Leidenschaft für Filme: Endstation Kino in Langendreer feiert sein 30-jähriges Bestehen
Wie viele Sitzplätze der Wartesaal für die erste Klasse des ehemaligen Bahnhofs Langendreer einst hatte, ist nicht überliefert. Das Endstation Kino am Wallbaumweg 108, das sich seit 1988 im früheren Wartesaal befindet, bietet 86 Personen Platz. Nun wird das Kino 30 Jahre alt und lädt am Samstag, 8. September, zum Jubiläumstag ein.
„Der größte Teil wurde damals in Eigenarbeit umgebaut“, weiß Kinobetreiberin Nina Selig. „1986 wurde der Bahnhof Langendreer eröffnet, das Kino war der letzte Bauabschnitt.“ Die ersten beiden Filmprojektoren fürs Endstation Kino stellte die Volkshochschule, von der die Initiative, das Kino zu gründen, ausgegangen war, zur Verfügung. Ein Teil der ersten Sessel stammte aus dem Schauspielhaus. Heute nehmen die Besucher auf gebrauchten Kinosesseln Platz.
Claudia Dostal und Matthias Dreyer, die damals in der freien Szene aktiv waren, gehörten zu den Gründern des Kinos. Nina Selig begann 2001 als Filmvorführerin am Wallbaumweg; 2012 wechselte sie ins Büro, und seit 2104 hat sie die Geschäftsführung inne. Unterstützt wird sie von Serbay Demir, der nach einem vorherigen Praktikum im Sommer 2014 die Theaterleitung übernahm.
Alternativen zum Mainstream
Gemeinsam versuchen sie, die Tradition aufrecht zu erhalten, dem Publikum Alternativen zum Mainstream und auch zum Arthouse-Mainstream zu bieten. „Wir zeigen auch französische Komödien, aber andere“, erklärt Selig. Da es in Bochum bezogen auf die Größe der Stadt viele Kinos gebe, versuche man im Endstation Kino eine Nische zu finden. Über viele Jahre waren das die Repertoire-Reihen. „Wenn es zum Beispiel einen neuen Film von Jim Jarmusch gab, haben wir auch fünf weitere gezeigt“, so Selig. Allerdings wurde es mit der Zeit immer schwieriger, die Rechte dafür von den Verleihfirmen zu bekommen, und die Preise zogen an.
Außerdem waren die Originale mit Untertitel (OmU) lange ein Aushängeschild des Endstation Kinos. „Das ist mit der Digitalisierung weggebrochen“, erläutert die Kinobetreiberin. „Auf den Festplatten sind alle Sprachen drauf, so dass jetzt jedes Kino OmU zeigen kann.“
Als neue Nische konzentriert sich das Kino in Langendreer daher seit einigen Jahren auf die Filmbildung. Beim Filmgespräch etwa wird nicht nur der Film gezeigt, sondern auch der Regisseur eingeladen, der dem Publikum als Gesprächspartner zur Verfügung steht. Seit 2015 gibt es außerdem viele Projekte für Geflüchtete und Nicht-Geflüchtete. Darüber hinaus bietet das Kino seit einem Jahr den Endstation-Club an, der sich vorrangig an junge Erwachsene richtet, die neu in Bochum sind. Auch hier gehört neben dem reinen Filmgucken die Diskussion dazu.
Außerdem machen Dokumentarfilme heute einen Schwerpunkt des Kinos aus. „Viele Filme sind aus Süd- und Mittelamerika oder aus Südostasien. Die kann man hier in der Region sonst nicht so sehen“, erklärt Serbay Demir.
Um Filme für ihre Zuschauer auszuwählen, besuchen Selig und Demir regelmäßig zwei Festivals: eine Filmmesse in Leipzig und die Berlinale. „Da gucken wir dann viele Filme, sprechen mit den Verleihfirmen vor Ort, taktieren und verhandeln“, sagt Nina Selig. Demnächst plant die Kinobetreiberin eine Reihe zum Vietnamkrieg. „Zurzeit schreibe ich viele Firmen in Kuba und Russland wegen der Filmrechte an.“
Zwischen Kunst und Kommerz
Die Programmgestaltung sei ein schmaler Grat zwischen Kunst und Kommerz. Denn auch wenn sie immer wieder die Meinung höre, dass das Endstation Kino von der Stadt unterstützt werde, stimme das nicht, so Selig. „Wir sind auf den Kartenverkauf angewiesen.“ Zwar erhält das Kino Förderung von der Filmstiftung NRW und dem Netzwerk Europa Cinemas, aber erstens muss das Kino eine Quote erfüllen, um überhaupt Fördergeld zu bekommen, und zweitens „reicht das lange nicht“, betont Selig.
Zukünftig möchten sie und Serbay Demir den Bereich Filmbildung weiter ausbauen. „Die Zukunft des Kinos liegt darin, nicht nur Filme zu zeigen, sondern mehr zu machen“, erläutert Selig, „und es ist unsere Spezialität, sich mit Filmen auseinanderzusetzen.“
Als eine große Herausforderung für das Endstation Kino betrachtet Nina Selig die zweite Digitalisierungswelle, die langsam anlaufe. „Der Digitalprojektor, den wir jetzt haben, veraltet schneller als ein 35-Millimeter-Projektor“, ist sie gedanklich darauf eingestellt, dass die Verleiher bald eine neue Technik präsentieren werden, auf die das Kino reagieren muss.
Zudem geht sie davon aus, dass Filme nicht wie jetzt noch auf Festplatte und per Spediteur geliefert werden, sondern als Download von den Verleihfirmen zu Verfügung gestellt werden. Allerdings gebe es in Langendreer nur „Internet wie auf dem Dorf“, so Nina Selig. Bei Filmen, die eine Größe von mehr als 200 Gigabyte hätten, würde deswegen ein Download zur Herausforderung.
Programm
Zu seinem 30-jährigen Bestehen zeigt das Endstation Kino am Samstag, 8. September, mehrere Filme.
15 Uhr: KinderKino, „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ (D 2017)
17 Uhr: Kurzfilmprogramm mit Höhepunkten des Filmfestivals „blicke“ und dem Besten, was die 35-mm-Projektoren seit langem gesehen haben
19 Uhr: Filmabend und Diskussion mit Max Neumann, „King Kong und die weiße Frau“ (USA 1933)
21 Uhr: Mitglieder des Endstation-Clubs, Weggefährten sowie aktuelle und ehemalige Kollegen präsentieren kurze Filmausschnitte und erzählen ihre persönlichen, mit dem Endstation Kino verknüpften Geschichten.
Der Eintritt am Jubiläumstag ist frei. Es werden aber Spenden entgegengenommen.
Autor:Vera Demuth aus Bochum |
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