Wolfgang Niedecken im Interview: „Wir haben den Rock‘n‘Roll nicht neu erfunden“

60 Jahre und kein bisschen leise: Wolfgang Niedecken | Foto: Foto: Veranstalter
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BAP spielen "Die Klassiker" beim Zeltfestival Ruhr

Jede Menge Grund zum Feiern gibt es für die Kölner Rockband BAP in diesem Jahr: Frontmann Wolfgang Niedecken feierte im März seinen 60. Geburtstag, parallel erschien seine Autobiographie „Für ne Moment“ und mit „Halv su wild“ das 17. Studioalbum der Band, die nun seit genau 35 Jahren Musikgeschichte schreibt. Am 24. August machen BAP Station in Bochum: Beim „Zeltfestival Ruhr“ am Kemnader See gibt’s „Die Klassiker“. Stadtspiegel-Redakteurin Petra Vesper sprach mit Wolfgang Niedecken – nicht nur über Rock’n’Roll im Alter…

P.V.: Du hast gerade einen „runden“ Geburtstag gefeiert, Deine Autobiographie ist in der Spiegel-Bestseller-Liste, Du bist auf Lesereise; dann ist gerade das neue BAP-Album erschienen und im Sommer gehst Du mit der Band auf Tour – im Moment ist rund um BAP richtig viel los…

W.N.: Ja, wir haben gerade ordentlichen Rückenwind – so ein 60. Geburtstag hilft doch ungemein. Das war nicht immer so. In früheren Jahren ist es durchaus schon mal vorgekommen, dass wir ein neues Album rausgebracht haben, das sofort ganz hoch in die Charts eingestiegen ist – und die Medien haben keinerlei Notiz davon genommen.

P.V.: Das heißt also, dass Du mit BAP auf jeden Fall solange weiter machen musst, um auch den 70. Geburtstag mitzunehmen…

W.N.: (lacht) Und den 65. natürlich auch…

P.V.: Aber mal im Ernst: Wie altert man denn als Rock’n’Roller in Würde?

W.N.: In dem man nachdenkt, über das, was man macht und nur das macht, wozu man steht und sich nicht den Gesetzen des Marktes unterwirft. Nur so behält man seine Glaubwürdigkeit.

P.V.: Euer neues Album heißt „Halv su wild“ – deutet der Titel etwa auf eine gewisse Altersmilde hin, die bei euch inzwischen eingesetzt hat…

W.N.: Wohl eher mit Gelassenheit – und die hat was mit Erfahrung zu tun. Es wäre ja auch schlimm, wenn man mit 60 Jahren nicht aus seinen Erfahrungen gelernt hätte. Aber das Stück „Halv su wild“, das dem Album den Namen gibt, ist eigentlich ein Tröstungslied. Es tut gut, wenn es einem schlecht geht, und wenn da jemand ist, der einen in den Arm nimmt, und sagt, es ist alles halb so wild, es wird schon wieder. Aber als Single war es ein echter Rohrkrepierer. Man kann in Zeiten nach Fukoshima im Radio kein Stück spielen, das „Halv su wild“ heißt.

P.V.: War Dein Geburtstag für Dich ein willkommener Anlass für die Autobiographie? Oder ist die Idee von außen an Dich heran getragen worden?

W.N.: Der Journalist Oliver Kobold, einer meiner engsten Freunde, hatte das irgendwann mal mehr im Scherz zu mir gesagt: „Wenn Du 60 wirst, dann müssen wir aber ne Autobiographie machen.“ Aus dem Scherz wurde dann Ernst und dann dachten wir, dass wir es auch richtig machen müssten. Vor zweieinhalb Jahren haben wir dann einfach mal angefangen. Wir haben uns immer mal wieder für ein, zwei Tage getroffen, haben es uns nett gemacht, geredet und ein Band mitlaufen lassen.

P.V.: Hättest Du das Projekt alleine nicht in Angriff genommen? Schreiben kannst Du ja schließlich auch.

