Gölzenleuchter/Wilbert brachten es auf den Punkt
Stadtmuseum Hattingen voll
Im Rahmen der Ausstellung „Lebenslinien“ im Stadtmuseum Hattingen zum 80. Geburtstag von H.D. Gölzenleuchter fand eine Lesung am 16. Mai statt. Der Aphoristiker Jürgen Wilbert vom Aphorismus-Archiv im Haus hatte zu den Aphorismen von Gölzenleuchter Anmerkungen gemacht und der Künstler las selbst eigene Texte zur Kunst vor. Die Museumsleiterin Gudrun Schwarzer-Jourgens übernahm die Moderation der Lesung und ging vertiefend auf die Ausstellung und das Schaffen von Gölzenleuchter ein. 40 Interessierte ließen sich begeistern!
Aphorismus (genau bestimmen,
abgrenzen)
Zur Begriffserklärung eine Erläuterung: Ein Aphorismus (genau bestimmen, abgrenzen) ist ein selbstständiger einzelner Gedanke, ein Urteil oder eine Lebensweisheit. Er kann aus nur einem Satz oder wenigen Sätzen bestehen. Oft formuliert er eine besondere Einsicht rhetorisch als allgemeinen Sinnspruch. Dagegen gelten Auszüge aus anderen Texten, wie geflügelte Worte oder pointierte Zitate literaturwissenschaftlich nicht als Aphorismen. Ein Verfasser von Aphorismen wird als Aphoristiker bezeichnet.
Aphoristische Textsammlung
„Stolperzeilen“
Der Bochumer Künstler H.D. Gölzenleuchter ist nicht nur wegen seiner zum Teil großformatigen Holz- und Linolschnitte bekannt, er hat sich auch als Autor einen Namen gemacht. Vorzugsweise schreibt er Gedichte und Kurzprosa. 2021 ist seine erste rein aphoristische Textsammlung erschienen: „Stolperzeilen“. Daraus stellte Jürgen Wilbert einige prägnante Aphorismen vor. Für Gölzenleuchter sind Aphorismen auch „APO-Rismen“. Er las Gedichte und Kurzgeschichten, die in Verbindung zu seiner Kunst stehen.
Großformatige Holz- und Linolschnitte
Gölzenleuchter erzählte, wie er von den Skizzen von Matisse inspiriert wurde. Seine Arbeiten mit Holz fanden vielfältige Verwendungen – es wurden Türen benutzt, Holzstücke vom Bau oder Baumreste. Er ließ sich auch von Holzschneider aus Tansania beeinflussen, die Makonde sind ein Bantuvolk im Südosten Tansanias. Sie erstellen z.B. Figuren zur Geisterbeschwörung. Er widmete sich intensiv der Holzschnitt-Technik, wo er mit dem Teppischmesser großzügig arbeiten konnte. Auch das Erstellen von Linoldrucken hat er weiterentwickelt.
Kettensäge oder eine Flex
als Werkzeug
Gölzenleuchter selbst erstellt keine Vorlagen oder Skizzen – er kritzelt was aufs Papier, grobe Skizzen – und arbeitet dann spontan und intuitiv an dieser Idee, um daraus dann Kunstwerke zu erstellen. Er arbeitet gerne mit einer Kettensäge oder einer Flex. Damit sind große Linien möglich, die bildliche Strukturen aufbauen. Da die Holzwerke meist größere Formate haben, kann er diese nicht mit einer Druckpresse drucken sondern er benutzt den Löffeldruck, wo sehr arbeitsintensiv die einzelnen Elemente mit der Farbe aufs Papier gebracht werden.
Neben den künstlerischen Arbeiten gründete Gölzenleuchter 1979 die Edition Wort und Bild, wo in Kleinauflagen Bücher verlegt wurden.
Was kann Kunst heute noch leisten?
Frau Gudrun Schwarzer-Jourgens stellte die Frage, was Kunst heute noch leisten kann? Gölzenleuchter möchte ein anderes Weltbild prägen, er ist seit 1971 freischaffender Künstler. Auch moralische Werte müssen betont werden. Menschen sollen zusammenkommen – über die Kunst. Ebenso ist Gölzenleuchter die Kooperation mit anderen Künstlern wichtig – gestaltend, schreibend und sprechend – um neue Ideen zu entwickeln, auch Projekte zusammen zu machen für Ausstellungen oder Lesungen.
Kurt Tucholsky und das Thema Zensur
Und so kommen wir zum zweiten Kapitel des Abends, wo der Aphoristiker Jürgen Wilbert über Texte von Kurt Tucholsky ins Gespräch kommt – es ging um das Thema Zensur, was in den 1930er Jahren zu beklagen war. Wilbert zitierte ein paar Aphorismen aus der Textsammlung „Stolperzeilen“ von Gölzenleuchter.
- „Gedanken sind unhöflich – sie kommen unangemeldet!“
- „Der Politiker, der seinen Kopf durchsetzen wollte, hat ihn später verloren!“
- „Stolperzeilen auf dem Papier, sind Stolpersteine auf dem Bürgersteig – sie sind nachhaltig!“
- „Die Sprache der Herrschenden macht sprachlos!“
- „Auch in Wortspielen kann man sich verdribbeln!“
- Von Karl Kraus: „Das Land der Richter und Henker!“
- „1-Euro-Jobs bringen 1-Euro-Läden hervor!“
- „Ihn plagte das schlechte Gewissen – müsste es nicht das gute Gewissen sein!“
- „Krieg – der Weisheit letzter Schuss!“
Zum Thema Aphorismen haben Friedemann Spicker und Jürgen Wilbert ein Buch geschrieben. Wilbert bezog weitere Anmerkungen auf sein Buch „Heim-Suche“. Gölzenleuchter machte Anmerkungen zu seinem Buch „Zuckerbrot“.
Zum Abschluss las Gölzenleuchter noch ein paar Kurzgeschichten aus seinem „Lesebuch“ vor. Zu „Baumfrau“, „An meine Freunde“, „Versuch über die Heimat“, „Gegen das Nichts“, „Was ich benötige heute“ und „Die Kälte unserer Zeit“.
Gölzenleuchter hob hervor, dass er zu Beginn seines Schaffens von der Naturfreunde-Bewegung beeinflusst wurde.
Ihm wurde auch der Verdienstorden des Landes NRW im Jahre 2018 verliehen. Er ist seit vielen Jahrzehnten einer der herausragenden Künstler Westfalens.
Foto 1 (von links): Jürgen Wilbert im Gespräch mit H.D. Gölzenleuchter.
Foto 2 (von links): Aphoristiker Jürgen Wilbert mit Museumsleiterin Gudrun Schwarzer-Jourgens und Künstler H.D. Gölzenleuchter zu Beginn der Lesung.
Autor:Lutz Gollnick aus Bochum |
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