„Kreide für alle“ und Video-Theater für 20 Zuschauer - Am 23. August startet die zweite Ruhrtriennale-Spielzeit von Intendant Heiner Goebbels

Der rumänische Künstler Dan Perjovschi lädt alle Besucher ein, seine große Wandzeichnung im Foyer der Jahrhunderthalle mit eigenen Texten und Bildern zu vervollständigen: „Ich male deshalb extra nur oben“, schmunzelt er. | Foto: Molatta
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  • Der rumänische Künstler Dan Perjovschi lädt alle Besucher ein, seine große Wandzeichnung im Foyer der Jahrhunderthalle mit eigenen Texten und Bildern zu vervollständigen: „Ich male deshalb extra nur oben“, schmunzelt er.
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Einen ungewohnten Anblick bietet derzeit das Foyer der Jahrhunderthalle: Kohlrabenschwarz sind die Wände gestrichen, auf dem Boden liegt feiner weißer Kreidestaub. Und wer seine Nase an die Scheiben presst, der kann Dan Perjovschi bei der Arbeit auf einem Hubsteiger zusehen: Mit seinen Wandzeichnungen verwandelt der rumänische Künstler den Eingangsbereich der Jahrhunderthalle in ein Museum auf Zeit. Möglich macht das die Ruhrtriennale: Eine Woche vor dem Start der Spielzeit 2013 laufen rund um die Jahrhunderthalle die Vorbereitungen für das Festival der Künste auf Hochtouren.

Zwar bespielt die Triennale diesmal neun Spielorte in fünf Städten des Ruhrgebiets, doch die Jahrhunderthalle, die dahinter liegende Turnbinenhalle und der Westpark bilden auch in diesem Jahr wieder ein künstlerisches Zentrum: Hier ist nicht nur die Auftakt-Inszenierung „Delusion of the Fury“ von Intendant Heiner Goebbels zu sehen, sondern zum Finale auch der Konzertabend „Le Sacre du Printemps“. In der Turbinenhalle ist mit „Situation Rooms“ die neue Arbeit des Theaterkollektivs „Rimini-Protokoll“. Hinzu kommen in Bochum Robert Wilsons Musiktheaterinszenierung „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“, Anne Teresa de Keersmakers Tanzprojekt „Vortex Temporum“ sowie die Konzertabende „Glasgow Trilogy“ und „Missa Caput“ (Turbinenhalle). Im Westpark lockt zudem die Lichtinstallation „Agora / Arena“ von Mischa Kuball und im Foyer Dan Perjovschis Zeichnungen unter dem Titel „www- wall - window workshop - 2013“. Ihm gefällt diese Situation: „Man muss nicht bezahlen, um meine Kunst zu sehen, sie bildet eine Art Brücke zwischen dem Leben draußen und dem Kunst-Umfeld drinnen.“

Die schiere Größe des Foyers ist eine Herausforderung, der er sich stellt: „Man muss sich an den Raum anpassen und selbst die Initiative ergreifen.“ Die schwarze Wandfarbe ist so eine Maßnahme des Künstlers, sich den Raum anzueignen - die schwarzen Wände erinnern ebenso wie die verwendete Kreide an eine Schulsituation. Doch anders als eine Tafel ist die Wand hier keineswegs plan - für Dan Perjovschi jedoch kein Problem: Seine Zeichnungen und Slogans ziehen sich um Ecken herum, gehen über Kanten und Vorsprünge. Was so spontan aussieht, ist in Wahrheit sorgfältig geplant - in einem Notizbuch trägt er seine Entwürfe bei sich. Viele Elemente tauchen in seinen Arbeiten immer wieder auf - oft in leicht abgewandelter Form - andere dagegegen haben nur eine kurze Halbwertszeit.

Die Triennale-Besucher sind dazu aufgerufen, an diesem Kunstwerk mitzuarbeiten: „Es gibt Kreide für alle - wir haben reichlich eingekauft“, schmunzelt Marietta Piepenbrock, leitdende Dramaturgin. Wer die Triennale-Veranstaltungen ab dem kommenden Freitag besucht, der kann mitmachen und selbst an die Wand im Foyer malen oder schreiben; Dan Perjovschi wird noch den Boden und die Scheiben miteinbeziehen. Eines aber ist schon jetzt klar: Das Kunstwerk selbst ist nur ein temporäres - mit dem Ende der Triennale-Spielzeit wird es verschwinden.

Gut eine Woche vor dem Start gaben Intendant Heiner Goebbels und sein Team jetzt einen Einblick in die letzten Vorbereitungen. Goebbels selber probt derzeit jeden Tag mit der „musikFabrik“ in der Jahrhunderthalle für die Eröffnungspremiere von „Delusion of the Fury“ von Harry Partch. „Es ist ein Riesenabenteuer“. macht Goebbels kein Hehl aus seiner Faszination für den hierzulande kaum bekannten Komponisten und seine „sehr körperliche und rhythmische Musik“. Das Musiktheaterstück wird als europäische Erstaufführung in Bochum zu sehen sein und von hier aus auf Tournee nach Oslo, Genf und New York gehen.

Lukas Crepaz, Geschäftsführer der KulturRuhr, freut sich vor allem über den anhaltenden Besucherzuspruch: „Die Vorverkaufsquote liegt bereits zu diesem Zeitpunkt höher als im letzten Jahr - wir haben eine Auslastung von rund 70 Prozent.“ Rund 150 Veranstaltungen mit über 800 Künstlern zählt das Programm in diesem Jahr. Einzelne Vorstellungen sind bereits ausverkauft - für die meisten der 43 Produktionen gibt es aber noch Karten. Und um Hemmschwellen so weit wie möglich abzubauen, können die Installationen in Bochum, Essen und Duisburg kostenlos besucht werden.

Triennale: Die Termine in Bochum

Dan Perjovschi: wall window workshop 2013“
vom 23. August bis zum 6. Oktober im Foyer der Jahrhunderthalle: Installation; Eintritt frei.
Mischa Kuball: „Agora / Arena“,
vom 23. August bis zum 6. Oktober: Lichtintervention an der Jahrhunderthalle; Eintritt frei.
Harry Partch: Delusion of the Fury“
Musiktheater mit dem Ensemble „musikFabrik“; div. Termine vom 23. August bis 8. September
Rimini Protokoll: „Situation Rooms“
Multiplayer-Videostück für jeweils max. 20 Zuschauer in der Turbinenhalle; div. Termine vom 23. August bis zum 26. September.
ZEIT Forum Kultur: „Invisible Hand - Wer regiert die Welt?“
Symposium, 8. September, 11 Uhr, Jahrhunderthalle.
„Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“
Musik mit Bilder, Regie: Robert Wilson,
div. Termine 14. bis 22. September, Jahrhunderthalle.
„Glasgow Trilogie“
Konzert, 27. September, Jahrhunderthalle.
„Vortex Temporum“
Tanztheater, 3. bis 6. Oktober, Jahrhunderthalle.
„Missa Caput“
Konzert mit „graindevaloix“, 4. und 5. Oktober, Jahrhunderthalle.
„Le Sacre de Printemps“
Konzert, 5. und 6. Oktober, Jahrhunderthalle.

Autor:

Petra Vesper aus Bochum

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