Einer der erfolgreichsten deutschen Komponisten der Neoklassik - Mit der „Ocean – Solo Piano Tour“ in der Christuskirche in Bochum
Pianist Dirk Maassen im Exklusiv-Interview: „Mein Klavier ist mein Tagebuch“

Dirk Maassen ist einer der erfolgreichsten deutschen Komponisten der Neoklassik - und begrüßt jeden Besucher seiner Konzerte per Handschlag. Foto: Markus Werner
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  • Dirk Maassen ist einer der erfolgreichsten deutschen Komponisten der Neoklassik - und begrüßt jeden Besucher seiner Konzerte per Handschlag. Foto: Markus Werner
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Gefühle hörbar machen, in fantastische Klangwelten eintauchen – Pianist Dirk Maassen macht's möglich. Bevor er im Rahmen seiner „Ocean – Solo Piano Tour“ am 7. Februar (20 Uhr) in der Christuskirche Station macht, erzählt der 49-Jährige im Exklusiv-Interview mit dem Stadtspiegel, wie er als Softwareentwickler auf die große Bühne kommt, warum er jeden Besucher noch immer per Handschlag begrüßt und welche Bedeutung die Musik für ihn hat.

Hallo Dirk Maassen, Sie gelten als einer der erfolgreichsten deutschen Komponisten der Neoklassik. Wie würden Sie selbst Ihre Art von Musik beschreiben?
Ich würde es gar nicht mit einem Genre belegen. Meine Klaviermusik ist mein musikalisches Tagebuch. Wenn ich es einer Stilrichtung zuordnen soll, würde ich es selbst als Popmusik bezeichnen. Wenn man es als Neoklassik einordnet, ist das für mich aber auch in Ordnung.

Wie sind Sie zu dieser Art von Kompositionen und Musik gekommen?
Ich habe die Musik immer als Mittel gesehen, meine Erfahrungen und Beobachtungen zu verarbeiten. Ich habe das Klavier genutzt, Erlebtes noch einmal nachzufühlen – eben so, wie andere Menschen Tagebuch schreiben. Es gibt dazu einen schönen Satz von Schopenhauer: Man kann die Welt nicht erdenken, sondern die Wahrheit des Seins nur erfühlen.

"Träne im Auge und Lachen im Gesicht"

In einem Tagebuch verarbeitet man nicht immer nur positive Dinge, Ihre Musik transportiert aber eine sehr sanfte, entspannte Stimmung – ein Widerspruch?
Ich bin ein Mensch, der fast allem auch etwas Positives abgewinnen kann. Vieles im Leben hat zwei Seiten. Ich habe zum Beispiel auf dem letzten Album ein Stück geschrieben für meinen Vater, der einen Schlaganfall erlitten hatte. Ich habe darin die Trauer verarbeitet, dass es ihn so hart getroffen hat. Aber zugleich auch die ganze Freude, die ich mit ihm gemeinsam erlebt habe. Das sind Glücksmomente, die ich festgehalten habe. So hat fast alles im Leben bei aller Nachdenklichkeit oder Traurigkeit auch eine positive Seite. Das spiegelt sich in meiner Musik wider. Mit hat mal jemand nach einem Konzert geschrieben, er hatte gleichzeitig eine Träne im Auge und ein Lachen im Gesicht. Das war eines der schönsten Feedbacks, das ich bekommen habe. Und so fühle ich mich manchmal auch, wenn ich komponiere.

Wie entsteht eine neue Komposition? Ist es zunächst vor allem Improvisation?
Ich setze mich nie mit der Intention ans Klavier, zu komponieren. Ich schalte ab, lasse mich gehen, improvisiere. Die meisten Kompositionen entstehen lustiger Weise dann, wenn ich eigentlich gar keine Zeit habe. Ich bin beruflich in der IT-Branche tätig, stecke parallel in der Vorbereitung zur Tour – da braucht man auch mal Pausen und muss abschalten. Dann setze ich mich ans Klavier und dabei entstehen oft die besten Sachen. Manchmal hat man aber auch eine Idee, ohne das Stück gleich zu vollenden. Das ist eher ein kontinuierlicher Prozess.

Sie haben selbst Ihre Arbeit in der IT-Branche angesprochen. Was die Frage aufwirft: Wie kommt ein Softwareentwickler dazu, auf großer Bühne Pianomusik zu machen?

Der Weg war eher umgekehrt. Als Kind und Jugendlicher wollte ich Musiker werden und habe das in jungen Jahren auch stark forciert. Ich hatte verschiedene Bandprojekte, habe in den 80er Jahren viel Synthie-Pop gemacht, mit eigenen Auftritten und eigenen CDs. Wir wollten damals die Welt erobern, aber irgendwann holt einen die Realität ein. Ich habe mich dann für ein Studium der Elektrotechnik entschieden und wollte Toningenieur werden, um im Bereich Musik zu bleiben. Dann bin ich etwas auf die schiefe Bahn geraten, wie ich es gerne salopp ausdrücke. (lacht) Ich habe die Liebe zur Software-Entwicklung entdeckt, was auch ein sehr kreativer Beruf ist. Musik habe ich nebenher weiter gemacht, aber eigentlich nur noch für mich.

