"Umbrüche" - Foto-Ausstellung zum Wandel im Revier im Museum unter Tage

Am Eröffnungsabend zur Fotoausstellung "Umbrüche" im Museum unter Tage.
14Bilder
  • Am Eröffnungsabend zur Fotoausstellung "Umbrüche" im Museum unter Tage.
  • hochgeladen von Andrea Gruß-Wolters

Im Jahr 2018 schließt die letzte Zeche im Revier. Finaler Endpunkt eines langsamen Zechensterbens, das bereits mit einsetzender Kohle- und Stahlkrise in den 1960er Jahren begann. Somit brechen alte Wirtschaftszweige weg, neue entstehen. Der Wandel im Revier ist demnach kein neues Phänomen. Das so häufig strapazierte Wort "Strukturwandel" ist ein alter Hut. Das Revier war und ist stetigen Veränderungen und Umbrüchen ausgesetzt. Welche Auswirkungen und Spuren das auf Landschaft, Städte und gesellschaftliches Miteinander hat, zeigt die äußerst sehenswerte Foto-Ausstellung "Umbrüche" im Museum unter Tage (MuT) in Bochum Weitmar.

Wie spiegeln sich die tiefgreifenden Veränderungen und Herausforderungen, die das Ruhrgebiet durchlebt, in den Medien Fotografie und Film wider? Welche Sichtweisen und Blickwinkel zeigen uns die Fotografen und Filmemacher in ihren Arbeiten?

Glänzende S/W-Fotos von Holtappel

Die Ausstellung beginnt mit den hervorragenden S/W Fotografien von Rudolf Holtappel (1923-2013).
150 Ruhrgebiets-Fotografien ihres Mannes hat Hertha Holtappel der Stiftung „Situation Kunst“ als Betreiberin des Museums unter Tage geschenkt. Über Jahrzehnte hinweg hat Holtappel das Ruhrgebiet und seine Bewohner fotografiert. Angefangen in den 1950er Wirtschaftswunderjahren bis zum Zechensterben hat er den Alltag in den Fokus genommen. Mit sicherem Gespür für den richtigen Moment hat er pointiert und mit Humor Menschen und Situationen des Alltags eingefangen. Ein Meister der Licht- und Schattenwirkung, seine Erfahrung als Theater- und Reportagefotograf sind unverkennbar. Staunend steht man vor seinen Stadtlandschaften. Schrebergartenidylle vor qualmenden Schloten und "noch" weißer, zum Trocknen aufgehängter Wäsche. Betriebsame Einkaufsstraßen und Kreuzungen, verlassene Straßenzüge unter geschwärztem Ruhrpotthimmel. Seilchen springende und Kohle schaufelnde Blagen, Kumpel im Bergwerk und bei Protestmärschen. Und Überraschung bei Arealen, die man heute ganz anders kennt. So soll einmal die Schwanentorbrücke in Duisburg ausgesehen haben?

Verschiedene Sichtweisen aufs Revier

Es folgen die Fotografien von Bernd und Hilla Becher (1931-2007 bzw. 1934-2015). Ihre "Typologien" der Industriebauten zeigen eine ganz andere Sichtweise als die Holtappels. Sachlich nüchtern haben sie die Industriebauten, meist kurz vor der Schließung, dokumentiert und sie so vor dem Vergessen bewahrt. Joachim Brom (geb. 1955) richtet seinen Blick auf das Ruhrgebiet der späten 1970 und 1980er Jahre. In matten Farben zeigt er anonyme Brach- und Gewerbeflächen außerhalb der Stadtgebiete, aber auch das Freizeitvergnügen an der Ruhr. Jitka Hanzlová ( geb. 1958 in der Tschechoslowakei) schaut als Zugereiste auf das Revier. Ihre zwischen 2005 und 2010 entstandenen Fotos unter dem Titel "Hier" zeigen das oft übersehene Detail. Auf einigen Fotos sind bekannte Orte im Revier zu erkennen, andere Motive lassen keine Rückschlüsse auf den Standort zu. Das im besten Sinne Banale im Alltäglichen, losgelöst von der Umgebung, ist sich selbst genug. Ein manchmal geradezu poetischer Blick ins Revier.

Zwei Filme gibt es auch zu sehen. Der amerikanische Bildhauer Richard Serra (geb. 1939) dokumentiert in seinem Film "Stahlwerk/Steelmill" die Entstehung der Skulptur "Berlin Block for Charlie Chaplin", die in der Henrichshütte in Hattingen geschmiedet und 1980 vor der Neuen Nationalgalerie in Berlin aufgestellt wurde. Zum einen zeigt Serra den Entstehungsprozess, zum anderen lässt er Stahlarbeiter zu Wort kommen.
Der Filmemacher Marco Kugel (geb. 1979) dokumentiert in dem 2014 entstandenen Film "Flüsse-Täler-Berge" die Folgen einer Werksschließung für das Leben in einer wirtschaftlich kriselnden Region.

Kohle an der Wand

Kohle gibt es in der Ausstellung auch. Vor Ort war diese allerdings nicht mehr zu beschaffen. So musste die Bergwerkstadt Ibbenbüren aushelfen. Feinste Anthrazitkohle wurde zu einem glitzernden Wandbelag verarbeitet. Kohle als dekorativer Wandschmuck - auch irgendwie ein Hinweis auf den Wandel in der Region.

Eine überaus sehenswerte Ausstellung, die für ältere Besucher auch eine Reise in die ganz persönliche Vergangenheit sein kann und für jüngere Besucher überraschende Rückblicke bietet.
Bei der Eröffnung ging es daher auch lebhaft zu. Es wurde vor den Fotografien angeregt diskutiert und gefachsimpelt. Erfahrungen und Erinnerungen wurden ausgetauscht. So muss es sein!

Wer sich von den Fotos nicht trennen mag, kann sie in Form von 4 Katalogen in einem Schuber, nach Hause tragen.

Ein umfangreiches Programm begleitet die Ausstellung. Unbedingt in die Programmliste schauen, da gibt es Interessantes zu hören und zu sehen. So z.B. eine Lesung mit Frank Goosen (18. Januar 2018 ) oder den Adolf Winkelmann- Film "Junges Licht" (01. März 2018) sowie vielversprechende Gesprächsrunden. Begleitprogramm hier

"Umbrüche. Industrie-Landschaft - Wandel" läuft bis zum 25. März 2018

Museum unter Tage
Situation Kunst
Schlossstr. 13
44795 Bochum
www.situation-kunst.de

Jetzt erstmal viel Freude beim Anschauen der Fotos, die bei der Eröffnung entstanden sind:

Autor:

Andrea Gruß-Wolters aus Duisburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

43 folgen diesem Profil

8 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.