„Nervt!“ im Theaterrevier des Schauspielhauses
Und hinter allem strahlt die Utopie
Eine Kugel Eis für 3,50 Euro oder ein fabrikneues T-Shirt für 2,50 Euro – beides ist Anlass für Verärgerung, ja Wut. Um negative oder zumindest unangenehme Gefühlszustände geht es in „Nervt!“, einer Stückentwicklung der Jungen Bühne Bochum und der Drama Control, des „Aufsichtsrats“ des Jungen Schauspielhauses, in dem Kinder und Jugendliche mitbestimmen, was auf die Bühne kommt. Zur Aufführung kommt das so vergnügliche wie nachdenkliche Stück für Theaterfans ab acht Jahren in der ehemaligen Zeche Eins, das als Theaterrevier seit nunmehr einem Jahr die Spielstätte des Jungen Schauspielhauses ist.
Bei der Jungen Bühne Bochum sind Akteure wie Lea Kallmeier, Manuel Loos, Maria Trautmann und Michael Habelitz dabei, die gemeinsam mit Martina van Boxen, die das Junge Schauspielhaus bis 2018 leitete, die Arbeit des Bochumer Stadttheaters für ein junges Publikum über Jahre geprägt haben. Gemeinsam mit Regisseur Thorsten Bihegue und Mourad Baaiz und Lukas von der Lühe, beide Mitglieder des Schauspielhaus-Ensembles, loten sie aus, was nervt und wie daraus ein Motor für Veränderungen werden kann.
Das, was nervt, so wird deutlich, ist oft Folge sozialer Interaktion: Die Hausaufgaben, die so gar nicht fertig werden wollen, hat schließlich der jeweilige Fachlehrer erteilt, der damit vielleicht wiederum auf die unzureichende Mitarbeit seiner Schüler im Unterricht reagiert hat. Dass das Ausbleiben direkter Interaktion in den Zeiten von Home-Office und Home-Schooling in manchen Fällen deutlich schwerer zu ertragen ist als die alltäglichen Reibereien im sozialen Miteinander, wird dabei mitgedacht – oder kommt dem Zuschauer doch unwillkürlich in den Sinn.
Große und kleine Ärgernisse
Und so kommen sie alle zur Sprache - die kleinen Ärgernisse wie Linsensuppe und die gravierenden wie jenes T-Shirt für 2,50 Euro, das für eine ungerechte globale Wirtschaftsordnung steht. Dieses T-Shirt, so kann der Zuschauer ergänzen, verweist ja zugleich auf die ungleiche Verteilung des Wohlstands hierzulande: Greifen die einen aus Gedankenlosigkeit zur Billigware, so tun es andere, um sich von ihrem kargen Einkommen hin und wieder ein kleines Extra leisten zu können. Und so verweist das, was nervt, immer auch auf das, was sein könnte, die Utopie einer gerechteren Welt – oder einfach eines Alltags, der nicht noch durch Mahlzeiten verdüstert wird, die nicht gerade als kulinarische Offenbarung gelten können.
„Nervt!“ erschließt sich Kindern, ist aber auch etwas für (unbegleitete) Erwachsene. Und am schönsten ist es wahrscheinlich, wenn Kinder es gemeinsam mit ihren Eltern oder Großeltern anschauen. Wer nämlich glaubt, „Nervt!“ sei ein todernstes Stück über eine alles andere als vollkommene Welt, irrt. Das Ganze ist bunt und fantasievoll und mit viel Musik angereichert. Und das Publikum kann sich einbringen, ohne selbst auf der Bühne agieren zu müssen. Schließlich sind wir alle mit Dingen konfrontiert, die uns nerven – und die im besten Falle ein Motor für positive Veränderungen sein können.
Termine
- „Nervt!“ ist am Mittwoch, 29. September, um 18 Uhr wieder im Theaterrevier, Prinz-Regent-Straße 50-60, zu sehen.
- Weitere Termine: Donnerstag, 30. September, 18 Uhr; Donnerstag, 14., 18 Uhr; Samstag, 16., 18 Uhr; Sonntag, 17. Oktober, 15 Uhr.
- Das Kartenkontingent ist nach wie vor eingeschränkt. Ob noch Karten verfügbar sind, ist auf: schauspielhausbochum.de vermerkt.
- Die Theaterkasse ist unter Tel.: 3333 5555 zu erreichen.
Autor:Nathalie Memmer aus Bochum |
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