Wie kann man mit Nichts etwas sagen? ... oder...

Das Neujahrsgeschenk

So etwas Tolles hatte er sich ausgedacht! Da würde sie aber Augen machen! Ein besseres Geschenk konnte er sich nun wirklich nicht vorstellen.
An Neujahr, nach einem kleinen Imbiss, da Sylvester ordentlich gefeiert worden war, überreichte er es ihr, einen großen Karton mit einer riesigen roten Schleife. Sie sah ihn zweifelnd an und begann vorsichtig, das Band zu lösen.
Jetzt schon ein Geschenk? Sie waren erst ein paar Wochen zusammen. Und dann so ein großes? Der Karton fühlte sich leicht an. Sie platzierte ihn mühelos auf dem Wohnzimmertisch und schob den Deckel beiseite.
Spähte hinein. Schaute. Erblickte….. Nichts.
- Nichts? - Der Karton war leer. Ein großer leerer Pappkarton, innen knallrot angemalt, stand vor ihr und sie legte die Stirn in Falten. Ihre Mundwinkel zogen verdächtig nach unten.
„Na, was sagst du?“ fragte er. - „Scherzkeks!“
Er war ja schon immer auf die absurdesten Ideen gekommen, hatte den Schalk im Nacken, aber dies jetzt? Ehe sie völlig aus dem Häuschen kommen würde, dachte er, würde er nun doch mal die Situation klären.
„Hm“ er räusperte sich. „Das ist ein Geschenk, aber man kann es nicht sehen. Und nicht kaufen.“
Sie rollte mit den Augen. Der Kerl war einfach nur bekloppt.
„Was willst du denn damit? Reine Luft?“ Ungläubig schaute sie ihn an.
Ok, ok, Stufe zwei, dachte er und legte den Song von Sissel, der norwegischen Sängerin auf:
„You ask me what I want; you ask me what I need….. Give me the gift of love… that will be the best surprise…”
So perplex hatte er sie noch nie gesehen, diese Frau mit der großen Klappe, die hervorragend zu ihm passte. Sie hatten zusammen so viel Spiel und Spaß gehabt, hatten sich die Witze gegenseitig um die Ohren gehauen und sich durch einsame Stunden gerettet. Dumm war sie nicht, denn jetzt schaltete sich in ihrem Gehirn ein Anflug von Ahnung ein. „Du willst doch nicht etwa sagen….“ Weiter wusste sie nicht.
Grinsend stand er vor ihr. Doch plötzlich guckte sie ihn böse an.
„Aha, mein Lieber. Wenn ich das mit dem Song richtig interpretiere, möchtest du was von mir!“
Das musste ja nun wieder sein. So etwas brachte nur eine Frau, seufzte er. Warum Frauen alles so kompliziert auseinander nehmen müssen, was doch ganz einfach war. „Mädel“ sagte er, denn das sagte er immer, wenn er sie für einigermaßen unzurechnungsfähig hielt.
„Der Karton ist voll!“
Sissel sang weiter: „ You`ve got a fire in your heart…“ Ehe sie weitere Einwände hervorbringen konnte, küsste er sie, die einfachste Methode, eine Frau zum Schweigen zu bringen. Als sie wieder Luft kriegte, kam noch die unweigerliche Bemerkung:
„Du bist sowas von bescheuert!“ ehe sie sich in seine Arme fallen ließ und ihn halb lachend, halb weinend fest an sich drückte.

Autor:

Ingrid Dressel aus Bochum

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