Joschua Knüppe EIN LEBENDER MYTHOS
Seit Freitag, 12. Juni bis zum 24. Juli präsentiert Kunstraum-unten auf der Zwischenebene der Bochumer U-Bahnstation „Schauspielhaus“ Zeichnungen, Aquarelle und Kleinplastiken des jungen Künstlers Joschua Knüppe. Er wurde 1992 in Mettingen geboren und ist mit 23 Jahre einer der jüngsten Künstler, die im Kunstraum-unten bisher ausgestellt haben. Seit 2010 studiert er „Freie Kunst“ an der Kunstakademie Münster. Von 2011 bis 2013 gehörte er zur Klasse von Lili Fischer, seit 2013 ist er in der Klasse der amerikanischen Video- und Performancekünstlerin Shana Moulton, die die neue Professur „Performative Kunst“ inne hat.
EIN LEBENDER MYTHOS sind für Joschua Knüppe die Seeschlangen oder präziser ausgedrückt die Natrixosaurier. Diese sind eine Gruppe von Tieren, deren Ursprünge bis in die späte Kreidezeit zurückreichen, wo sie schon das Ende der Dinosaurier miterlebten. Ihre Fossilien finden sich selten in den Gesteinsschichten und auch heute sind diese Tiere nur selten anzutreffen. Mit bis zu 9 Metern Länge zählen sie zu den größten Reptilien unseres Planeten, die es geschafft haben, trotz menschlicher Verfolgung, in zahlreichen Lebensräumen zu überleben. Vom tief tauchenden Asperognathus über den geübten Hochseefischer Gracilidens bis zu den gewaltigen Halidraconen konnte sich eine Vielzahl von Arten in unsere Zeit retten und hat bei ihrem Weg durch die Erdgeschichte ihre Spuren hinterlassen. Midgardschlange und Nessie gehören zu den Legenden, die die Natrixosaurier inspirierten und auch weiterhin regen sie die Fantasie der Menschen an.
Da Mythos und Realität doch allzu oft stark verwoben sind, war eine systematische Revision dieser Tiergruppe dringend nötig geworden und so hoffen der Künstler und der Kurator der Ausstellung Gisbert Danberg mit dieser kleinen Ausstellung endlich etwas Licht in das Dunkel bringen zu können.
Gezeigt werden Zeichnungen, Aquarelle und Skulpturen des jungen Künstlers, der für das Institut für vermeintlich fiktive Biologie (IVFB) die Arbeit deutscher Forscher begleitete und hier Werke aus dieser Zusammenarbeit präsentiert.
Hunderte dieser Lebensformen hat der 23-jährige Ibbenbürener bereits entdeckt. Die Ausstellung umfasst rund 70 Arbeiten und damit nur einen kleinen Ausschnitt aus dem bisherigen Werk. Sie führen uns zu Geschöpfen, denen nie ein Mensch leibhaftig begegnet ist, noch begegnen wird. Sie existieren nur in der Fantasie des Künstlers dank seiner Vorstellungskraft und wurden von ihm mit viel Liebe zum Detail und zeichnerischer Brillanz auf Papier gebracht oder als 3dimensionale Präparate und Modelle angefertigt.
Dabei geht Joschua Knüppe mit der Akribie und Genauigkeit eines Naturwissenschaftlers vor. Flora und Fauna erhalten lateinische Namen. Neben der sichtbaren Anatomie konstruiert Joschua Knüppe auch den inneren Aufbau jedes Lebewesens, etwa Skelett, Organe und Gehirn. Er überlegt sich, wie es sich ernährt und wie es sich fortpflanzt und welche Geräusche es erzeugt und er stellt Verwandtschaftsverhältnisse unter den Arten her. Kurzum: Er erfindet komplette Öko-Systeme.
Seine Vorstellungskraft ist fast grenzenlos und so hat er auch schon einen ganzen Planeten entdeckt. Er nennt ihn Silvanus. Dieser Name aus der lateinischen Sprache abgeleitet bedeutet Wald. Die Oberfläche von Silvanus ist komplett mit Wasser bedeckt. Auf dem Wasser schwimmen riesige Waldinseln. Die Bäume sind 300 Meter hoch und seine Bewohner leben in der Luft, in den Bäumen, am Boden oder im Wasser. Zweifelsohne sind es alles bisher unbekannte Arten - doch nicht entdeckt in entlegenen Regionen, sondern in der Fantasie des Künstlers. Es sind illustrierte Lebensformen, Bilder von einer Realität, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt
Ausgestorbene Reptilien haben es dem jungen Künstler schon früh angetan. Als Junge sammelte er Fossilien auf einer Halde der Zeche Ibbenbüren. Heute schlummern die Funde in einer Glasvitrine in seinem Zimmer neben den vielen Büchern. Diese handeln zB von Löwen und Sauriern. Auf den Reisen in das Universum der Fantasie trifft Joschua aber nicht nur auf diese. Er begegnet auch mythischen Kreaturen, Fabelwesen und anderen ausgestorbenen Arten. Dazu gesellen sich Werwölfe und Drachen, an deren Existenz Knüppe zwar nicht glaubt, aber es macht ihm ungeheuren Spaß, sie sich vorzustellen. Auch Fantasy- und Science-Fiction – Romane, wie „Die Feuerreiter seiner Majestät" und „Star Wars" beflügeln seine Fantasie. Sein größtes Vorbild, der neuseeländische Autor und Künstler Wayne Douglas Barlowe, wirkte an dem Blockbuster Avatar mit. Er entwarf die Banshees, die fliegenden Reittiere mit den farbenprächtigen Schwingen. Heute liest Knüppe eher Bücher von Forschern und von anderen Künstlern, um sich das notwendige Wissen anzueignen. Er will wissen, was die Paläontologen wissen, denn da, wo deren Erkenntnisse enden, beginnt sich seine Vorstellungskraft zu entfalten.
Und die entfaltet sich am ehesten in Zeichnungen. Der Student verbringt beinahe jede freie Minute damit, zu zeichnen. Viele Ideen kommen ihm erst beim Zeichnen und Zeichnen kann er eigentlich überall - im Bus und im Zug. Stifte und Skizzenbücher hat er in einem Rucksack immer dabei. Joschua hat nie einen Zeichenkurs besucht. Er hat es sich schon früh selbst beigebracht. Dabei sei das Wichtigste "Man muss sich für die Dinge, die man zeichnet, begeistern", außerdem muss man viel üben und einfach viele Skizzen anfertigen", erklärt Joschua.
Spaß am Ernst heißt die Methode mit der Joschua Knüppe arbeitet. Im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Genauigkeit und kindlicher Naivität entstehen dabei fiktive Lebensformen, Orte und Biosphären, die nach eigenem Anspruch den Gesetzen der Biomechanik, Physik und Evolutionstheorie genügen müssen. Es bilden sich vierdimensionale Beziehungsnetzte, die immer wieder zwischen Fiktion und Realität wechseln. Zentraler Gedanke, oder erste Ursache, bei all seinen Arbeiten ist dabei meist die menschlich, archetypische Frage: "Was wäre wenn...".
Kunstraum-unten
Hattinger Str.1 / Zwischenebene der U-Bahnstation Schauspielhaus
44789 Bochum
Öffnungszeiten: Di und Fr 15:30 - 18:30 Uhr und nach Vereinbarung
Weitere Infos: www.kunstraum-unten.de
Autor:Gisbert Danberg aus Bochum |
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