Einmal noch Knappe sein

Hinter ihnen geht es in die Tiefe, vor ihnen liegt eine Fahrt unter Tage. Insgesamt zehn Stadtspiegel-Leser hatten nun noch einmal die Gelegenheit auf der Zeche Robert Müster anzufahren. Immer noch ein Abenteuer, obwohl statt Kohle nur noch Wasser gefördert wird. Fotos (5): Martin Justa
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  • Hinter ihnen geht es in die Tiefe, vor ihnen liegt eine Fahrt unter Tage. Insgesamt zehn Stadtspiegel-Leser hatten nun noch einmal die Gelegenheit auf der Zeche Robert Müster anzufahren. Immer noch ein Abenteuer, obwohl statt Kohle nur noch Wasser gefördert wird. Fotos (5): Martin Justa
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Einmal noch Knappe sein! Im Juni hatten die Leser des Stadtspiegel Bochum die Möglichkeit, am Wasserhaltungsstandort Zeche Robert Müser unter Tage zu fahren. Zehn Plätze standen zur Verfügung, mehr als 200 Bewerbungen lagen vor. Die glücklichen Gewinner fuhren nun unter Tage.

1968 wurde auf dem Verbundbergwerk Robert Müser die letzte Kohle gefördert. Von der einstigen Großzeche blieb wenig übrig. Das Schachtgebäude über Schacht Arnold, die Befahrungsanlage über dem Schacht Gustav, das Arnold´sche Fördergerüst. Schicht am Schacht ist aber nicht, es fahren hier Kumpel an. Auf der zweiten Sohle surren (noch) die Pumpen, in Werne wird Grubenwasser gehoben und in die Harpener Teiche abgeleitet.

Aus Kostengründen eine andere Fördermaschine

Ankunft vor Ort und gleich der Blick hinauf zur Seilscheibenbühne, weil die Seile ungewöhnlich steil nach unten laufen. Hier dreht sich zwar noch etwas, jedoch keine der vier imposanten Scheiben des Turms. Aus Kostengründen wurde eine kompakte Fördermaschine direkt ins Schachtgebäude gebaut, die Korb und Gegengewicht über kleinere Scheiben bewegt. Das einstige Fördermaschinenhaus ist ebenso wie alle weiteren Tagebauten längst verschwunden.
Zur Besuchergruppe. Die nimmt zunächst in der Mini-Kaue jeweils einen Kleidersack entgegen und zieht sich um. Ein Besuchermantel, Helm, Lampe, Handschuhe, Augen- und Ohrenschutz. Dazu der Sauerstoff-Selbstretter, für den Fall, dass die atembare Luft unter Tage dünn wird. Und die Ansage, dass Mobiltelefone und Fotoapparate zurückzulassen sind. Selbst bei der in der Wasserhaltung rein theoretischen Gefahr einer Schlagwetterexplosion gibt es seitens der Bergaufsicht null Toleranz. Selbst an dieser Stelle, wo der Grubenbau im Vergleich zu aktiven Zeiten nur noch eine mikroskopische Größe aufweist und eine beinahe sturmähnliche Bewetterung gänzlich unbehindert vorhanden ist.

Was bewirkt die Wasserhaltung?

Vor der Praxis kommt die Theorie. Wasserhaltung. Warum wird das gemacht? Uwe Sunderwerth, Abteilungsleiter für den Bereich „Maschinen-und Elektrotechnik“ bei der Grubenwasserhaltung, hat am Schacht Schautafeln für die Besucher aufgebaut und erklärt gemeinsam mit Thomas Rehpöhler aus der Unternehmenskommunikation die Notwendigkeit dieser Maßnahme.
Stark vereinfacht - das meiste Regenwasser wird durch wasserundurchlässige Gesteinsschichten im Erdreich gehalten: Grundwasser. Grubenwasser ist Regenwasser, das sich in Strecken und Streben unter Tage ansammelt. Es umgeht die wasserundurchlässige Gesteinsschichten dort, wo etwa Flöze an der Tagesoberfläche austreten, wie im Ruhrtal. Auf dem Weg im Untergrund löst dieses Wasser verschiedene Stoffe wie Mineralien und Salze im Gestein. Das so verunreinigte Wasser darf nicht mit dem Grundwasser in Berührung kommen, weil letzteres dann nicht mehr als Trinkwasser verwendbar wäre. Außerdem würde ungehindert ansteigendes Grubenwasser den Grundwasserspiegel anheben, in der Folge würden weite Teile des bergbaubedingt abgesackten Ruhrgebiets überflutet. Daher wird Grubenwasser am Grundwasser vorbei gehoben und abgeleitet.

