Interview mit BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken: "Die Leute vertrauen uns"

Wolfgang Niedecken im Interview. Foto: Bothor | Foto: Foto: Bothor
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Am 1. September sind BAP zu Gast beim Zeltfestival Ruhr in Bochum. Für die Kölschrocker um Frontmann Wolfgang Niedecken ist es schon das zweite Gastspiel am Kemnader Seeufer: 2011 machten sie mit ihrer „Klassiker“-Tour dort Station, in diesem Jahr markiert der Auftritt den Abschluss der höchst erfolgreichen „BAP zieht den Stecker“-Tour. Der Stadtspiegel sprach mit Wolfgang Niedecken - auch über Hits, Fans und Fußball.

Erinnerst Du Dich noch an Euren letzten Auftritt beim ZFR?
Wolfgang Niedecken: Oh ja, sehr gut sogar. Es war eine sehr schöne Atmosphäre dort. Das Konzert diesmal wird aber etwas vollkommen Anderes: Damals waren wir mit unserem Rock-Programm da, diesmal wird der Abend eine ganze Ecke ruhiger.

Der Auftritt wird der letzte Abend Eurer Tour sein. Ist so ein Tourabschluss etwas Besonderes?
Absolut. Ich leide danach immer furchtbar. Diesmal haben wir am Wochenende darauf noch einen Aufritt beim Sommerfest des Bundespräsidenten. Das macht den Abschied etwas leichter... Und noch etwas ist diesmal besonders: Vier Tage vor unserem Auftritt beim ZFR erscheint unsere Live-CD zur Tour. Die wird „Das Märchen vom gezogenen Stecker“ heißen. Aufgenommen haben wir sie bereits im April an drei Abenden in der Kölner Philharmonie. Die Zuschauer können dann also an dem Abend sozusagen direkt die CD zum Konzert mit nach Hause nehmen.

Als wir vor eurem letzten Auftritt beim ZFR miteinander gesprochen haben, hast Du sehr viel Wert darauf gelegt, dass die „Klassiker“-Tour keine „Greatest Hits“-Tour sein sollte. Wenn man sich jetzt die Setlists Eurer aktuellen Tour anguckt, scheint es, als ob Du bei der Songauswahl sehr viel Wert darauf gelegt hättest, dass diese „Zieht den Stecker“-Tour nicht zu einer „Wir spielen alle Hits in der Rheumadecken-Variante“-Veranstaltung wird.
Das ist sehr schön gesagt! Und es stimmt. Die Songauswahl für diese Tour war ja ein absolutes Luxusproblem. Letztlich sind es etwa 27 Stücke, die ins Programm gekommen sind. Das älteste habe ich 1976 geschrieben. Wir wollen bei den Konzerten auch selber unseren Spaß haben - wenn wir merken, dass uns ein Song keinen Spaß mehr macht, dann muss er raus. Das ist wie bei jedem noch so guten Witz: Wenn man ihn zu oft erzählt hat, dann wird er irgendwann fad. Und da ist es besser, wenn man ihn mal ein Jahr lang nicht erzählt.
Als wir unsere Tour „Die Klassiker“ genannt haben, war das ironisch gemeint - denn letztlich sind natürlich wir selbst, die wir auf der Bühne stehen, „die Klassiker“. Vielleicht machen wir „Die Hits“ dann zum 40-Jährigen...

Was war denn die Idee hinter der Tour? Ihr habt im Laufe Eurer Karriere ja schon so ziemlich alles gemacht - aber eine reine Unplugged-Tour noch nie. Warum jetzt?
Wir haben immer schon daran gedacht - spätestens seit der CD „Radio Pandora“, die ja in zwei Varianten - einer „plugged“ und einer „unplugged“ Version - erschienen ist. Damals haben wir aus der Hüfte zwei Unplugged-Konzerte gespielt und gemerkt, wie viel Spaß uns das macht. Das war vor fünf Jahren. Aber irgendwie gab es seither immer etwas Anderes, was gerade wichtiger oder vernünftiger war - eine Tour zu einer neuen Platte oder Einladungen zu Festivals. Es hat einfach nie gepasst. Dass wir es jetzt endlich gemacht haben, daran ist mein Schlaganfall Schuld.

Ich hatte gehofft, wir könnten ein Interview führen, in dem das Stichwort „Schlaganfall“ nicht fällt...
Tja, tut mir leid. Denn diese Tour hat tatsächlich was mit meinem Schlaganfall zu tun - und mit der Solo-CD „Zosamme alt“, die ich im letzten Jahr in Amerika gemeinsam mit amerikanischen Musikern gemacht habe. Mein alter Freund Julian Dawson lag mir mit der Idee zu so einem akustischen Album schon 20 Jahre in den Ohren, doch es war nie Zeit dafür. Nach dem Schlaganfall hatte ich plötzlich mehr Zeit - und die Idee, mich mal bei meinem Schutzengel zu bedanken. Ich habe den Titelsong geschrieben und dazu Lieder ausgewählt aus den letzten 25 Jahren, die unsere gemeinsame Geschichte erzählen. Als ich meinen Musikern anschließend die Stücke vorgespielt haben, fanden sie das alle klasse und meinten, dass damit jetzt doch endlich die Gelegenheit für eine „Unplugged-Tour“ da wäre. Den Namen allerdings mussten wir uns erst durch einen eingeschriebenen Brief verbieten lassen - denn MTV hat die Rechte daran. Deshalb haben wir die Tour dann „BAP zieht den Stecker“ genannt, was im Grunde genommen ebenfalls quatsch ist, denn natürlich kommen wir auf der Bühne nicht ohne Stecker aus...

