, kein Smartphone, es gab nur eins ,,Warten".
So schlich Stunde um Stunde dahin. Kein Licht zum ersten Advent, kein Lied gesungen...
Mutter schickte uns Kinder zu Bett und versicherte, dass wir am anderen Tag eine Kerze entzünden werden, alle gemeinsam. Sie brachte die Worte stockend heraus, wenn die Sorgen kamen, hatte sie immer diesen Kloß im Hals.
Ich war ein ,,Vati-Kind" und wurde an diesem Tage das erste Mal so richtig von ihm enttäuscht. Nie mehr wollte ich mit Vati sprechen, so viel war klar. In dieser Nacht schlief ich schlecht und wurde mitten in der Nacht wach. Es war lärmig und Mutter schluchzte laut. Ich schaute durch den Türspalt und sah, wie Vati ein schlafendes Kind in den Armen hielt. Da war sie plötzlich, eine kindliche Eifersucht. Dicke Tränen kullerten über mein Gesicht.
Mutter, das ist Klara, hörte ich meinen Vater sagen, ihre Mutter ist schwer krank und ihr Mann möchte gerne bei ihr sein, falls es mit ihr zu Ende geht. Er weiß nicht, wohin mit der Kleinen und es ist doch bald Weihnachten, bitte.
So kam es, dass Klara für eine Weile bei uns einzog. Während der Adventzeit war das kleine Mädchen unglaublich tapfer. In der Nacht aber hörte ich oft ihr trauriges Weinen. Klara verbrachte das Weihnachtsfest bei uns und erhielt am Heiligabend die Nachricht, dass ihre Mutter aus dem Koma erwacht sei.
Ich habe noch nie so viele glückliche Gesichter gesehen. Es kam eine solche Freude in unsere kleine Wohnstube.
Wir tobten, sangen und freuten uns, dass alles wieder gut würde.
Vielleicht hatten meine kindlichen ,abendlichen Gebete doch etwas bewirkt. Ganz plötzlich und wild prallten die Schneeflocken an unsere Fensterscheiben und wir alle wussten, das war ein Zeichen von Klaras Mutter. Sie wollte uns sicher sagen: "Ich will leben."
Es hat lange gedauert, bis Klaras Mutter gesund wurde. Jahrzehnte später erfuhr ich dass sie recht betagt, mit beinahe Neunzig, starb. Manchmal frage ich mich allerdings heute noch, was aus Klara geworden ist. Ob sie auch noch an unsere gemeinsame Weihnacht vor 63 Jahren denkt?
Autor:Gudrun - Anna Wirbitzky aus Bochum |
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