„Nicht aufhören anzufangen!“ – 1. Gospel-Gottesdienst in St. Vinzentius Harpen

Gelebte Freude: die Gospel-Family in Harpen
6Bilder

Sie hatten zeitgenössische Gospel-Musik zum Anhören und Mitmachen angekündigt, hatten lebensnahe Geschichten als Theaterstück versprochen, eine familiäre Atmosphäre in Aussicht gestellt, mit guten Nachrichten zum Auftanken den Mund wässrig gemacht – und hatten damit keineswegs zu viel versprochen. Wer sich am Sonntag, 15.06.14 interessiert in die St. Vinzentius-Kirche nach Harpen begab, der hatte ohne Zweifel eine gute Wahl getroffen. Um 18.00 Uhr richtete die Gospel-Family-Bochum in der kleinen Kirche an der Kattenstraße 3 ihren ersten Gospel-Gottesdienst aus.

Es war vor allem der prägnante Slogan auf dem Einladungsflyer der evangelischen Kirchengemeinde Harpen und der Gospel-Family gewesen, der neugierig gemacht hatte und den Entschluss zur Teilnahme am Gottesdienst im Umsehen reifen ließ. „Nicht aufhören anzufangen!“, drei Worte nur, die auf verblüffend zutreffende Weise eine Botschaft transportierten, die einfing und zum Nachdenken anregte - eben weil es da immer wieder etwas gab, das gerne durch die Finger rutschte und vergessen ging, kaum dass es im Leben problematisch wurde. Mut und Zuversicht nahmen einander dann nämlich stets an der Hand – und weg waren sie, verschwunden in der tiefen Spalte der Hilflosigkeit und Ohnmacht. War man nicht gerade erst wieder geneigt gewesen, die Flucht zu ergreifen, weil die Pflichten schmerzhaft aneinander schrammten und sich um den Tag stritten, dessen Stunden wie üblich gar nicht reichen konnten, allen Anforderungen gerecht zu werden…?

Und so ließ „Nicht aufhören anzufangen!“ aufs Fahrrad steigen und per Einsatz eigener Körperkraft von Grumme nach Harpen strampeln, um zu erleben, wie man nicht aufhören konnte, anzufangen.
„Nicht aufhören anzufangen!“, dieses Motto war festgelegt worden, bevor die Bochumer wissen konnten, dass der Jahrhundertsturm „Christian“ jeden vierten Baum des bis dahin noch so grünen Stadtgebietes zu Boden reißen und in tiefer Traurigkeit und Ohnmacht vor einem Schlachtfeld aus Geäst und Blättern stehen lassen würde. Ein Motto übrigens, das selbst dem Dach der kleinen Kirche sehr zupass kam: „Nicht aufhören anzufangen!“ die vom Sturm zerstörten Pfannen abzutragen und es wieder neu einzudecken. Vor allem aber „Nicht aufhören anzufangen!“ im Leben etwas Neues zu versuchen.

Es sei der allererste Gottesdienst in Harpen, den die Gospel-Family eigenständig vorbereitet habe und gestalten werde, mit diesen Worten begrüßte Leiterin Christiane Hartmann in bekannt warmherziger Manier die interessierten Besucher, die man angesichts des unkonventionellen Rahmens ausnahmsweise einmal nicht „Gemeinde“ nennen mag, zumal sie sich im Verlauf der kirchlichen Veranstaltung als Mitwirkende fühlen durften. Man habe für die Predigt einen Pfarrer eingeladen, werde als Chor Stücke singen und habe Songs vorbereitet, die mitgesungen werden dürfen, sprühte die Chorleiterin in ihrer Herzlichkeit jede Menge Vorfreude über die Anwesenden. Und: „In einem Gospel-Gottesdienst darf man sich auch nach außen freuen“, ermunterte sie nachdrücklich zum Ausdruck von Lebendigkeit. Sie hoffe sehr, dass am Ende alle ein wenig anders nach Hause gingen, als sie gekommen seien.

