"Grubengold"-Leiterin stellt ihr internationales Ensemble vor: Auftakt einer vierteiligen Serie zum Projekt am Prinzregenttheater
Am Prinzregenttheater besteht das Projekt „Grubengold“ bereits im zweiten Jahr. Was als Theaterarbeit mit Geflüchteten begonnen hat, entwickelt die neue Leiterin und Regisseurin Michaela Kuczinna zu einem internationalen Ensemble fort. Im Mai bringt die Gruppe „Don Quichotte“ auf die Bühne. Der Lokalkompass stellt die Beteiligten und ihre Arbeit in einer vierteiligen Serie vor. Im ersten Teil legt Michaela Kuczinna dar, was ihr in der interkulturellen Arbeit wichtig ist.
Ein winterlicher Sonntagnachmittag in der Zukunftsakademie an der Bochumer Humboldtstraße: Neun junge Erwachsene beschäftigen sich mit einer berühmten Figur der Weltliteratur - Don Quichotte. Der nähert sich hier gerade seiner Angebeteten Dulcinea – wenn auch vielleicht nur in seinen Träumen. Im Hintergrund laben sich die Beobachter in einer Schenke am Wein. „Cervantes hat behauptet, die Geschichte seines Ritters von einem arabischen Verfasser übernommen zu haben. Der Stoff eignet sich daher hervorragend für unser internationales Ensemble“, sagt Michaela Kuczinna, Leiterin des Projekts, und ergänzt, „Menschen arabischer Herkunft können sich über das Nichtessen von Schweinefleisch lustig machen so wie ein Mensch mit nur einem Bein Witze über Leute mit Behinderung machen kann.“
In der Spielzeit 2015/2016 hat Holger Wagner mit dem „Grubengold“-Ensemble eine selbstentwickelte Szenenfolge auf die Bühne gebracht. Im zweiten Jahr soll es nun ein „richtiges“ Theaterstück sein – und dann gleich eine Dramatisierung eines Romans, der in der Weltliteratur Spuren hinterlassen hat wie kaum ein anderer. Kuczinna erläutert, wie sie und ihre Mitstreiter dabei vorgehen: „Unser Ziel ist ein bunter, assoziationsreicher Abend nach Motiven von 'Don Quichotte'.“
Reiche Theatererfahrung
Die Leiterin des „Grubengold“-Projekts kann aus reicher Theatererfahrung schöpfen. „Ich habe in Bochum Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften studiert. In der Haußmann-Ära war ich Regieassistentin am Schauspielhaus, habe aber auch freie Projekte betreut“, erzählt sie. Nach Stationen in London und New York arbeitet sie seit 2012 am Theater Oberhausen, wo sie die Bürgerbühne leitet. Kuczinna beschreibt ihre dortige Arbeit: „Es geht um Theater für alle, in dem auch ausgegrenzte Gruppen aktiv werden: Wohnungslose und Menschen, die in Pflegeeinrichtungen untergebracht sind, zum Beispiel.“ Darüber hinaus sind von Jugendlichen bis hin zu Senioren Menschen aller Altersstufen dabei.
Das Projekt „Grubengold“ wurde am Prinzregenttheater ins Leben gerufen, um nach Bochum Geflüchteten ein Forum zu bieten, um sich künstlerisch auszudrücken. Außerdem sollte der Kontakt zwischen Neubürgern und denjenigen, die schon länger im Ruhrgebiet ansässig sind, gefördert werden. Diese Ziele haben sich natürlich nicht überholt. Dennoch stellen sich für Kuczinna drängende Fragen, wenn ein Projekt wie „Grubengold“ ins zweite Jahr geht. Da sind einmal die ganz praktischen Fragen wie die in einigen Fällen drohende Abschiebung von Geflüchteten. Kuczinna sieht jedoch auch die gängige Förderpraxis für Theaterprojekte als durchaus zweischneidig: „Projekte mit Geflüchteten werden von öffentlichen Stellen mit Mitteln ausgestattet. Einige Teilnehmer sind bereits im zweiten Jahr dabei – da sollte man nicht mehr von Geflüchteten sprechen, sondern von Angekommenen. Wir formen hier ein internationales Ensemble – für Menschen mit und ohne Fluchterfahrung, mit und ohne Migrationshintergrund. Ich halte nichts davon, die Menschen in ihren Töpfen zu lassen.“ Dieses Anliegen sei bei der Bezirksregierung Arnsberg auf offene Ohren gestoßen. So wurden im November 2016 Mittel für die Fortführung von Grubengold bewilligt.
Interkulturelle Arbeit
Kuczinnas Fazit lautet: „'Grubengold' muss sich vom Thema Flucht und Geflüchtete entfernen. Im ersten Jahr wollten die Teilnehmer über ihre Fluchterfahrungen sprechen und sie mit den Mitteln des Theaters verarbeiten. Jetzt geht es dagegen um den internationalen Blick auf ein Thema, um die Vielfalt der Stimmen, die der Vielfalt des Lebens in Bochum entspricht. Ein Projekt, das in seinen Teilnehmern primär Geflüchtete sieht, leistet der Entindividualisierung Vorschub.“
Entsprechend versteht sich Kuczinna nicht als Projektleiterin, die klare Vorgaben macht: „Ich will gemeinschaftlich mit den Akteuren eine Form finden, interkulturelle Arbeit zu leisten. Es geht um einen Dialog auf Augenhöhe.“
Arbeit im Team
Zum „Grubengold“-Team gehört auch Michaela Kleinhaus, die als Dozentin für Arabisch tätig ist und bei Bedarf dolmetscht und sich von jeher für Theaterarbeit begeistern kann. Auch Yousef Hassan, den sein Studium der Theaterwissenschaften nach Bochum geführt hat, hat schon verschiedentlich für interkulturelle Projekte übersetzt. Die Bezüge des scheinbar zutiefst europäischen Don Quichotte zur klassischen arabischen Literatur haben es ihm angetan.
Zum Weiterlesen
- Wer das Projekt näher kennenlernen möchte, hat auf www.grubengoldblog.com die Gelegenheit.
Autor:Nathalie Memmer aus Bochum |
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