W.N.: Ich hätte es alleine definitiv nicht so angepackt. Das Buch beginnt ja nicht mit meiner Geburt und erzählt dann chronologisch. So etwas hätte ich auch langweilig gefunden. Sondern es erzählt eher assoziativ, kreist um bestimmte Themen, so wie auch die menschliche Erinnerung arbeitet. Und Oliver Kobold schreibt auch ganz eindeutig besser als ich. Hätte ich das Buch alleine geschrieben, wäre ich vermutlich viel schneller in so ein Rechtfertigungs-Ding hinein geraten.

P.V.: Wie war Deine Reaktion, als Du das Buch zum ersten Mal gelesen hast? Ist es tatsächlich DEIN Buch?

W.N.: Oh ja, es ist mein Buch: Gerade habe ich es zum fünften Mal gelesen, um die Stellen heraus zu suchen, die sich für die Lesetour eignen – und bin dabei immer wieder überrascht. Aber es gibt auch einige Passagen darin, die mir immer noch sehr nahe gehen, wo ich Oliver nur gefragt habe, wie er sich das bitteschön vorstellt, dass ich so etwas je laut anderen Leuten vorlesen könne. Aber inzwischen geht es, ich habe mir eine Hornhaut angelesen.

P.V.: Du warst gerade alleine auf Lesereise mit Deiner Autobiographie, jetzt im Sommer dann wieder auf Tour mit der ganzen Band – was fällt Dir eigentlich leichter?

W.N.: So ganz neu ist so eine Lese-Tour ja nicht für mich, ich habe das ja schon mal mit „Chronicles“ gemacht, der Bob-Dylan-Autobiographie. Im Vergleich dazu fällt mir jetzt das Lesen meiner eigenen Autobiographie viel leichter. Bei „Chronicles“ war stets die Versuchung da, aus dem Schatten des Textes rauszutreten. Ich konnte spüren, dass da eigentlich immer Leute im Publikum waren, die nur darauf gewartet haben, dass ich die Dylan-Songs auf Kölsch singe. Aber das wäre mir unehrenhaft vorgekommen, wo’s doch eigentlich um Dylan ging. Bei den ersten Lesugen aus „Für ne Moment“ habe ich gemerkt, dass die Zeit eigentlich wie im Flug verging – für mich und für das Publikum. Aber ganz ehrlich: Ich freue mich schon auf den Sommer und die Tour mit der Band.

P.V.: Eure Sommer-Tour steht unter dem Titel „Die Klassiker“ – wird es also eine Art „Greatest Hits“-Tour werden?

W.N.: Eben nicht, sonst hätten wir es ja so genannt. Wir hatten ja schon mal eine „Greatest Hits“-Tour und ich habe mich damals mit dem Titel sehr unwohl gefühlt. BAP war nie eine Band, die nur auf Hits aus war – in unserer Bandgeschichte gibt es kaum „Hits“ im klassischen Sinne, dafür aber eine Menge Songs, die wichtig waren. Und die wollen wir spielen. Ganz ehrlich, ich habe mir noch nie so viele Gedanken über einen Tournee-Titel gemacht, wie diesmal. Aber wir sind eine klassische Rock’n’Roll-Band. Wir haben den Rock’n’Roll nie neu erfunden - das hat die E-Street-Band auch nicht - aber wir halten ihn am Rollen. Und das ist für Menschen meiner Generation auch sehr sinnvoll.

P.V.: Wie werdet ihr euch auf die Tour vorbereiten?

W.N.: Es ist ja nicht so, dass wir uns vor einer Tour als Band wieder neu finden müssten. Wir werden uns vorher zwei Tage zusammen tun, um zu proben. Ich habe für die Tour 40 Songs rausgesucht, die wir einstudieren werden. Von mir aus hätten es noch mehr sein können – aber dann fangen die anderen irgendwann an zu maulen, was für’n Zeug ich eigentlich noch alles anschleppen wolle…

P.V.: Früher hast Du mal angesichts eurer ewig langen Tourneen gesagt, dass ihr mit BAP an so ziemlich jeder Steckdose der Republik gespielt habt…

W.N.: Das ist heute eigentlich auch noch so. Wir spielen mit BAP überall dort, wo’s sinnvoll ist. Nach der Sommer Tour stehen ja schon die nächsten Hallen-Termine für November fest. BAP ist so eine Art Never-Ending-Tour-Ding…

Autor:

Petra Vesper aus Bochum

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