Johan Simons bringt Michel Houellebecqs viel diskutierte Romane „Plattform“ und „Unterwerfung“ im Schauspielhaus auf die Bühne
Im Zangengriff des islamistischen Terrors und des politischen Islam
Sind Michel Houellebecqs literarische Auseinandersetzungen mit der Reaktion des sich als Hüter der Freiheit fühlenden Westens auf die Bedrohung durch islamistischen Terror und den politischen Islam hellsichtig und anregend? Oder sind sie ganz im Gegenteil reaktionär und erweisen dem kritischen Dialog zwischen Nichtmuslimen und Muslimen einen Bärendienst? Eine klare Antwort können auch die Romanadaptionen „Plattform“ und „Unterwerfung“, die Johan Simons am Schauspielhaus auf die Bühne bringt, nicht geben – und wollen es wohl auch gar nicht.
Die Stücke werden an der Königsallee sowohl als Doppel- als auch als Einzelvorstellungen gezeigt. Liefert „Plattform“ noch eine relativ konsensfähige Sicht auf das unheilvolle Wechselspiel eines sich als Liberalismus gerierenden schrankenlosen Hedonismus westlicher Wohlstandsbürger mit islamistischem Terror, strapaziert „Unterwerfung“ den Zuschauer bewusst mit Klischees über den Islam einerseits und eine intellektuelle Elite, die einer naiven Vision einer Multikulti-Gesellschaft anhängt, andererseits.
In „Plattform“ entwickeln Michel (Stefan Hunstein) und Valérie (Karin Moog), die eine Liebesbeziehung verbindet, gemeinsam mit Jean-Yves (Guy Clemens), dessen Ehe mit Audrey (Mercy Dorcas Otieno) gerade gescheitert ist, ein neuartiges Konzept für Clubreisen, das Sextouristen ansprechen soll. Beim Besuch eines Sexclubs in Thailand fällt Valérie einem islamistischen Anschlag zum Opfer, den Michel, dessen Verzweiflung die Inszenierung mittels einer so unaufdringlichen wie wirkungsvollen Bildsprache zum Ausdruck bringt, unverletzt überlebt.
In dem homogenen Ensemble ragt Lukas von der Lühe als Terrorist, der seine grausame Ideologie seltsam unaufgeregt in Worte fasst, heraus.
Zukunftsvisionen
„Plattform“, als Roman bereits 2001 erschienen, präsentiert dem Zuschauer eine vom islamistischen Terror geprägte Welt, die er zu kennen glaubt. Dagegen malt „Unterwerfung“, veröffentlicht im Jahre 2015, eine (für viele) düstere Zukunftsvision: Um eine Machtübernahme des Front National in Frankreich zu verhindern, haben sich die etablierten politischen Kräfte mit der muslimischen Partei verbündet. So bringt es Mohammed Ben Abbes zum Staatspräsidenten; Patriarchat und Polygamie halten Einzug in Frankreich.
Francois (Stefan Hunstein) wird zum Gradmesser für die Anpassungsbereitschaft liberaler Franzosen: Als Nichtmuslim wird er von seiner Lehrtätigkeit an der Sorbonne entbunden – freilich mit der Aussicht auf eine großzügig bemessene Pension. Zunächst gefällt er sich durchaus in der Rolle des Dissidenten. Sein Kollege Steve (Guy Clemens), früher Teil der Identitären Bewegung, ist eilig zum Islam konvertiert und wird als Wissenschaftler zu völlig überhöhten Bezügen weiterbeschäftigt. Die Balzac-Expertin Marie-Francoise (Mercy Dorcas Otieno) trägt demonstrativ Kopftuch und lässt sich in ihrer Begeisterung für den Präsidenten auch dadurch nicht beirren, dass sie ihre Lehrtätigkeit verliert - allein deshalb, weil sie eine Frau ist. Auch Francois ist für die Reize des neuen Regimes inzwischen durchaus empfänglich.
Wirkt auch manches in den beiden Inszenierungen ein wenig forciert, so geben sie doch einen bedrückenden Einblick in eine zwischen Orientierungslosigkeit und verfestigten Weltbildern schwankende Gesellschaft.
Termine
„Plattform“ und „Unterwerfung“ sind am Sonntag, 27. Januar, um 16 Uhr als Doppelvorstellung im Schauspielhaus, Königsallee 15, zu sehen. Eine weitere Doppelvorstellung folgt am Sonntag, 17. Februar, ebenfalls um 16 Uhr.
„Plattform“ ist in einer Einzelvorstellung am Dienstag, 29. Januar, um 19.30 Uhr zu sehen. Im Anschluss wird ein Publikumsgespräch mit Johan Simons angeboten. Eine weitere Einzelvorstellung folgt am Donnerstag, 7. Februar, um 20 Uhr. Bereits um 19.15 Uhr gibt es eine Einführung.
„Unterwerfung“ wird in Einzelvorstellungen am Mittwoch, 30. Januar, um 19.30 Uhr und am Freitag, 8. Februar, um 20 Uhr gezeigt. Beim zweiten Termin wird um 19.15 Uhr eine Einführung angeboten.
Karten gibt es unter Tel.: 3333 5555.
Autor:Nathalie Memmer aus Bochum |
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