Frank Goosen im Interview: "Das Zeltfestival Ruhr ist so etwas wie Klassentreffen"
"Was ist da los?", fragt Frank Goosen am Samstag, 25. August, beim Zeltfestival Ruhr am Kemnader See und präsentiert sein gleichnamiges Bühnenprogramm. Der Bochumer Autor und Kabarettist nennt das ZFR inzwischen liebevoll sein zweites "Wohnzimmer" - kein Wunder, ist er doch als einer der wenigen Künstler von Beginn an beim Festival dabei. Im Stadtspiegel-Interview spricht er über die besonderen Herausforderungen, die so ein Heimspiel mit sich bringt.
Du bist von Anfang an beim Zeltfestival dabei – wenn dir einer bei der ersten Auflage 2008 gesagt hätte, dass sich das Festival so entwickelt - hättest du ihm geglaubt?
Ich sage es mal so: Der nachhaltige Erfolg des Zeltfestivals überrascht mich nicht. Zum einen arbeiten hier an jeder Stelle von den konzeptionellen Machern über die Technikabteilung bis zu den Servicekräften absolute Profis. Zum anderen haben Gralla, Reipöler und Rüger von Anfang an groß gedacht. Die haben nicht gesagt: Wir stellen jetzt mal ein kleines Zelt auf und daneben einen Teller mit Frikadellen. Hier wurde nicht gekleckert, sondern geklotzt, aber mit System und Idee. So was wird am Ende dann doch belohnt.
Das Festival ist gewachsen und auch deine Auftritte sind im Laufe der Jahre größer geworden – inzwischen füllst du ja das große Zelt. Das ist ja schon eine Hausnummer – was ist die besondere Herausforderung dabei?
Das stimmt nicht ganz. Ich war ursprünglich im großen Zelt, aber ganz hinten sind die Leute schon ziemlich weit weg. Und da ich die große Pyroshow und die weißen Tiger wieder rausgeschmissen habe, bin ich jetzt im mittleren Zelt. Letztes Jahr dafür dann zweimal, weil das Programm neu war. Die Herausforderung ist natürlich immer, so viele Leute so zu fokussieren, dass es in zwei, zweieinhalb Stunden Programm nicht durchhängt. Und, wie gesagt, zu sehen gibt es, außer mir, nicht viel.
Ist es auch als Künstler angenehm, wenn man das ganze „Drumherum“ bei Auftritten schon kennt?
Boris Becker nennt Wimbledon sein Wohnzimmer - wenn er nicht als Generalkonsul für afrikanische Länder im diplomatischen Einsatz ist. Das ist das Zeltfestival ein bisschen für mich. Es ist einer der wenigen Auftritte, bei denen immer die ganze Familie dabei ist. Und die Atmosphäre hinter der Bühne ist einzigartig, vor allem, wenn Kolleginnen oder Kollegen im anderen Zelt auftreten, wie in den letzten Jahren Gerburg Jahnke mit Hazel Brugger oder Carmela de Feo. Dazu gibt es ausgezeichnetes Essen.
Das ZFR ist ja quasi ein Heimspiel – ist das eine besondere Atmosphäre?
Definitiv! Es herrscht eine geradezu mediterrane Entspanntheit, selbst wenn es mal regnet.
Spürst du dann auch eine andere Erwartungshaltung beim Publikum?
Ich selber habe eine noch höhere Erwartung an mich. Das Publikum wirkt hier unheimlich locker und empfängt mich jedes Jahr mit einer ungeheuren Wärme. Das heißt nicht, dass mir woanders Ablehnung entgegenschlagen würde, aber beim Zeltfestival sind alle noch mal anders drauf. Und machen mir die Arbeit damit besonders leicht.
Nicht nur du bist jedes Jahr dabei – es gibt ja auch bestimmt Zuschauer, die „Wiederholungstäter“ sind – weißt du von solchen Fällen? Was sagen die dir, warum sie immer wieder kommen?
Ja, solche Leute gibt es, und die haben die gleichen Empfindungen, was das Festival angeht, wie ich. Ist ein bisschen wie Klassentreffen oder Familienfeier.
