Flucht und Krieg historisch betrachtet – Stadtarchiv präsentiert neues Programm
Mit fünf Ausstellungen legt das Stadtarchiv – Zentrum für Stadtgeschichte ein abwechslungsreiches Halbjahresprogramm vor. Zu den beiden Ausstellungen „Zwischen Heimat und Front – Bochum im Ersten Weltkrieg“ und „Bochum – das fremde und das eigene“, die bereits laufen, kommen in den nächsten Monaten drei weitere hinzu. Zwei davon widmen sich dem Thema Flucht, die dritte beleuchtet den Schicksalsort Gefängnis in der Zeit des Nationalsozialismus.
Vor 100 Jahren tobte vor Verdun die längste Schlacht des Ersten Weltkriegs. Zwischen Februar und Dezember beschossen sich deutsche und französische Truppen. 300.000 Soldaten ließen ihr Leben. Der Frontverlauf änderte sich durch die Schlacht nicht. „Unter den Soldaten waren auch viele Bochumer“, sagt Dr. Ingrid Wölk, Leiterin des Stadtarchivs – Zentrum für Stadtgeschichte. „Die Ausstellung schlägt den Bogen vom August-Erlebnis 1914 bis zum Kriegsende 1918.“ Dabei sei in der eigens produzierten Ausstellung auch bewusst der Blick auf die andere Seite angestrebt worden. Dies sei durch eine Kooperation mit einem belgischen Museum gelungen. Flankierend zur Ausstellung im Stadtarchiv, Wittener Straße 47, wird Prof. Dr. Gerd Krumeich, einer der Experten in der Forschung zum Ersten Weltkrieg, am 13. April um 18 Uhr einen Vortrag mit dem Titel „1916: Das Jahr der Großschlachten“ halten.
Das Leben des Bochumer Leo Baer
Noch ein weiteres Mal steht der Erste Weltkrieg auf dem Halbjahresprogramm. Am Beispiel des Bochumer Leo Baer zeigt Dr. Ingrid Wölk in ihrem im Mai erscheinenden Buch ein ganzes Jahrhundert deutsch-jüdische Geschichte und wird ihr 400 Seiten starkes Buch am Freitag, 10. Juni, um 17 Uhr vorstellen. „Seit dem Jahr 2000 habe ich an diesem Buch gearbeitet. Da es keine Frist gab, habe ich das Konzept immer wieder geändert“, sagt die Autorin. Grund dafür sei auch der immer enger werdende Kontakt mit der Tochter Leo Baers in Toronto gewesen. Dessen Leben beinhalte nahezu alle Themen, die im letzten Jahrhundert in Bezug auf die deutsch-jüdische Geschichte möglich waren: Er war Kriegsheld im ersten Weltkrieg, Firmenbesitzer in Bochum, emigrierte nach dem Pogrom nach Frankreich, wurde dort als französischer Spion angeworben – was er aber strikt ablehnte –, kämpfte dann mit der Fremdenlegion gegen die Deutschen, überlebte das Konzentrationslager Sachsenhausen, wanderte nach dem Ende des zweiten Weltkriegs nach Amerika aus und verhandelte später mit der mit der Bundesrepublik über eine Wiedergutmachungssumme.
Flucht, Vertreibung und Migration
Ähnlich wie vor 100 Jahren sind auch 2016 die Flüchtlingsströme aufgrund von Kriegsverbrechen und Terrorismus ungebrochen und viele Menschen suchen weiterhin in Bochum Zuflucht und Schutz. Ihnen widmet das Zentrum für Stadtgeschichte zwei Ausstellungen: Der Karikaturist Waldemar Mandzel lässt in seinen Zeichnungen widersinnige Handlungsweisen der einzelnen EU-Nationen aufflackern und stellt der hilflosen und planlosen Politik einen schonungslosen Humor entgegen. Die Ausstellung „Krieg – Hunger – Flucht“ wird ab dem 23. April zu sehen sein.
20 junge Frauen und Männer, die als Flüchtlinge aus zehn verschiedenen Ländern nach Bochum kamen, verbindet zunächst eines: die Notwendigkeit, die deutsche Sprache zu erlernen und in der fremden Stadt zurechtzukommen. Hierfür nahmen sie an einem Programm der Gewerkstatt gGmbH teil: Am Computer lernten sie deutsch, absolvierten Berufspraktika und wurden von einer Köchin in die deutsche Küche eingeführt. Zudem gestalten sie in einem Workshop sogenannte Zukunftsboxen als künstlerische Auseinandersetzung mit ihren eigenen Träumen, Wünschen und Plänen. Die Ausstellung „Hoffnung auf Zukunft – Flüchtlinge in Bochum“ wird ab dem 5. Juni neben den Kunstwerken auch Interviews mit sechs Teilnehmern über deren Herkunft, Flucht und Zukunftserwartungen zeigen. „Geplant ist, dass wir diese Interviews im nächsten Jahr wiederholen, wenngleich wir nicht wissen, ob das überhaupt möglich sein wird“, sagt die Leiterin des Stadtarchivs.
Auch „Bochum – das fremde und das eigene“ setzt sich mit dem Thema Migration auseinander. Die ursprünglich für das Kulturhauptstadtjahr Ruhr.2010 entwickelte Ausstellung, will am Beispiel Bochum zeigen, dass Migration viele Ursachen hat und die gesamte Geschichte durchzieht. Dabei kann das Fremde sowohl faszinieren als auch Abstoßreaktionen hervorrufen. Der Blick aus der historischen Distanz offenbart aber auch, wie häufig in der Stadtgeschichte Fremdes schon zum Eigenen wurde. Die Ausstellung läuft bereits und wird immer wieder durch neue Exponate aktualisiert.
Gefangene der Nazis in der Krümmede
Die fünfte Ausstellung, zu sehen ab dem 17. Juni, geht in eine völlig andere Richtung. Alfons Zimmer ist Pastoralreferent in der Justizvollzugsanstalt Bochum (JVA). Er hat sich mit der Geschichte der JVA während des Nationalsozialismus auseinandergesetzt, die damals Strafgefängnis Krümmede hieß. „In der „Krümmede“ saßen nicht nur Kriminelle, sondern auch politische Häftlinge und sogenannte ‚Nacht-und-Nebel-Gefangene‘ aus der Resistance der besetzten Nachbarländer Belgien, Niederlande und Frankeich sowie Kommunisten, Sozialdemokraten und Homosexuelle“, erklärt Dr. Ingrid Wölk.
Nicht wenige dieser politischen Gefangenen überlebten die Inhaftierung nicht. Die Ausstellung porträtiert 60 Menschen, die zwischen 1933 und 1945 in der „Krümmede“ einsaßen.
Weitere Informationen zu den Ausstellungen und weiteren Veranstaltungen finden sich auf der Webseite des Stadtarchivs.
Autor:Harald Gerhäußer aus Bochum |
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