Dass dies gewiss sein würde, daran zweifelte angesichts der transportierten Freundlichkeit und Heiterkeit und des bunten Bildes, das die Gospel-Family abgab, sicherlich keiner der in der Kirche Anwesenden. Die gut dreißig Sängerinnen und Sänger verstanden vom ersten Ton an, das Motto lebendig zu vermitteln. Mit authentisch fröhlichen Gesichtern, mit Mimik, Gestik und mit tanzenden Bewegungen gelang es ihnen, den Kirchenraum bis in den letzten Winkel mit Lebensfreude und mit Zuversicht zu fluten. Dass die emotional bereits ohnehin mit den Sängern verschmolzene Gemeinde schon nach den ersten beiden mitreißenden Stücken „Turn, Turn, Turn“ mitsingen und zu Mitgestaltern werden durfte, machte das Familiäre dieser Atmosphäre aus.

Während Predigt und Fürbitten den kirchlichen Rahmen erkennbar aufrecht erhielten, wurde der erfrischend unkonventionelle Gottesdienst durch die Mitwirkung des Instrumentalpraktischen Kurses der Schiller-Schule, der aus wenigen Schülern einen kleinen, stimmsicher u. a. „Freedom is coming“ vortragenden Chor geformt hatte, und durch die Vorführung eines kleinen Theaterstückes zu einer abwechslungsreichen und in sich runden Veranstaltung.
In drei aus dem Leben gegriffenen Episoden führten einige Gospelchor-Mitglieder vor Augen, wann sinnbildlich der Schuh so sehr drücken kann, dass der Lebensweg ins Wanken gerät und man kraft- und mutlos aufgeben möchte.

Dem Thema Scheitern, Frustration und Ohnmacht widmete sich anschließend Renke Bohlen. Der junge Pastor der neu gegründeten „Kirche im Pott“ schilderte in seiner Predigt das bedrückende Gefühl, in schwierigen Situationen etwas tun zu müssen, helfen zu wollen und das sich stellende Problem dennoch nicht lösen zu können. Viele Menschen drücke der Schuh und man sei dennoch machtlos und fühle sich so ohnmächtig, selbst wenn ein Problem manchmal nicht wirklich ein Problem sei.
Auch wenn es nicht immer so ganz einfach war, seinen engagierten, teilweise sprunghaft empfundenen Gedankengängen zu folgen, so konnte doch verstanden werden, „dass wir als Menschen ein Licht in dieser Welt sind“ und der Einzelne nicht aufhören sollte, dem anderen zu helfen, auch wenn er sich oft machtlos fühle. „Gott möchte unser Herz füllen, er möchte, dass durch uns etwas verändert wird“, schloss er seine Botschaft an die Anwesenden.

Dass die Veranstaltenden das zweifellos geschafft hatten, zeigten zwischendurch immer wieder der begeisterte Applaus, die Tatsache der Anwesenheit aller Generationen und das erfreute Mitsingen sowohl des einfühlsamen und eingänglichen modernden Kirchenliedes „Unser Vater“ als auch des "Shout to the Lord", dessen Text und Melodie zwar ebenfalls kurz zuvor gemeinsam geübt worden war, jedoch gerne noch etwas mehr Sicherheit oder abgedruckte Noten erfahren hätte.

„Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“, diese biblischen Worte waren hier gefühlt stimmig. Dem Gottesdienst fehlte nichts, da er Gemeinschaft herzustellen und die Menschen über alle Sinne zu durchdringen wusste. Als einzig problematisch entpuppte sich nur das klare Sieben-Uhr-Geläut, das sich mitten in den Fürbitten durchdringend Gehör verschaffte und diese dadurch schwer verständlich werden ließ.

Nach knapp anderthalb gemeinsamen Stunden verabschiedete der Chor mit „Smile“ eine kleine, alle Altersklassen umfassende und begeistert Applaus spendende Fan-Gemeinde aus einem besonderen Gottesdienst. So bleibt hier nur im Umkehrschluss zu sagen:

Nicht anfangen aufzuhören!

Herzlichen Dank für eine lebendige, mitreißende und lebensfrohe kirchliche Veranstaltung und vor allem Danke für die Warmherzigkeit und die familiäre Atmosphäre. Bitte auf jeden Fall mehr davon!

Autor:

Sabine Schemmann aus Bochum

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

12 folgen diesem Profil

2 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.