Manches Fördergerüst wird noch fallen

Die Wasserhaltung wird sich nach dem Ende des aktiven Bergbaus 2018 deutlich verändern, weil die Notwendigkeit, untertägige Betriebsbereiche trocken zu halten, entfällt. Es ist vorgesehen, das Grubenwasser auf eine Höhe von 600 Metern unter der Erdoberfläche ansteigen zu lassen, wobei stets mindestens 150 Meter Abstand zum Grundwasser bleiben. Mit dem Anstieg kann das weitläufige, untertägige Streckensystem der Bergwerke als eine Art durchgehender Abfluss genutzt werden. Von aktuell 13 Wasserhaltungen - drei davon in Bochum - werden langfristig nur noch sechs bleiben. Dies trifft in Bochum auf die Anlagen Friedlicher Nachbar und Robert Müser zu. Auf Carolinenglück wird alles komplett versiegelt. Mit der Neuordnung wird die Emscher "grubenwasserfrei", die Lippe wird auf 45 Kilometern entlastet.
Künftig gibt es unter Tage keine Pumpen mehr. Stattdessen werden Brunnenwasserhaltungen an den sechs Standorten eingerichtet. Die neuen Pumpen werden in den Schacht herabgelassen und saugen dort das Wasser an. Bei Wartung oder Defekten wird die Pumpe nach über Tage heraufgezogen. Unter Tage geht endgültig das Licht aus. Schlecht für Fördergerüst-Romantiker: Ohne Seilfahrt werden diese Landmarken überflüssig. Ihren Erhalt wird die RAG-Stiftung aus Kostengründen nicht leisten. Da werden noch einige dem Schneidbrenner zum Opfer fallen. Ab dem Jahr 2019 muss die Stiftung jährlich geschätzt rund 220 Millionen Euro ausgeben, um die sogenannten Ewigkeitsaufgaben zu finanzieren.

Mit dem Korb hinab in den Berg

Ende im Berg - dann schnell noch mal hinunter. Nach viel Theorie besteigt die Stadtspiegel-Gruppe den Fahrkorb und es geht hinunter zur zweiten Sohle von Robert Müser. Zugegeben: nach Bergbau sieht hier nichts mehr aus, eher nach einem großen Kellergewölbe. Vielleicht 20 Meter geht es vom Schacht zu den Pumpen, hinter denen sich einer der Dämme befindet, die den ungefluteten Grubenbereich vom gefluteten trennen. "Ein seltsames Gefühl, wenn man bedenkt, dass dahinter das Wasser steht", meint Leser Jörg Lehmann beim Anblick des "Betonpropfens".
Zurück zum Förderkorb, weiter geht es in die Tiefe. Im Licht der Grubenlampen sausen die gemauerten Schachtwände an den Besuchern vorbei. Ein wenig mehr nach Bergwerk sieht es auf der vierten Sohle aus. Hier ist die Strecke zum benachbarten Schacht Gustav noch offen. Muss sie sein, weil über den einziehenden (Arnold) und den ausziehenden (Gustav) Schacht die Luft ins Bergwerk kommt. Hier liegen verrostete Gleise, hier muss man auch mal den Kopf einziehen, ein Hauch Abenteuer kommt auf. Ausgefahren wird anschließend wieder "beim Arnold".
Patrick Lipinsky sprach für alle "Stadtspiegel-Kumpel" dieses Tages: "Es war einfach großartig, einmal unter Tage sein zu dürfen. Für mich persönlich ein ganz besonderes Erlebnis, weil wir nur einen Steinwurf entfernt vom Arnoldschacht wohnen und ich dieses Fördergerüst täglich sehe. Mein Traum, einmal auf Robert Müser anzufahren, ist wahr geworden!"

Autor:

Marc Keiterling aus Essen

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