Kann es auch ein Nachteil sein, hier ein Publikum zu haben, das schon viele Sachen von dir kennt? Spürst du einen Druck, immer was Neues bieten zu müssen?
Klar. Eine Zeit lang habe ich Spezial-Programme gemacht, in denen ich ältere, aber selten gelesene und gespielte Nummern gemacht habe. Vor allem aber deshalb, weil ich die Sorge hatte, dass ein komplett neues Programm nicht die Qualität der alten haben könnte. Dann kam erst „Durst und Heimweh“ und dann „Was ist da los?“ Und ich habe festgestellt: Es scheint doch zu funktionieren.
Andersrum: Hast du bei diesem Publikum die Freiheit, neue Elemente zu testen, die dann vielleicht erst später Einzug in dein Programm finden?
Es stimmt, ich improvisiere hier mehr als sonst, vor allem, wenn das Programm noch frisch ist oder bei den eben erwähnten Spezialprogrammen. Das hat durchaus mit der Sicherheit zu tun, die das Publikum mir hier gibt.
In der Woche vorm Zeltfestival spielst du vier Abende im Dortmunder Spiegelzelt, quasi in Sichtweite des Westfalenstadions – wie geht sowas denn für einen überzeugten VfL-Fan? Darf man sich da auch über die Borussia lustig machen?
Ich finde, es ist eine geradezu heilige Pflicht, in Dortmund ein bisschen über den BVB zu frotzeln. Und in Gelsenkirchen über Schalke. Vor ein paar Jahren hatte ich nach einem Auftritt in Gelsenkirchen mal die Schlagzeile: „Goosen macht Witze über Schalke.“ Als hätte ich dazu aufgerufen, Heroin zu legalisieren.
Dein Abend heißt „Was ist da los? - Blogs und Storys“ – das klingt so, als ob das ein Programm wäre, das ständig im Fluss und wandelbar ist, und du spontan am Abend über die Auswahl der Texte entscheidest – vielleicht auch abhängig vom Publikum... Ist das so?
Nein, eigentlich nicht. Es gibt ein Gerüst, das stabil bleibt. An ein oder zwei Stellen mache ich manchmal alternative Geschichten. Der Untertitel hat damit zu tun, dass einige Texte ihren Ursprung in meinen Internet-Blogs hatten. Von denen sie sich aber zum Teil ziemlich weit entfernt haben. Aber natürlich baue ich manchmal noch Sachen ein, die erst nach der Premiere passiert sind. Im Fußball-Teil des Programms beziehe ich mich mittlerweile sehr gerne auf die Rede, die Kevin Prince Boateng nach dem Pokalsieg der Eintracht auf dem Frankfurter Römer gehalten hat. Ich sage nur: „Bruda, spiel den Ball lang!“ Große Poesie!
Kannst du dich aus den letzten Jahren noch an ein besonderes ZFR-Erlebnis erinnnern? Vor oder nach der Show...
Einmal war es irrsinnig heiß, auf der Bühne geschätzt 50 Grad. Ein paar Monate später hatte eine Frau während der Zugabe meines Programms in der Wittener Werkstadt (sic: dt!) einen Kreislaufkollaps. Als ich später zu ihr ging, um zu sehen, wie es ihr geht, sagte sie: „Muss an Ihnen liegen. War schon das zweite Mal. Auf dem Zeltfestival bin ich auch zusammengeklappt.“
Bist du selbst auch ein „ZFR-Gänger“? Also besuchst du Veranstaltungen außer deiner eigenen?
Viel zu selten. Ich war aber mit meiner Omma und ihrer Schwester vor einigen Jahren beim Konzert von Howard Carpendale. Obwohl Omma da gar nicht unbedingt hin wollte, sie stand immer auf Freddy Breck. Aber es war dann doch eine echte Schau, mit den beiden Damen da zu sitzen, während das ganze Zelt „Ti amo“ brüllt. Und Omma nur den Kopf schüttelt.
Autor:Petra Vesper aus Bochum |
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