Regisseurin Martina van Boxen realisiert mit ihrem Team im Theater Unten des Schauspielhauses Stücke für die jüngsten Zuschauer
Wer die Arbeiten der Regisseurin Martina van Boxen für das Theater Unten kennt, wird kaum verwundert sein, dass sich die Leiterin des Jungen Schauspielhauses als leidenschaftliche Märchenleserin und Bilderbuchenthusiastin zu erkennen gibt. Ihre Stoffe stammen aus Volks- und Kunstmärchen, oft aber auch aus Bilderbüchern wie jüngst „Lindbergh – Die abenteuerliche Geschichte einer fliegenden Maus“. - Van Boxens Stücke werden als Auftakt einer Serie, in der der Lokalkompass die Arbeit des Jungen Schauspielhauses in den Blick nimmt, vorgestellt.
Der Dauerbrenner „grimmsklang“ ist mit dem Untertitel „Ein etwas anderes Märchen“ versehen. Es handelt sich dabei in mehrerer Hinsicht um eine Collage. „Wir arbeiten mit Musik, Tanz und Bildern“, erklärt van Boxen. Eine ganze Reihe bekannter und weniger bekannter Grimmscher Märchen werden Teil des performativen Theaterstücks für Kinder ab acht Jahren, darunter „Die zertanzten Schuhe“, „Rotkäppchen“ und „Jorinde und Joringel“. Von den gut 200 Märchen der Brüder Grimm kommen immerhin 37 in „grimmsklang“ vor. Van Boxen und ihr Team haben auch ein Quiz in ihr Stück integriert. „Manchmal“, erzählt sie, „werden fast alle Märchen erraten; bei anderen Vorstellungen wird kaum ein Märchen erkannt. Ein Märchen wird nie erraten.“ - Welches das ist, verrät sie natürlich nicht.
Kinder und Jugendliche werden nach ihren Erwartungen an das Theater gefragt
An „grimmsklang“ ist vieles ungewöhnlich, auch die Entstehung. Martina van Boxen erinnert sich: „Ich bin in Schulen gegangen. Die Schüler haben viel erzählt. Gerade die Mädchen finden Prinzessinnen meistens doof. Wir hinterfragen deshalb im Stück festgefahrene Geschlechtsidentitäten: Unsere Prinzessin ist auf Krawall gebürstet. Wir haben aber auch darüber gesprochen, was Kinder und Jugendliche vom Theater erwarten.“ Auf der Bühne steht in „grimmsklang“ neben van Boxens Stammkräften Michael Habelitz und Manuel Loos die Schauspielerin Paula Gendrisch. Van Boxen erzählt: „Sie kommt vom Physical Theatre und beherrscht Tanz und Musik.“
Auch die Märchen Hans Christian Andersens haben es van Boxen angetan. „'Däumelinchen'“, erinnert sie sich, „mochte ich schon als Kind gern.“ - Das Team des Jungen Schauspielhaus hat aus dem Kunstmärchen musikalisches Erzähltheater für Kinder ab fünf Jahren gemacht. „Wir wollten nicht einfach die Geschichte erzählen. Deshalb haben wir die Idee der Hans-Christian-Andersen-Märchentruppe entwickelt. Die Botschaft der Geschichte lautet: Das Leben ist manchmal ganz, ganz schlimm, aber am Ende kann alles gut werden. Deshalb bin ich überzeugt, dass Kinder Märchen brauchen, auch wenn darin viel Brutales geschieht.“
Michael Habelitz ist ein Multitalent
Der Bühnenbildner, Videokünstler und Schauspieler Michael Habelitz ist auch bei „Däumelinchen“ mit von der Partie. „Er hat ein unglaubliches Talent, auf die kindlichen Zuschauer einzugehen“, streicht van Boxen die Qualitäten ihres langjährigen künstlerischen Weggefährten heraus. Sie fährt fort: „Michael bezeichnet sich als Generalist; er hat schon viele Berufe ausgeübt und beschäftigt sich mit Kunst und Photographie. Als er zum ersten Mal eine Puppe in der Hand hatte, entdeckte er, dass er Puppen spielen kann.“
Das stellt er unter anderem in „Fred und Anabel“ unter Beweis. Die Liebesgeschichte zwischen einem Kater und einer Graugans, die auf dem gleichnamigen Bilderbuch von Lena Hesse beruht, wird im Theater Unten für die kleinsten Zuschauer gespielt – schon Dreijährige haben ihre Freude an dem ungleichen Paar. „Hesses Buch ist inhaltlich und ästhetisch gelungen. Umso schöner war es, wie begeistert Lena Hesse von der Premiere war: Sie sagte, wir hätten ihre Figuren zum Leben erweckt.“
Manuel Loos sorgt für Musik
Neben Michael Habelitz agiert der Musiker Manuel Loos in „Fred und Anabel“ auf der Bühne. „Ich brauchte einen Musiker und habe deshalb Torsten Kindermann angesprochen, der die Aufgabe aus terminlichen Gründen aber nicht selbst übernehmen konnte. Er hat mir dann Manuel Loos vermittelt. Er ist sehr vielseitig; das ist wichtig, weil wir uns ja nicht dauernd wiederholen wollen.“
