Kulturstädtevergleich: Klischees werden belebt
„Die Aussagekraft ist in Teilen fragwürdig und belebt Klischees für ‘altindustrielle Städte’ wie Bochum“, so bewertet die Soziale Liste das Kulturstädteranking 2012, das vor wenigen Tagen von der Hamburger privaten Berenberg Bank veröffentlicht wurde.
Die Studie hebt den hohen Wert der traditionellen Kulturstädte Stuttgart, Dresden, München, Berlin und Bonn hervor und gibt den Ruhrgebietsstädten mit Ausnahme von Essen durchweg schlechte Noten. Dies ohne zu berücksichtigen, das die Kultur in den traditionellen Residenz- und Landeshauptstädten in Jahrhunderten wachsen konnte, während sich die
meisten Ruhrgebietesstädte erst in den vergangenen 15o Jahren zu Großstädten entwickelten. Die hohen kulturellen Anstrengungen dieser Städte werden in der Studie nicht ausreichend berücksichtigt und gewertet.
Unberücksichtigt bleiben auch die ungleichen Verhältnisse bei der staatlichen Förderung der Kultur. Ein Beispiel hierfür ist die Förderung des Denkmalschutzes (Seite 9), wo mit Abstand die meisten finanziellen Mittel nach Berlin (ca. 8 Mio.) und Dresden (ca. 5,5 Mio.) fließen, Bochum und Essen aber nur knapp 500.000 Euro erhalten.
Zu den Ungereimtheiten der Studie zählt auch, dass bei der Bewertung der Anzahl von Theater- und Opernplätze (Seite 11) die Musicals hinzugerechnet werden, die Darstellung der BesucherInnen je EinwohnerInnen (Seite 21) aber ohne die Musicals erfolgt. Völlig unverständlich wird die Studie bei der Darstellung der touristischen Attraktivität. Hier werden als alleiniger Indikator die Gästeankünfte in den jeweiligen Städten im Verhältnis zu den Einwohnern aufgelistet (Seite 22). Das bei den Gästeankünften mit Abstand Frankfurt am Main führt, ist angesichts des Standortes des drittgrößten Flughafens kein
Wunder. Wenn dann der Eindruck erweckt wird, dass 20 % der ankommenden
Gäste als „Kultururlauber“ Frankfurt besuchen, wird die Studie unseriös.
Außerdem berücksichtigt die Studie weitgehend nur die traditionellen Kulturbereiche. Nicht untersucht und bewertet wurden z. B. die alternative und freie Kulturszene, die in unserer Region gut entwickelt ist.
„Es ergeben sich für Bochum aber auch durchaus einige interessante Aspekte der Studie, die es weiter zu diskutieren gilt“ so Nuray Boyraz, Ratsfrau der Sozialen Liste. Hier sind die hohe Anzahl an SchülerInnen und Studierenden an Kunst- und Musikhochschulen, Platz 5 oder Platz 3 bei der Anzahl an Theaterbesuchern zu nennen. Fragen wirft hingegen der 26. Platz bei den aktiven Bibliotheksnutzern (Seite 20) auf.
„Insgesamt verstärkt sich der Eindruck, dass die Studie des Hamburger
WeltWirtschaftsinstituts benutzt wird, um das Klischee vom hohen Standart der traditionellen Kulturmetropolen (Dresden, München und Berlin) und den ‘mittelgroßen Beamten- und Universitätsstädten’ (Bonn, Münster und Leipzig) einerseits und den zurückgebliebenen ‘altindustriellen Städte’ des Ruhrgebietes als Schlusslichter zu beleben“, so die Sozialen Liste.
Autor:Günter Gleising aus Bochum |
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