Kunst kommt von Küssen
„TheaterTotal“ wurde 1996 durch die Schauspielerin und Regisseurin Barbara Wollrath-Kramer gegründet. Jährlich können dreißig junge Menschen zwischen 17 und 22 Jahren in einem Projektzeitraum von zehn Monaten kreative Berufe ausprobieren. Nicht alle wollen und werden Schauspieler, sondern sind beispielsweise auch als Theaterpädagoge, Therapeut oder Kulturmanager unterwegs. Was sie nach zehn Monaten gemeinsamer und intensiver Projektarbeit aber definitiv wissen ist – was sie überhaupt werden wollen. Das große Ziel der Einrichtung: die Anerkennung als Bildungsträger und eine jährliche Förderung des Landes. Am 3. November steht der neue Jahrgang zum ersten Mal geschlossen auf einer Bühne.
Zwei Projekte erarbeiten die Teilnehmer in den zehn Monaten: eine Performance, die in der Albertus-Magnus-Kirche vom 3. November bis Ende Januar an verschiedenen Terminen aufgeführt wird und ein selbst erarbeitetes Theaterstück, oft auf der Basis der „Klassiker“, mit denen das Ensemble auf eine selbstorganisierte Theatertournee geht. Mehr als 100 theaterbegeisterte junge Menschen bewerben sich in der Regel auf die dreißig Plätze. Bewerbungsschluss ist jährlich der 25. Juni. Nach der Auswahl der Bewerber geht es dann im September richtig los.
Dann gibt es verschiedene Bereiche während des Projektes, wie Tanzunterricht oder Schauspiel. Gesang Kostümschneiderei, Bühnenbild, Ton, Technik, Regieassistenz, Management, Fundraising, Grafik, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit – aber auch gemeinsames Kochen, Waschen und Putzen gehören zu den Inhalten der intensiven Theatermonate. Mit einem Tourneebus sind die Teilnehmer dann später unterwegs, um ihr Stück aufzuführen.
Dafür sind die Räumlichkeiten „Am Eickhoffpark 7“ in Bochum ideal. Viele Proberäume, gemeinsames Kochen und Essen, die Requisitenräume, und der Tourneebus steht vor der Tür – alles da, was man braucht. Und die ehemalige Albertus-Magnus-Kirche, die seit 2014 bespielt wird, ist für jeden Teilnehmer eine ganz besondere Bühnenerfahrung.
Selbständigkeit ist das, was alle jungen Teilnehmer in dem gemeinnützigen Theater-Projekt lernen. „Freunde und Förderer unterstützen uns. Das Projekt muss jedes Jahr neu finanziert werden. Alle Einnahmen aus unserer dreimonatigen Tournee kommen natürlich wieder diesem Projekt zugute. Man bekommt hier viel Verantwortung, lernt, im Team seine Aufgaben zuverlässig zu erfüllen. Und man lernt natürlich auch ungewöhnliche Dinge wie zum Beispiel Bühnenkampf-Fechten. Die Idee, die hinter dem Projekt steckt, ist eben auch, dass man durch Theater vieles andere entdecken kann. Theater macht Mut“, erklärt Barbara Wollrath-Kramer.
Kampf um die jährliche Finanzierung
Die Finanzierung des Projektes – jährlich werden 425.000 Euro gebraucht – muss jedes Jahr neu erarbeitet werden. „Mit einem kleinen Betrag unterstützt uns die Stadt Bochum, aber weil unsere Teilnehmer aus allen möglichen Orten und manchmal sogar Ländern kommen, gibt es keine weitere Förderung seitens der Stadt. Wir haben zwar prominente Fürsprecher und auch Bochum Marketing hat beispielsweise mit einem Logo auf dem Tourneebus für die Bochumer Marke geworben, aber es fehlt die regelmäßige Anerkennung unserer Arbeit. Die Hälfte der Gesamtkosten werden selbst erwirtschaftet, die andere Hälfte muss durch Förderer und Stiftungen eingeworben werden. Deshalb möchten wir auch gern eine Landesförderung haben und als Bildungseinrichtung anerkannt werden“, erklärt Bettina Eickhoff, Vorstandsvorsitzende des Paritätischen Bochum. Die Unternehmensberaterin ist seit mehr als zwanzig Jahren mit der Theaterproduktion verbunden, die früher einmal in einer leeren Eickhoff-Halle untergebracht war und Mitglied im Kuratorium von TheaterTotal. Die Teilnehmer selbst zahlen einen einmaligen Aufnahmebeitrag von rund 1200 Euro für das ganze Projekt.
Die jungen Teilnehmer sind hochmotiviert, viele bekommen auch Unterstützung ihrer Familien. Die intensive Beschäftigung mit sich selbst in den nächsten Monaten wird die Frage beantworten, was man im Leben erreichen möchte, wo man sich selbst sieht. Nicht jeder von ihnen wird den Weg auf die Bühne nehmen. Aber er wird es selbst herausfinden.
„Man hat hier immer etwas zu tun. Man lernt, mitzudenken und Arbeit und Aufgaben zu sehen. Die Tagesstruktur ist völlig unterschiedlich zu dem, was wir in der Schule erlebt haben. Wir lernen uns selbst und als Team intensiv kennen, konnten teilweise nach einer Woche am Shampoo erkennen, wen wir vor uns haben. Nach den zehn Monaten werden wir genau wissen, wie wir und der andere ticken – aber wir werden nicht unbedingt die Namen seiner Geschwister kennen“, beschreibt ein Teilnehmer die Situation.
Durch Schauspielkunst entwickeln sie besondere Fähigkeiten: Selbstbewusstsein, Umsicht, Mut und Leidenschaft. „Kunst kommt von Küssen, ist Brennen. Und ist die Leidenschaft, sich den Hürden des Lebens zu stellen und sie zu überwinden.
Die Tanzperformance „ICHSODUSO“ als erstes Projekt des neuen Jahrgangs feiert am 3. November, 19.30 Uhr, in der ehemaligen Albertus-Magnus-Kirche Premiere. Karten gibt es unter info@theatertotal.de oder Telefon 0234/9731673. Weitere Spieltermine von November bis Ende Januar unter www.theatertotal.de
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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