Van Boxens Vorliebe für Bilderbücher regte sie dazu an, an die Schauspieler, die an „Däumelinchen“ beteiligt waren, solche Bücher zu verschenken. „Michael Habelitz bekam Torben Kuhlmanns 'Lindbergh'“, verrät van Boxen. Natürlich ist Habelitz auch in dem auf „Lindbergh“ basierenden Kinderstück wieder mit dabei, das sich an Zuschauer ab fünf Jahren richtet. „Die Herausforderung bestand darin“, erklärt die Regisseurin, „die Ästhetik des Buches auf die Bühne zu bringen.“ Auch hier steht wieder eine Puppe im Mittelpunkt. „Unsere Sorge war, ob die kleine Maus bis in die letzte Reihe trägt“, sagt van Boxen. Mittlerweile ist klar: Gerade die Maus fesselt kleine (und große) Zuschauer. Ein weiterer Eckpfeiler der Produktion ist die Musik. Martina van Boxen erklärt die Entscheidung, welche Musik in „Lindbergh“ erklingen sollte: „Torben Kuhlmann hat selbst Jazz gehört, während er an seinem Buch gearbeitet hat. Da diese Musik gut in die Zeit, in der das Stück spielt, nämlich die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, passt, haben wir uns entschieden, sie ebenfalls einzusetzen. Generell ist Live-Musik im Kindertheater ausgesprochen wichtig.“
„Manuel Loos hat den Bass, den er in 'Lindbergh' spielt, selbst gebaut“, erklärt die Regisseurin und fährt fort, „Manuel harmoniert gut mit Maria Trautmann. Ihr Hauptinstrument ist die Posaune.“ - Dass van Boxen die Arbeit ihrer Mitstreiter so hervorhebt, kommt nicht von ungefähr: „Der Teamgedanke ist mir wichtig. Bei uns geht vieles ganz schnell. Ich genieße das sehr.“
Im Kindertheater haben auch ernste Themen ihren Platz
„'Lindbergh' kommt ohne viel Kontakt zum Publikum aus“, ordnet Martina van Boxen ein, „unsere Produktion 'Nalu und das Polymeer' ist da anders. Ich hatte zunächst zwei Versionen geschrieben: einen erzählten Text in Prosa und eine Fassung in Dialogen, die sich dann als die richtige herausgestellt hat. Diese Form des Erzähltheaters bezieht das Publikum stark ein.“ - „Nalu und das Polymeer“ hat van Boxen selbst geschrieben. Während „Lindbergh“ die Thematik der Flucht vor Verfolgung aufgreift, behandelt „Nalu und das Polymeer“ ein anderes aktuelles Thema, wie Autorin van Boxen erklärt: „Die Ozeane sind zugemüllt. Ein Bild ist um die Welt gegangen: Eine Schildkröte hatte sich in einem Sixpack-Kranz verfangen, und war darum herum weiter gewachsen. Der Kranz hatte sich wie ein Gürtel in ihren Körper gefressen. Ich finde das richtig schlimm. Ich bin der Überzeugung, dass man in der Arbeit für Kinder auch schwerste Themen aufgreifen kann. In meiner Inszenierung 'Der Gärtner' habe ich mich mit Demenz beschäftigt – gedacht war das Stück für Kinder ab vier Jahren.“ - „Nalu und das Polymeer“ ist dagegen ein Musiktheaterstück für etwas ältere Kinder – ab neun Jahren. „Man muss“, resümiert van Boxen, „Kinder ernst nehmen. Über vieles wird nicht geredet. Wir greifen auch diese Themen auf.“
Termine
„grimmsklang“ bleibt weiter im Repertoire des Jungen Schauspielhauses. Aufführungstermine werden noch bekanntgegeben. Das gilt auch für „Däumelinchen“ und „Fred und Anabel“.
„Lindbergh – Die abenteuerliche Geschichte einer fliegenden Maus“ wird am Montag, 6. November, um 10 Uhr in einer speziellen Vorstellung für Schulen und Kindergärten im Theater Unten des Schauspielhauses, Königsallee 15, gezeigt. Eine weitere Schulvorstellung folgt am Montag, 13. November, um 12 Uhr. Am Mittwoch, 29. November, haben Schul- und Kindergartengruppen um 11 Uhr die Gelegenheit, das Stück zu sehen.
„Nalu und das Polymeer“ wird am Samstag, 4. November, um 16 Uhr im Theater Unten wiederaufgenommen. Am Samstag, 11. November, ist das Stück ebenfalls um 16 Uhr zu sehen. Auch für dieses Stück gibt es spezielle Schulvorstellungen. Die Termine: Dienstag, 14. November, 11 Uhr; Mittwoch, 15. November, 10 Uhr.
Weitere Informationen gibt es auf www.schauspielhausbochum.de.
Die Theaterkasse ist unter Tel.: 33 33 55 55 zu erreichen.
Autor:Nathalie Memmer aus Bochum |
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