Kunst mit dem Kärcher
Reverse-Graffito erinnert in Bochum an einen Toten
Das überlebensgroße Portrait, das seit dieser Woche gegenüber dem Haupteingang der Bochumer Jahrhunderthalle zu sehen ist, erinnert an den Frührentner Josef Anton Gera aus Bochum-Riemke, der vor 25 Jahren auf dem damals noch brach liegenden Industriegelände aus homophoben Motiven von zwei Rechtsradikalen erschlagen worden ist.
Vor dem Colosseum an der Alleestraße, dort wo im Sommer ein beliebter Treffpunkt für Skater ist, steht sein Name schon seit längerem auf einen Betonsockel gesprüht. Zusätzlich gibt es schräg gegenüber an einer Hauswand, in der Nähe der Tankstelle, eine Plakette, die an Josef Anton Gera erinnert. Nun, 25 Jahre nach dem Angriff, wird die Widmung nun auch offiziell: Seit vielen Jahren setzen sich Bochumer Antifaschistinnen und Antifaschisten für ein angemessenes Gedenken in der Stadt an diese Tat ein und haben zuletzt auch politische Unterstützung bekommen: Der Platz vor dem Colosseum an der Alleestraße wird am 14. Oktober offiziell nach Josef Anton Gera benannt - der Antrag der Grünen wurde in der Bezirksvertretung Mitte einstimmig angenommen.
Gericht: Kein Mord, sondern Körperverletzung mit Todesfolge
Vor 25 Jahren, am 14. Oktober 1997, attackierten zwei Neonazis Josef-Anton Gera mit einer Eisenstange. Zwei Tage später erlag er seinen Verletzungen. Die beiden Täter wurden wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Die beiden Täter prahlten später vor Familienangehörigen, es einem Schwulen mal richtig gezeigt zu haben, ihre Aussage unterstrichen sie mit dem Hitlergruß und ließen dem ganzen noch ein "Sieg Heil" folgen. Weil man den beiden Tätern keine Mitgliedschaft in bekannten rechtsextremen Parteien oder weiteren Gruppen nachweisen konnte, wurden sie nicht als rechtsextreme Täter bezeichnet und dementsprechend die Tat auch nicht als solche registriert. Öffentlich wurde von einer „Milieutat“ unter Obdachlosen gesprochen, die aus einer alkoholisierten Streitigkeit heraus begangen wurde.
Ein Kunstwerk auf Zeit
Das Kunstwerk in unmittelbarer Nähe gibt dem Opfer nun auch ein Gesicht. Initiator der Gedenk- und Kunstaktion ist Heiko Koch, der sich mit dem Fall schon seit 25 Jahren beschäftigt und intensiv die Hintergründe recherchiert hat. Die Galerie Januar unterstützt die Kunstaktion als Projektträger. Finanziert wird das Ganze von "Demokratie leben."
Das Portrait wird nur für einen begrenzten Zeitraum zu sehen sein: Es entsteht - und es vergeht. So, wie ein Leben. Damit ist es nicht zuletzt ein Ausdruck einer lebendigen Erinnerungs- und Gedenkkultur.
Angefertigt hat es der renommierte Künstler Klaus Duven, der weltweit für seine so genannten "Reverse Graffiti" im öffentlichen Raum bekannt ist. Sie entstehen aus dem gezielten Abtragen von Verschmutzungen mit dem Hochdruckreiniger, aus dem Kontrast zwischen gereinigter und ungereinigter Fläche. Unterstützt wird er in seiner Arbeit passenderweise durch die Firma Kärcher. Wind und Wetter verändern seine Kunstwerke, bis sie irgendwann nicht mehr mit bloßem Auge wahrgenommen werden können - fünf Jahre etwa dauert dieser Prozess.
Gesicht und Geschichte
"Heute bekommt dieser Platz ein Gesicht und mit diesem Gesicht eine Geschichte", so die Kulturausschuss-Vorsitzende Barbara Jessel bei der Präsentation der Kunstaktion. "Das Reverse-Graffito von Klaus Dauven ist ein Bild gegen das Vergessen, gegen das Verschweigen. Eine Mahnung in 2022, da zunehmend Menschen aus der LGBTQ-Community Hass und Gewalt ausgesetzt sind."
Auch Initiator Holger Koch drängt auf eine Neubewertung: Weil die Täter damals angeblich "nur" eine rechtsradikale Gesinnung hatten, nicht aber organisiert waren, galten sie nicht als politisch motiviert. Die Tat wurde vor Gericht nicht als Mord, sondern als schwere Körperverletzung mit Todesfolge angesehen. Der wahre Hintergrund der Tat, so seine Überzeugung, sei bewusst nicht thematisiert worden, um das Image der Stadt nicht zu beschädigen. "Ich wünsche mir eine städtische Initiative, die sich bemüht, dass der Prozess zu Josef Gera und die Motivlage der Mörder neu bewertet wird und Josef Gera offiziell als Opfer rechter Gewalt anerkannt wird", so Koch in seiner Rede bei der offiziellen Einweihung des Kunstwerks. Mittels eines QR-Codes auf einer Gedenkstele oder -Tafel könne man, so seine Idee, künftig Betrachter des Kunstwerks über den Hintergrund informieren.
Auch Bochums Kulturdezernent Dietmar Dieckmann war zur Präsentation gekommen: "Das, was hier passiert ist, ist unfassbar."
Hintergrund:
Klaus Dauven ist in Bochum kein Unbekannter. Schon 2005 hat er unter der S-Bahn-Brücke in Langendreer an der Gasstraße sein "Brückenbaumwerk" erschaffen. Zum Kulturhauptstadtjahr Ruhr.2010 realisierte er zum "Stilleben" auf de A40 die Arbeit "Abgefahren" auf der Wand an der Abfahrt Dorstener Straße
Autor:Petra Vesper aus Bochum |
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