Lohnt es sich, gut zu sein? - Ein Gespräch...
"Gut sein lohnt sich nicht!“ - „Was für ein dummer Spruch.“ sagte mein Engel. „Es rentiert sich in jedem Fall für dich selbst, für deinen inneren Frieden.“ – „Ja, so wie Buddhisten mit einem Lächeln umhergehen und Achtsamkeit üben, um das Mitgefühl nicht zu verlieren.“ – „ Ja, ganz klar. Aber vor allem: Willst du Grausamkeiten verantworten, wenn du ihrer gewahr wirst und in der Lage bist, sie zu ändern? Nehmen wir mal an, du wüsstest einen Fall von Kindesmisshandlung in deiner Nachbarschaft und hättest die Möglichkeit, dem Einhalt zu gebieten. Was würdest du tun? Würdest du schweigen, vertuschen, nicht hinsehen?“
Das war Zivilcourage. Es basierte auf dem festen Willen, nicht nur gut zu sich selbst zu sein sondern auch das Beste für andere zu wollen und zu wünschen. Und dafür einzutreten. „Und das bedeutet, Seelen zu retten.“ sagte mein Engel. „Das Böse mit Gutem überwinden.“ -
„Dazu müsste man erst mal definieren, was gut ist.“ - „ Ist es gut, sich zurückzuziehen und die Grausamkeiten der Welt nicht an sich herankommen zu lassen? In einer selbst erfundenen Spielzeug - Welt in Kirchen, Klöster, Moscheen oder einen esoterischen Verein zu gehen, Yoga zu praktizieren und sich mittels dieser Techniken einem ziemlich egoistischen Gut – Sein – Rausch hinzugeben? Sich in gewissen Rhythmen, wie zum Beispiel von Sonntag auf Sonntag, geistig-seelische Nahrung abzuholen? Wie jede Droge benötigt man sie immer wieder, bis sie nahezu unwirksam wird.
Gut sein kann man weder erzwingen noch rational anstreben und da irrte Kant mit seinem Kategorischen Imperativ. Die „Pflicht zur Verantwortung“ ist auch keine bloße Sache des Verstandes, so wie Menschen sich kaum durch ihren Verstand leiten lassen. Aber Gut sein ist erlernbar, wenn man gelernt hat, gut zu sich zu sein.
Eigentlich entspringt es dem angeborenen menschlichen Mitgefühl des sozialen Tieres Mensch, doch mitunter erst, wenn der Geist frei geworden ist.“ - „ Frei?“ - „ Ja frei. - Frei von Untugenden, die seit jeher in allen Religionen und Philosophien als solche definiert wurden, frei von Neid, Gier, Missgunst, Eifersucht, Nicht – Denken, frei von Habsucht.“
„In einer Welt des Kapitalmonopols und der Ausbeutung von Natur und Mensch, des kalten Kampfes um das „Goldene Kalb? In der Geld, Güter und auch Menschen oft zum Habens - Besitz erklärt werden?“
„Nee, nee“ sagte mein Engel. „Es geht nicht ums Haben, es geht ums Sein.“
- „Wie bitte? Solche Leute sind doch Idioten, Träumer, friedliche Spinner - unfähig, sich an reale Gegebenheiten anzupassen! An Durchsetzungsvermögen, Raffinesse, Erfolgsstreben - an die genetische und archaische Determination der Spezies Mensch, sich fortzupflanzen und möglichst viele Ressourcen zu erobern. Und was ist da mit der Macht?“ - „Jeder gebraucht Macht“ sagte mein Engel “Männer in einem anderen Sinne als Frauen, aber auch Frauen gebrauchen Macht“ – „Ja, versteckt in einem Lächeln“ sagte ich.
„ Aber derjenige, der keine Macht gebrauchen will? Zum Beispiel Jesus und Gandhi? Man ermordete sie und sprach sie heilig.“ -
„Innere Freiheit besteht darin, die Verletzungen, die dir jemand zufügt beim anderen zu belassen und sich nicht damit zu identifizieren.“ sagte mein Engel.
Das könnte auch bedeuten, sich der Verantwortung aus der Kraft des Mitgefühls zu stellen, wo immer es angebracht ist. Die Motivation - wenn also eine Tat so ist wie sie zu sein scheint - und die Handlungen sind genauso ausschlaggebend wie die einsetzbaren Mittel.
„Mut zur Aufrichtigkeit, denn der winzige Splitter Welt, den wir retten können, gehört auch zum Ganzen.“ sagte mein Engel.
„Wie du und ich.“
(mit herzlichem Dank an Manfred S.)
Autor:Ingrid Dressel aus Bochum |
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