"Es gab  Zuschriften aus aller Welt"

Wie kam es dann dazu, jetzt doch als erfolgreicher Musiker in der Öffentlichkeit zu stehen?
Es war ungefähr 2010, als mich Freunde motiviert haben, mein Klavierspiel auch öffentlich zugänglich zu machen. Ich war aber eher vorsichtig und habe zunächst über eine digitale Verbreitung nachgedacht. Ich habe dann in meinem Wohnzimmer ein Klavierstück aufgenommen, über die Plattform SoundCloud hochgeladen – und das ist ziemlich eingeschlagen. Ich hatte fast tausend Kommentare in einer Woche. Wenn du damit nicht rechnest und dann ein so Feedback bekommst, löst das etwas aus und motiviert dich. Es hat sich dann auch auf anderen Plattformen fortgesetzt, was mir gezeigt hat, dass es kein Zufallstreffer war. Und es gab Zuschriften aus aller Welt, wann ich mal live zu sehen sei.

Das dürfte Sie sehr gefreut haben…
Ich habe es am Anfang weit von mir weggeschoben, mich auf eine Bühne zu setzen. Aber es lässt einen auch nicht los. Ich hatte rund eine Million Menschen, die über Streaming regelmäßig meine Musik hören. Und dann willst du wissen: Ist das einfach eine virtuelle Zahl oder gibt es diese Leute wirklich? Ich habe mich der Sache aber ganz vorsichtig genährt und erstmal per Facebook zu einem halb-öffentliches Konzert in meinen Proberaum eingeladen. Nach den ersten sieben, acht Zusagen habe ich kalte Füße bekommen und das Konzert für ausverkauft erklärt. (lacht) Aber ich habe es durchgezogen, ich wollte die ganze Sache ein bisschen ins echte Leben holen.

Und das hat geklappt?
Das hat gut funktioniert und von diesem Moment an habe ich es weiterentwickelt. Inzwischen spiele ich auf meiner Tour auch in größeren Sälen, teilweise vor 500, 600 Menschen. Es hat sich in den vergangenen drei Jahren in eine ganz andere Größenordnung entwickelt.

"Ich begrüße jeden Besucher per Handschlag"

Gilt das auch für das Lampenfieber vor dem Auftritt?
Das habe ich interessanter Weise heute gar nicht mehr so sehr. Es überwiegt eher die Freude. Ich habe gelernt, dass ich nur ich selbst sein muss. Das ist auch das, was das Ganze erfolgreich macht – dass ich authentisch bin. Mit 30 Jahren hätte ich vielleicht noch versucht, einem Klischee gerecht zu werden. Aber im etwas reiferen Alter von 49 Jahren will ich mich nicht verstellen und habe den Eindruck, ich muss es auch nicht. Ich fühle mich bei den Konzerten ein bisschen wie in meinem Wohnzimmer und spiele vor lauter Freunden. Ich begrüße ja auch noch immer jeden Besucher per Handschlag. Ich möchte gerne sehen, was für Menschen in meine Konzerte kommen. Und das schafft auch eine gewisse Nähe.

Sie spielen häufig wie auch bei Ihrem Auftritt in der Christuskirche in Bochum in sakralen Räumen. Passen diese Orte besonders gut zu Ihrer Musik?
Ich möchte mit meiner Musik weder eine politische noch eine religiöse Aussage machen. Ich möchte den Menschen vielmehr Zeit geben, in der sie von der Digitalisierung Pause machen können. Zeit, zu sich zu kommen, in sich hineinzuhören. Da ist eine Kirche gut geeignet, weil der Ort an sich eine entsprechende Grundstimmung vermittelt. Außerdem haben Kirchen natürlich eine wahnsinnig schöne Akustik.

Erreichen Sie mit Ihrer Art von Pianomusik ein anderes Publikum, als zum Beispiel mit klassischer Musik?
Ich habe festgestellt, dass es nicht den typischen Dirk-Maassen-Hörer gibt. Mein Publikum reicht von Anästhesie-Ärzten bis zu Mitarbeitern der Stadtreinigung, von Kindern bis zu älteren Menschen. Meine Art von Musik zieht nicht dezidiert Klassik-Hörer an, auch nicht unbedingt Neo-Klassik-Fans – es ist eher ein guter Durchschnitt der Bevölkerung. Aber meine Musik kann durchaus den Weg bahnen, sich mehr für Klassik zu interessieren.

Haben Sie den Eindruck, Menschen auch ganz neu oder verstärkt für Klavier- und Pianomusik an sich interessieren zu können?
Auf jeden Fall! Ich verkaufe nach den Konzerten meine Noten und treffe immer wieder auf Menschen, die nach eigener Aussage schon ein paar Jahre kein Klavier mehr gespielt haben, dann aber voll motiviert sind, wieder zu beginnen. Das freut mich besonders, wenn Menschen den Eindruck haben, dass Ihnen die Musik guttun kann, die ich sonst mache. Manche kommen mehrfach in meine Konzerte und erzählen mir von ihren Fortschritten. Und manche posten auf Youtube ihre Sachen, die sie von mir nachspielen. Das freut mich auch. Jemand, der meine Musik hört, ist schon toll. Aber wenn sich jemand sogar die Zeit nimmt, meine Stücke zu lernen und für sich zu interpretieren, dann ist das ein tolles Gefühl.

Tickets und Infos: www.semmel.de

Autor:

Dietmar Nolte aus Dortmund-West

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