Ich habe jetzt zwei Konzerte der aktuellen Tour gesehen - und hatte den Eindruck, dass dabei im Saal so ein bisschen Klassentreffen-Atmosphäre herrschte. Viele Leute, mit denen man schon in den 1980er Jahren vor der Bühne stand, hat man da wieder getroffen.
Bei dieser Tour kommen ganz viele Leute, die schon lange nicht da waren - eben weil das Konzept ein anderes ist und viele Stücke einen völlig neuen Charakter haben. Und von der Bühne aus sehe ich immer so viele Leute, die ich kenne. Und wenn man in deren Gesichter schaut, dann ist da ein Ausdruck wie bei Kindern bei der Bescherung. Die Leute vertrauen uns, und das ist schön. Wir spielen ein Stück, „Sendeschluss“ von 1984, das erzählt die Geschichte von einem 14-jährigen Mädchen, die ein Fan ist und uns nachreist. Und wenn ich darüber nachdenke, dass genau diese Fans 30 Jahre später immer noch da sind - das ist so schön, da darf ich gar nicht drüber nachdenken, sonst kriege ich einen Klos im Hals und kann nicht mehr weitersingen.

Ist dieses Tour-Konzept mit bestuhlten Hallen und einer Pause in der Mitte sozusagen auch der biologischen Entwicklung geschuldet? Eure Fans sind schließlich mit euch gealtert. Und auf der Bühne frotzelst Du ja ein bisschen darüber, dass sich noch vor zehn Jahren wahrscheinlich ziemlich darüber aufgeregt hätten, wenn Ihr ihnen damals mit sowas gekommen wäret.
Natürlich, das ist ja eine Binsenweisheit. Nicht jeder will mehr drei Stunden stehen. Ich hatte vorher nie damit gerechnet und habe mich deshalb sehr gefreut, dass die Leute das so gut angenommen haben. Tatsächlich kommt diese Tour so gut an, dass ich mich inzwischen frage, ob wir von jetzt an nur noch sowas machen sollen. Denn eigentlich wollen wir bei der nächsten Platte ja schon mal gerne wieder ein bisschen mehr Gas geben. Ernsthaft - ich hab‘ noch keine Antwort darauf.

Das heißt aber, dass ihr euer 40-Jähriges auf der Bühne feiern wollt?
Unbedingt. Ich kann nicht garantieren, dass es im nächsten Jahr ein neues Album geben wird. Ich will im Winter neue Texte schreiben und ob 2015 ein neues BAP-Album kommt, hängt ein bisschen davon ab, was uns auch musikalisch einfällt. Aber dass wir 2016, zu unserem 40-jährigen Jubiläum, eine Tour machen wollen, das kann ich versprechen.

Ihr spielt in diesem Sommer zwar viele Termine, aber die WM-Zeit habt ihr euch so ziemlich frei gehalten. Du bist Fan des FC - hast Du auch die WM verfolgt?
Klar - also, wenn ein Spiel läuft, dann muss man nicht versuchen, mich telefonisch zu erreichen... Ich bin allerdings kein Freund von Public Viewing. Meine Frau hatte mal vorgeschlagen, dass wir doch auch mal zu so einer Veranstaltung gehen könnten - aber ich will in Ruhe Fußball gucken und habe keine Lust, den Menschen neben mir das passive Abseits zu erklären. Deshalb haben wir auch die Tour so gelegt, dass die Konzerte nicht mit den WM-Spielen kollidieren. Nur einmal, beim Achtelfinale, da haben wir nicht aufgepasst.

Bei eurem Konzert in der Essener Lichtburg habt ihr das Fußball-Lied „Woröm Dunn Ich Mir Dat Eijentlich Ahn?“ gespielt und eurem Alt-Fan Hut gewidmet, der seit ewigen Zeiten eine Dauerkarte von Rot-Weiß Essen besitzt. Dir ist schon klar, dass Du das Stück auch in Bochum spielen musst?
Wegen dem VfL und seinen Fans meinst Du? Hm, eigentlich haben wir das Stück mittlerweile raus genommen - aber ich werd‘ mir das merken.

Ist die Frage „Warum tu ich mir das eigentlich noch an?“ eine, die Du Dir schon mal als Musiker gestellt hast?
Nein, nie. Warum auch? Musik hat, genauso wie Fußball, was mit absoluter Leidenschaft zu tun. Und live zu spielen, das ist das Sahnehäubchen.

VERLOSUNG

Wir verlosen 5 handsignierte CDs von Wolfgang Niedeckens aktueller Akustik-CD „Zosamme Alt“.
Schicken Sie uns einfach bis Sonntag, 20. Juli, 24 Uhr, eine Mail mit dem Betreff „BAP“ an redaktion@stadtspiegel-bochum.de. Die Gewinner werden benachrichtigt.
Das gesamte Programm des ZFR gibt es unter www.zeltfestivalruhr.de oder lokalkompass.de/bochum.

Autor:

Petra Vesper aus Bochum

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